Joshua Kimmich lächelnd im rot-weißen Trikot des FC Bayern München.
Bild: Alexander Hassenstein/Getty Images

Joshua Kimmich und die ewige Debatte: Rechtsverteidiger oder Mittelfeldspieler?

Justin 27.09.2025



Rund um Joshua Kimmich gibt es seit vielen Jahren eine immer wiederkehrende Debatte: Auf welcher Position ist er denn jetzt zu Hause? Ist er Rechtsverteidiger oder doch Sechser?

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In der Nationalmannschaft wird schon deshalb fortlaufend darüber diskutiert, weil die verschiedenen Bundestrainer der vergangenen Jahre auf der rechten Defensivseite nach dem Rücktritt von Philipp Lahm keine hochklassigen Optionen hatten – während sie im Zentrum auf Spieler wie Toni Kroos, Ilkay Gündogan oder andere talentierte Spieler zurückgreifen konnten.

Beim FC Bayern München ist er in den letzten Jahren bis auf kleinere Ausnahmen deutlich unumstrittener als Sechser oder Achter eingesetzt worden. Auch weil er nach dem Abgang von Thiago lange Zeit der einzige Mittelfeldspieler beim FCB war, der auf dieser Position Spielstärke und Rhythmus garantieren konnte.

Mit dem Erstarken von Aleksandar Pavlović und der Verpflichtung von Tom Bischof könnte sich die große Frage aber bald erneut stellen: Ist Joshua Kimmich ein besserer Rechtsverteidiger oder ein besserer Mittelfeldspieler?

Joshua Kimmich: Welche Stärken hat er im Mittelfeld?

Sein aktueller Trainer in München hat eine klare Meinung. „Ich habe selbst für mich die Entscheidung getroffen, dass er in dieser Position (im Mittelfeld, Anm. d. Red.) am wichtigsten ist für die Mannschaft“, sagte Vincent Kompany auf einer Pressekonferenz im September 2025: „Jo hat für uns in manchen Spielen auch als Außenverteidiger gespielt, aber ich glaube ohne Zweifel, dass er einer der besten Mittelfeldspieler war in der letzten Saison.“

Über Kimmichs Stärken wird in den sozialen Netzwerken viel diskutiert. Unter Mitspielern und Trainern, die mit ihm zusammengearbeitet haben, gilt er aber als ballsicher, dominant und clever. Der Rechtsfuß hat eine herausragende Vororientierung und ihm gelingt es mit seinen ständigen Kopfbewegungen, einen Großteil des Spielfelds im Blick zu behalten und sich entsprechend klug in den Zwischenräumen zu positionieren.

Am deutlichsten ausgeprägt sind seine Stärken im Passspiel. Unter allen zentralen Mittelfeldspielern in den Top-5-Ligen und den europäischen Wettbewerben zählt er laut FBref fortlaufend in nahezu allen relevanten Statistiken zum besten Perzentil oder ist sehr nah dran an den Besten. Kimmich hat dabei eine enorme Progressivität in seinem Passspiel, spielt oft auch kleine, linienbrechende Bälle zwischen die Linien, die in Summe einen großen Unterschied ausmachen.

Kimmich konkurriert mit den besten der Welt

Zwar kommt ihm bei vielen Statistiken entgegen, dass er durch die hohen Ballbesitzwerte des FC Bayern hohe absolute Werte sammelt, aber auch relativ gesehen zählt er zur Weltspitze. Egal, ob progressive Zuspiele, Pässe ins letzte Drittel, Schnittstellenpässe hinter die Abwehr, Seitenverlagerungen oder Aktionen, die zu Abschlüssen oder Toren führen (SCA und GCA) – Kimmich spielt überall in der Kategorie der Besten mit. Selbst einen Vergleich mit Rodris Ballon-d’Or-Saison 2023/24 muss er nicht scheuen.

