Pokal: FFC Frankfurt – FC Bayern Frauen 3:1 (1:0)
Das letzte Spiel gegen den FC Bayern München in der Bundesliga ist noch in unseren Köpfen – doch am Sonntag haben wir die große Chance, diese Partie aus dem Gedächtnis zu streichen und es besser zu machen. Wir wissen sehr genau, was vor zwei Wochen zu der Niederlage geführt hat und werden aus diesen Erkenntnissen die richtigen Schlüsse ziehen. Entscheidend ist, dass wir wesentlich aggressiver zu Werke gehen und auch eine bessere Raumaufteilung an den Tag legen. […] Mein Kollege Thomas Wörle verkauft sein Team gerne als Außenseiter, dabei verfügt er über eine absolute Top-Mannschaft mit 15 Nationalspielerinnen, die in der Breite besser besetzt ist als unser Team. Bei allem Understatement zählt der FC Bayern München für mich zum engsten Kreis der Favoriten in Meisterschaft und DFB-Pokal.
Colin Bell, FFC-Cheftrainer, ffc-frankfurt.de
Doch auch die Bayern rechneten sich Chancen aus und gingen selbstbewusst in die Partie. Einerseits hatten sie 2012 den DFB-Pokal im Endspiel gegen Frankfurt errungen und andererseits bereits bewiesen, in welcher starken Form sie derzeit sind.
Wir haben gezeigt, dass wir gegen Frankfurt gewinnen können, das gilt es jetzt zu bestätigen […] Es ist ein Pokalspiel, da gibt es nur hopp oder top. Wir wollen natürlich gewinnen.
Melanie Leupolz, FCB-Mittelfeldspielerin, fcbayern-frauenfussball.de
Am Vorabend musste der Favorit Wolfsburg gegen den SC Sand den Umweg über die Nachspielzeit gehen, um das Ticket ins Halbfinale zu lösen. Turbine Potsdam folgte ihnen in der regulären Spielzeit gegen den 1. FC Köln aus Liga 2, gegen den der FC Bayern im Vorjahr bereits im Achtelfinale ausgeschieden war. Im heutigen Parallelspiel setzte sich der Vorwochengegner des FCB, der SC Freiburg, gegen den Zweitligisten FSV Gütersloh in der Verlängerung durch und verbleibt den Winter über unter den letzten Vier.
Falls Ihr es verpasst habt
Tom Wörle bot die zuletzt verletzten Vivianne Miedema und Tinja-Riikka Korpela im Kader auf. Miedema nahm zunächst auf der Bank platz, Korpela rotierte für Manuela Zinsberger ins Tor. Ansonsten hatte die Startformation bestand, die zuletzt die Siege gegen Frankfurt und Freiburg eingefahren hatten: Gina Lewandowski links und Viktoria Schnaderbeck rechts als Flügelverteidigerinnen, Nora Holstad als Abwehrchefin in der Zentrale, Raffaella Manieri als linke und Caroline Abbé als rechte Halbverteidigerin. Davor das Mittelfeld defensiv gebildet aus Melanie Behringer und Melanie Leupolz auf der Sechs bzw. Acht, offensiv mit Mana Iwabuchi auf der Zehn. In der Doppelsturmspitze griffen Vanessa Bürki und Katherine Stengel an.
Colin Bell, dessen Mannschaft sich zuletzt in einer Art 4-1-4-1 von der Bayernformation hatte düpieren lassen, setzte auf die Waffen des Gegners und spiegelte diesmal die bayerische Variante samt Hybrid aus offensiver Dreierkette, die defensiv zur Fünferkette wird. Im Tor stand erneut Desirée Schumann, als offensive Flügelverteidigerinnen liefen links Verónica Boquete, rechts Bianca Schmidt auf. Linke Halbverteidigerin war Kathrin Hendrich, ihr Pendant auf rechts Marith Priessen. Auf der Doppelsechs spielte Simone Laudehr neben Jessica Fishlock, Dzsenifer Marozsán gab die Zehn, vorn im Angriff stürmten Célia Šašić, die nach einem Muskelfaserriss rechtzeitig für das Duell genesen war. Somit rotierte der Frankfurter Trainer im Vergleich zur letzten Partie Hendrich, Priessen, Boquete und Garefrekes in die Startelf. Ana Maria Crnogorčević, Kozue Andō, Svenja Huth und Mandy Islacker blieben dafür draußen. Somit konnte Simone Laudehr, die beim letzten Mal noch in der Innenverteidigung begann, auf ihre Stammposition im defensiven Mittelfeld zurückkehren.
