JHV: So wird der FC Bayern mit den Frauen nur eine Nebenrolle spielen – ein Kommentar
Auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München spielte die Frauenabteilung nur eine Nebenrolle. Ebenso wie sie im internationalen Vergleich in der Zukunft wohl nur schwer über eine solche hinauskommen wird.
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Denn die Teilantwort auf einen Redebeitrag von Mitglied Thomas Jaud ließ tief blicken – und überraschte zugleich gar nicht. Jaud kritisierte den FCB dafür, dass er zu wenig in die Frauen investiere und dass es somit schwer werden würde, sich auf Dauer mit Größen wie dem FC Barcelona zu messen.
In Bezug auf die finanzielle Komponente stellte er mehrere Fragen:
- Stimmen die für unsere Frauen angegebenen Zahlen und wie hoch ist das Budget?
- Wie ist der Plan, den finanziellen und sportlichen Rückstand auf Barca, Lyon, Arsenal und Co. aufzuholen?
- Braucht es da nicht endlich mal einen richtig großen Schritt?
- Ist es denkbar, die hervorragende Arbeit der Bayern Frauen mit einer Budgeterhöhung zu belohnen, indem man fünf Prozent des Budgets der Männer umverteilt?
Außerdem forderte er: „Will der FC Bayern auch in Zukunft eine große Rolle im Frauenfußball spielen und meint er es ernst mit den Ambitionen in der Champions League, dann muss eher gestern als heute investiert werden!“ CEO Jan-Christian Dreesen antwortete ihm, wenn auch nicht auf jede einzelne Frage. Und seine Antwort ließ tief blicken.
Jahreshauptversammlung: Dreesen spricht über Umsatz der FC Bayern Frauen
Etwas mehr als vier Millionen Euro Umsatz würde die Frauenabteilung derzeit generieren, erzählte der 58-Jährige. Das Gehaltsbudget habe man in den letzten Jahren verdoppelt – wobei er dort keine Zeitspanne nannte. Das Ziel des Klubs sei es, eine stetige Entwicklung zu vollziehen und nicht mehr auszugeben, als man einnehme.
Sobald man mehr Einnahmen erziele, werde das Budget auch erhöht. Was aus isoliert wirtschaftlicher Perspektive zweifellos einen vernünftigen Ersteindruck hinterlässt, ist viel mehr ein Bekenntnis zu einer ängstlich-zurückhaltenden und etwas scheinheiligen Haltung. Denn bedingungslose Unterstützung sieht anders aus.
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Es geht hier schließlich nicht darum, die Finanzkraft der Männerabteilung mit einer Umverteilung derart zu schwächen, dass sie daraus Schaden nehmen könnte. Stattdessen geht es um im Kontext des FC Bayern niedrige Beträge, mit denen viel erreicht werden kann. Um die Belohnung und Anerkennung der sportlichen Entwicklung, die Bianca Rech und ihr Team über mehrere Jahre hinweg hingelegt haben.
Stattdessen versteckt man sich hinter ständigen Lippenbekenntnissen, denen zu wenige Taten folgen. Fakt ist: Das Wachstumspotenzial der Frauen ist allein schon dadurch massiv eingeschränkt, dass es seit vielen Jahren eine ungünstige Stadionsituation gibt.
Knauserig und ängstlich
Das Thema ist komplex und vielschichtig. Ursprung des heutigen Problems ist, dass sich die Frauenabteilung einst selbst für den Campus entschied und andere Optionen damals nicht in Betracht zog, als sie noch möglich waren. Jetzt ist die Situation festgefahren.
Gleichzeitig verläuft die Lösungssuche seit vielen Jahren schleppend. Und selbst Auftritte in der Allianz Arena wurden zwischenzeitlich gar nicht mehr gestattet, weil den Frauen nicht zugetraut wurde, dass sie das Stadion ausreichend füllen könnten – bei ca. 25.000 Zuschauer*innen liegt laut Rech die Grenze, um die Kosten eines Spieltags decken zu können. Während anderen Fußballklubs die Wertschätzung für ihr Frauenteam wichtiger ist als der konkrete Spieltagsumsatz, bekommt der reichste Fußballklub Deutschlands offenbar Schweißperlen, wenn nur 18.000 Fans statt der 25.000 Fans kommen könnten.
