Der Mahner bleibt an Bord
Vom Beteiligten zum Gestalter
Auch bei den Personalentscheidungen im Profibereich wird Sammers Einfluss wachsen. Sammer ist als Sportvorstand an allen Transferentscheidungen beteiligt, setzte bislang aber wenige eigene Akzente. Die Transfers von Jan Kirchhoff und Sebastian Rode werden wohl zurecht ihm zugeschrieben. Andere größere Transfers wurden eher von Heynckes und Guardiola vorgeschlagen, vom gut vernetzten Rummenigge angebahnt und am Ende von Hopfner bzw. Dreesen (seit Sommer auch von Reschke) ausverhandelt. Sammer war hier eher Beteiligter als unmittelbarer Akteur – im Prinzip ist daran auch nichts auszusetzen, doch spätestens mit dem bevorstehenden Kaderumbruch in den kommenden Jahren und schwierigen Entscheidungen bei entwicklungsfähigen Spielern wie Shaqiri oder Hojbjerg steigt der Bedarf nach einer ordnenden und gestaltenden Hand. Sammer muss in diese Rolle hineinwachsen. Auch weil es durchaus hier und da ein Gegengewicht zu einem starken Trainer wie Guardiola braucht, dessen Interessen nicht immer zu 100 Prozent deckungsgleich mit den langfristigen Zielen des Vereins sein müssen. Dass Sammer vor Kurzem in einem Interview betonte, er lege Wert darauf, dass im Funktionsteam der Profis eine gesunde Mischung aus Vertrauten des Trainers und im Verein verankerten Fachkräften besteht, unterstreicht, dass er auch darin einen Teil seiner Verantwortung sieht.
Am besten sichtbar wurde Sammers Wirken in München bisher in der Außendarstellung. Er hat hier eine gute Mischung gefunden, die irgendwo zwischen Mahner, Antreiber und Beschwichtiger zu verorten ist. Dass es gerade unter Heynckes hier und da öffentlich mal knirschte, weil der erfahrene Coach die öffentliche Kommentierung von Leistungen der Mannschaft durch Sammer nicht passte, war für dessen Profilierung gar nicht mal schlecht. Mit Guardiola hat er eine gute Arbeitsteilung gefunden. Auch der Katalane musste sich an Sammer gewöhnen. Ein Vorstand, der so eng an die Mannschaft angebunden ist, war neu für ihn. Öffentlich passt zwischen die beiden bisher kein Blatt.
Sammer wird in seinen Botschaften immer klarer, forderte zum Beispiel vor dem Duell gegen Dortmund alle Nebengeräusche beiseite zu schieben und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Vor dem Spiel auf die Personalie Reus angesprochen sprach er zwei Sätze, die jede Nachfrage überflüssig machten: „Das Thema ist für uns heute kein Thema. Und wenn wir Redebedarf zum Thema Reus haben besprechen wir das intern und ganz sicher nicht mit Ihnen.“ Eine Klarheit, die sich wohltuend abhebt von den zum Teil albernen Sticheleien des Vorstandsvorsitzenden Rummenigge. Schon bei seinem Amtsantritt im Sommer 2012 gab Sammer die richtige Richtung vor, als er sich im Trainingslager im Trentino deutlich vor den damals stark kritisierten Arjen Robben stellte und in Richtung Lahm und Schweinsteiger deutlich machte, dass es trotz der verlorenen Finals und einer schwachen EM keinen Platz für Ausreden gebe. Es war Sammer, der den Verein damals aus der Lethargie riss.
Fraglos hat der Dresdner auch andere Momente. Wenn ihm ein Thema nicht behagt, flüchtet er sich allzu oft in Phrasen. Er spricht dann gern von „Konstellationen, die nachhaltig und ganzheitlich betrachtet werden müssen“. Oder er zitiert Wolfgang Schäuble. Es sind diese Momente, die nicht wenige Journalisten oder Funktionäre hinter vorgehaltener Hand vom überschätzten Sammer raunen lassen.
Bewährungsprobe steht bevor
So oder so: Die echten Prüfungen stehen ihm ohnehin noch bevor. Kritische Momente gab es bislang wenig. Der FC Bayern erlebte in den vergangenen zwei Jahren eine der besten Phasen der Vereinsgeschichte. Es wird spannend zu beobachten sein, wie der Sportvorstand mit Misserfolgen umgeht, die mit Sicherheit irgendwann kommen werden. Neben der Kaderverjüngung und der Nachwuchsreform wird sicher auch die Trainerfrage irgendwann auf ihn zukommen. Guardiola – so viel scheint klar – wird nicht ewig in München bleiben. Für einen Trainer wie ihn eine adäquate Nachfolge zu finden, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn es so weit ist, werden die Augen auf Sammer gerichtet sein. Er muss eine kluge Lösung präsentieren.
In seiner „zweiten Amtszeit“ wird der Mahner verstärkt zum Gestalter werden müssen. Der Vertrauensvorschuss des Vereins ist mit der nun erfolgten Vertragsverlängerung da. Die Zukunft des FC Bayern liegt vermehrt auch in Sammers Händen. Ob sie damit auch in guten Händen liegt, werden die Bewährungsproben der kommenden zwei bis drei Jahre zeigen.