Beiden Teams war die große Anspannung und Motivation anzumerken. Beide gingen gleich aggressiv zur Sache. Besonders Frankfurt war anzusehen, was sie sich für die Partie vorgenommen hatten und entwickelten von Beginn an Druck auf die bayerische Defensive, pressten hoch, doppelten die Ballführende und stellten mit ihren zwei Stürmerinnen Bayerns Halbverteidigerinnen zu. Bayern leistete sich ebenso wie Frankfurt in den ersten Minuten einige Fehlpässe, kam dann aber besser ins Spiel und umspielte das Frankfurter Pressung im ersten Drittel mit Pässen durch die Mitte. Darauf hatten die Frankfurterinnen offenbar nur gewartet, pressten die angepasste Bayernspielerin im Mittelfeld und zwangen sie zum Ballverlust. Bayern konnte nicht geordnet, und vor allem nicht zentral aus dem zweiten ins Angriffsdrittel kommen.
Frankfurt erspielte sich einige gute Möglichkeiten, bei denen die Bayernabwehr ordentlich ins Wanken geriet. Neben hohen Bällen in den Strafraum waren auf Seiten Frankfurts auch ansehnliche Schnittstellenpässe in die Tiefe das Mittel der Wahl. Bayern hielt zwar dagegen, versuchte es zunächst mit dem gewohnten Kurzpass- und Kombinationsfußball, doch wirkten aufgrund des hohen Frankfurter Drucks und der eigenen Ballverluste zunehmend eingeschüchtert. Eigene Schüsse waren meist schlecht gewählt. Gerade Bürki verursachte viele geblockte Distanzversuche, die in Kontermöglichkeiten für Frankfurt endeten. Diese wurden vom FFC nicht selten mustergültig ausgespielt, was Übersicht und Raumaufteilung betrifft. Als Beispiel kann hier der Konter nach gut einer halben Stunde gelten, den Šašić mit einem Schuss übers Tor abschloss.
Kurz darauf kamen die Bayern zu ihrer besten Möglichkeit als Behringer eine geklärte Ecke mit dem Kopf nochmal in den Strafraum bringt und Nora Holstad den Ball an die Querlatte köpft. Aber die offensiven Glanzpunkte setzten weiterhin die Frankfurterinnen. Vom Hackentrick im bayerischen Sechzehner bis zum satten Schuss durch Marozsán, bei dem Korpela eine starke Parade zeigte, war alles dabei. Behringer versuchte es nochmal mit einem langen Lupfer aufs leere Tor, zielte aber rechts daneben. Und dann war es passiert. Noch bevor sich Bayern in die Pause retten konnte, leitet Šašić einen Fehlpass Bürkis auf Garefrekes weiter, die legt beim Schnittstellenpass auf Boquete ein perfektes Timing an den Tag, die den Ball direkt ins Netz schiebt: 1:0-Halbzeitstand.
Bayern kam wie Frankfurt personell unverändert, aber hochmotiviert aus der Kabine, die Roten hatten sich für die zweite Halbzeit offenbar einiges vorgenommen. Doch bevor sie sich besinnen konnten, stand es bereits 2:0. Kerstin Garefrekes lupfte eine Kopfballverlängerung eines Freistoßes aus dem Mittelfeld aus spitzem Winkel von links über Korpela hinweg ins Tor. Die Bayern brauchten eine viertel Stunde, den erneuten Rückschlag zu verdauen. Erst nach einer knappen Stunde zirkelte Iwabuchi einen Freistoß ins rechte Kreuzeck, den Schumann aber noch rauskratzen konnte. Bayern schöpfte nun neuen Mut, fortan gelangen auch mal einige Kombinationen im Mittelfeld, die Abschlüsse waren aber weiterhin nicht zwingend.