Aktuell kursieren Gerüchte, dass die Bayern das Stadion in Unterhaching kaufen könnten. Gearbeitet wird also an einer Lösung. Immerhin. Dennoch zeigt der gesamte Lösungsprozess das Grundsatzproblem im Umgang mit den Frauen: Es werden Vorleistungen erwartet, die kaum zu realisieren sind, ehe man sich etwas in die „Offensive“ traut. Es wird knauserig und skeptisch gehandelt, statt das überschaubare Risiko einzugehen.
FC Bayern Frauen: Ohne Investitionen kein Fortschritt
Oder anders: Ohne Investitionen wird es nicht vorangehen. Ohne Fortschritt werden Topspielerinnen wie Georgia Stanway ihre Verträge nicht verlängern. Was soll die Engländerin denken, wenn sie von den Vorgesetzten des Klubs hört, dass ohne größere Ausgaben für Marketing, Transfers und Vertragsverlängerungen eine Umsatzsteigerung erwartet wird, ehe die Bereitschaft da ist, mehr Unterstützung zu liefern?
Frei nach Uli Hoeneß hat der FC Bayern zwar keinen „Geldscheißer“ wie andere Klubs ihn vermeintlich haben. Aber die Beträge, um die es hier geht, verdienen die Männer an einem einzigen Spieltag in der Allianz Arena. Maximal zwei. Es wäre eine Umverteilung, die nirgendwo Schaden anrichtet und im Gegenzug sogar große Vorzüge bringen könnte.
Vor allem hat Dreesens Argumentation des stetigen Wachstums eine weitere Schwäche: Der Markt besteht in der Spitze nahezu ausschließlich aus Klubs, die von finanzstarken Männerabteilungen oder Investoren aus dem Boden gestampft wurden. Klubs, bei denen das Potenzial rechtzeitig erkannt wurde. Und auch der FC Bayern ist ein solcher Klub. Es wurde in den letzten Jahren nur nicht konsequent weiterinvestiert – nicht in den Sphären, die es gebraucht hätte.
Dreesen erwartet ein natürliches Wachstum. Aber der ganze Markt ist bei den Frauen einer, der aus einer komplexen Historie der jahrzehntelangen Unterdrückung und Kleinhaltung entstanden ist und heute vom Gutwillen jener abhängt, die ihn so lange unterdrückt oder mindestens ignoriert haben. Und trotzdem kämpfen in diesem System Führungskräfte wie Bianca Rech dafür, das Wachstumspotenzial zu nutzen.
Es wäre eine konsequente und starke Entscheidung des FC Bayern, würde er von seiner konservativen Haltung abweichen und die herausragende Arbeit mit einer Budgeterhöhung belohnen. Gerade jetzt. Und es wäre deutlich mehr als „nur“ ein Zeichen.
Wachstumsmarkt Fußball der Frauen: Ohne den FC Bayern?
Denn: Es gibt einige Studien, die davon ausgehen, dass dieser Markt sich in den kommenden Jahren enorm vergrößern wird. Die größten Profiteure werden die sein, die seit Jahren investieren oder jetzt noch auf den Zug springen. Der FC Bayern investiert sicherlich nicht wenig in seine Frauen und es gibt zwischen Schwarz und Weiß zahlreiche Grautöne, die es bei der Kritik zu beachten gilt.
Klar ist dennoch, dass sich aktuell eine gefährliche Entwicklung abzeichnet. Schon im kommenden Sommer könnte die Frauenabteilung vor einem extrem komplexen Neuanfang stehen. 13 Verträge laufen aus – darunter zahlreiche Topspielerinnen und Talente. Es wäre ein Umbruch, der mit dem aktuellen Budget weder zu vermeiden, noch wirklich zu stemmen wäre.
Überlässt der FC Bayern sein Frauenteam jetzt weiterhin größtenteils sich selbst, wird man auch viele weitere Jahre sehr wahrscheinlich nicht in der Lage sein, zu den Besten in Europa zu zählen. Die Aussagen auf der Jahreshauptversammlung deuten exakt darauf hin. Das von Dreesen geforderte Wachstum wird es ohne ernsthafte Investitionen nicht geben – zumindest nicht in der notwendigen Form. Und so wird es ein Henne-Ei-Problem bleiben, bis der Abstand der Bayern Frauen nach oben noch größer geworden ist. Vielleicht dann uneinholbar groß.
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