Eine knappe halbe Stunde vor Schluss setzte Tom Wörle auf neue Impulse, brachte Leonie Maier für Mana Iwabuchi und Eunice Beckmann für Vanessa Bürki jeweils positionsgetreu in die Partie. Frankfurt zog sich nun zunehmend weiter zurück. Ihr aggressives Angriffspressing streuten sie nur noch bei ruhenden Bällen Bayerns ein. Dennoch gelang es ihnen, durch einen Distanzfreistoß aus dem Mittelkreis durch Marozsán das 3:0 zu erzielen. Offiziell wurde der Treffer Garefrekes gutgeschrieben, die sechs Meter vor dem Tor mit dem Kopf noch zum Ball ging. So oder so ein fieser Aufsetzer, der das Pokalaus der Bayern besiegelte.
Eine viertel Stunde vor Schluss wechselte Wörle mit Miedema für Stengel seine letzte Patrone ein und man kann festhalten: Die Wechsel griffen. Natürlich setzte Frankfurt nun nicht mehr ganz so konsequent nach, doch auch die Bayern steigerten die eigene Leistung. Die Kombinationen liefen flüssiger, bis auf die Nachspielzeit, in der Frankfurt noch mal einige Angriffe laufen lassen konnte, fanden die letzten 15 Minuten des Spiels fast durchweg im Strafraum der Frankfurterinnen statt. Die wurden nochmal etwas nervös, als Leupolz den geblockten Schuss von Miedema nach schöner Kombination zum 3:1 einnetzte und Beckmann fast noch den Anschlusstreffer erzielt hätte, brachten den Sieg aber über die Zeit und ziehen verdient nach einer sehr guten Leistung ins Halbfinale des DFB-Pokals ein.
3 Dinge, die auffielen
1. Ohne Plan B muss Plan A perfekt sitzen
Tom Wörle ließ sein Team die gesamte bisherige Saison, mit der man sich, was die Liga betrifft, bereits in der Rückrunde befindet, in seinem Stammsystem, dem 3-4-1-2/5-2-3 spielen. Diese moderne Formation ist hochflexibel und bereitete bis zu diesem Tage sämtlichen Gegnern große Probleme. Wörle hatte sehr gute Gründe, bei dem System zu bleiben, auch wenn die Gegner sich mittlerweile damit vertraut gemacht hatten — oder es, wie Frankfurt — gar kopierten. Nach dem großen Mannschaftsumbruch in diesem Sommer mussten sich die vielen neuen Gesichter zunächst einspielen, was sie in der Kürze der Zeit herausragend geschafft haben. Dass man sie in diesem Prozess nicht zusätzlich mit einer Vielzahl an Formationswechseln aus dem Tritt bringen möchte, ist die richtige Entscheidung. Diese Vorgehensweise wird nach der einzigen Niederlage der bisherigen Saison nicht hinfällig. Man erinnere sich daran, wie Guardiola im Frühling gegen Real Madrid von seinem Plan abwich und zuhause 4:0 unterging. Das wäre den Bayern mit einer Umstellung am heutigen Tage sehr wahrscheinlich ebenfalls passiert.
Soweit, so gut. Doch wenn man es dann mit einem versierten und zu allem entschlossenen Gegner wie dem heutigen FFC Frankfurt zu tun bekommt, muss der Plan A perfekt sitzen. Das ist nicht gelungen. Zu viele fatale Abspielfehler, falsche Entscheidungen und Probleme in der Abstimmung machten einen Sieg heute unmöglich. 90 Prozent dieser Fehler hatten die Frankfurterinnen durch ihr starkes Pressing und ihr willensstarkes Nachsetzen direkt erzwungen. Die anderen zehn Prozent muss sich Bayern selbst ankreiden. Ein minimal ungenauer Ball kann gegen einen unterlegenen Gegner noch erlaufen werden. Doch eine Mannschaft, die so nachsetzt wie Frankfurt und selbst spielstark genug ist, direkt umzuschalten, die grätscht dann noch dazwischen und zerstört so den Spielfluss der Roten. In den wenigen Momenten, die man hatte, um beispielsweise einen Entlastungsangriff zu fahren, vergab man die Bälle fahrlässig. Das hat sich gegen den FFC gerächt.
2. Fehlende Abstimmung in der Defensive
Die Verunsicherung des FCB schlug sich auch auf die Abstimmung der Defensive nieder. Bislang war der FC Bayern besonders durch die gute Organisation der Abwehrleute und der Torhüterin aufgefallen. Mit Worten und Taten hatte die Hintermannschaft bislang immer durch gute Kommunikation untereinander und kluge Entscheidungen geglänzt. Das ging heute nach hinten los. Korpela konnte mit ihren Reflexen auf der Linie zwar einige hochkarätige Schüsse Frankfurts entschärfen. In Erinnerung bleiben aber Szenen, in der Manieri und Korpela gleichzeitig zum Ball gehen oder Abbé Korpela mit einem vorhersehbaren Rückpass in Form eines unangenehmen Aufsetzers in Bedrängnis bringt. Auch bei den Distanzbällen wie der Torkoproduktion von Marozsán/ Garefrekes sah die Bayern-Torfrau nicht glücklich aus. Das roch schwer nach fehlender Spielpraxis mit den Konsequenzen fehlender Automatismen und falschem Timing. Vielleicht hätte Wörle hier erneut auf die starke Ersatztorhüterin Zinsberger setzen sollen. Doch wer weiß das schon vorher…
3. Schiri darf nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen
Beide Mannschaften haderten das gesamte Spiel über mit dem Schiedsrichtergespann, das in der Tat viele äußerst zweifelhafte Entscheidungen traf. Doch wer ohnehin Probleme hat, in die Partie zu finden und seine Stärken auf den Rasen zu bringen, sollte sich bei aller Anspannung im Pokalspiel und bei aller Nervosität aufgrund des Gegenwinds erst recht auf sein eigenes Spiel konzentrieren: auf das, was man selbst in der Hand hat — die eigene Leistung. Das gilt fast für die komplette bayerische Mannschaft inklusive dem Trainer. Die Fassungslosigkeit ist nachvollziehbar, aber wenig hilfreich. Während Mana Iwabuchi häufig verdutzt und ungläubig auf dem Rasen liegend Richtung Schiedsrichterin oder Assistentinnen schaute, während der Ball noch spielbar gewesen wäre, machten es die Frankfurterinnen in der Summe umgekehrt. Bezeichnend ist die Szene, in der Marozsán auf dem Weg in den Strafraum gefoult wird, doch nach einer Pirouette direkt weitersprintet, weil sie den verheißungsvollen Spielzug vollenden möchte. So bitter es aus Bayernsicht ist, so fatal mancher Pfiff war wie derjenige vor dem 3:0: Wer gewinnen will, darf sich davon nicht aufhalten lassen. Frankfurt hatte auch in dieser Hinsicht mehr Biss am heutigen Tag. Colin Bells Mannschaft konnte seinen Matchplan perfekt umsetzen und steht verdient im Halbfinale des DFB-Pokals.
1. FFC Frankfurt – FC Bayern 3:1 (1:0) | |
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1. FFC Frankfurt | Schumann – Boquete, Hendrich, Kuznik, Priessen, Schmidt – Laudehr, Fischlock – Marozsán – Šašić (90+1. Crnogorčević), Garefrekes |
FC Bayern | Korpela – Lewandowski, Manieri, Holstad, Abbé, Schnaderbeck – Behringer, Leupolz – Iwabuchi (61. Beckmann) – Bürki (61. Maier), Stengel (72. Miedema) |
Bank | Zinnsberger, Brooks, Baunach, Maier, Pekel |
Tore | 1:0 Boquete (45.), 2:0 Garefrekes (47.), 3:0 Garefrekes (65.), 3:1 Leupolz (80.) |
Karten | Gelb: Kuznik (42.), Fishlock (55.) / Manieri (36.), Caroline Abbé |
Schiedsrichter | Marija Kurtes (Düsseldorf) |
Zuschauer | 1.610 |