Statistik
(pro 90 min)
Joshua Kimmich
(Sep. 24–Sep. 25)
Rodri
(2023/24)
Berührungen116,1122,3
Pässe96,9/109,3 (88,6 %)103,2/112,1 (92 %)
Kurzpässe43,8/45,6 (95,9 %)51,4/54,4 (94,5 %)
Mittlere Pässe41,1/45,2 (91,0 %)39,0/41,7 (93,6 %)
Lange Pässe10,5/15,5 (67,5 %)10,4/12,3 (84,8 %)
Progr. Pässe10,811,5
Pässe ins Angriffsdrittel13,311,6
SCA5,14,8
GCA0,50,7
Schnittstellenpässe0,70,5

Aber es sind nicht nur die Zahlen, die Eindruck hinterlassen. Kimmich macht während der 90 Minuten überwiegend kluge Dinge, strukturiert das Spiel seiner Mannschaft und ist in der Lage, die richtigen Räume zu besetzen, um sich und andere in Position zu bringen. Hinzu kommt, dass er technisch nahezu jede Art Pass beherrscht. Besonders spektakulär sind seine Chipbälle hinter die gegnerische Abwehrkette. Aber auch Flanken und viele kleinteilige Kombinationen bereichern das Spiel seiner Mannschaften in der Regel.

Das sind auch die Qualitäten, die dazu führen, dass Kimmich von Trainern wie Kompany, Julian Nagelsmann oder Hansi Flick ihn beim FC Bayern im Zentrum gesehen haben. Auf der Außenbahn kann er diese Qualitäten ebenfalls einbringen, aber nicht so dominant wie im Mittelfeld – und auch nicht so rhythmusentscheidend.

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Joshua Kimmich: Welche Stärken hat er als Außenverteidiger?

Dennoch sind seine Stärken auf der Außenbahn ähnlich zu denen als Mittelfeldspieler. Zwei Qualitäten dürften Trainer, die ihn dort eingesetzt haben, besonders an ihm schätzen: Erstens ist die Außenverteidigerposition im Spielaufbau häufig sehr unterschätzt. Seit dem Karriereende von Lahm haben viele Klubs versucht, die Bayern in der Spieleröffnung auf ihren Rechtsverteidiger zu zwingen und dort das Pressing zu intensivieren.

Ähnlich machen es einige Gegner der deutschen Nationalmannschaft. Mit Kimmich hat man gegen dieses Mittel eine echte Waffe, denn der 30-Jährige ist in der Lage, diesem Pressingdruck zu trotzen und mit kurzen Kombinationen Lösungen zu finden, die zu gefährlichen Angriffen führen. Wenn Gegner das wissen, lassen sie sich auf diese Art Pressing oft gar nicht erst ein.

Zweitens schlägt Kimmich sehr präzise Flanken, die jahrelang ein Hauptargument dafür waren, dass er außen eingesetzt wurde. In 137 Partien als Rechtsverteidiger kommt er immerhin auf 45 Assists. Viele davon dürften neben Standardsituationen auch aus Flanken aus dem Spiel heraus entstanden sein.

Joshua Kimmich verzieht das Gesicht. Er trägt das rot-weiße Trikot des FC Bayern.
Die ewige Debatte rund um Joshua Kimmich: Rechtsverteidiger oder Mittelfeldspieler?
Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images

Joshua Kimmich: Welche Schwächen hat er im Mittelfeld?

Trotz Weltklasse-Werten und großer Anerkennung von zahlreichen Menschen, die mit ihm gearbeitet haben, gibt es auch Dinge, in denen Kimmich nicht überragend ist. Zwar stimmt es, dass er sich vor Weltklassespielern wie Rodri nicht verstecken muss, wenn es um die Spielgestaltung geht. Gleichzeitig ist er aber nicht so komplett wie die ganz Großen auf seiner Position – einschließlich jener aus der Vergangenheit.

Je länger die Passdistanz wird, desto größer ist auch die Streuung in Kimmichs Spiel. Immer noch auf hohem Niveau, gerade im Vergleich mit anderen Topspielern aber auffällig schwächer. Hinzu kommt, dass der Bayern-Star nicht den Eindruck erweckt, unpressbar zu sein. Kimmich ist etwas abhängiger davon, dass seine Mitspieler gut positioniert sind, als es bei Thiago oder Rodri beispielsweise der Fall war/ist.

Gründe dafür könnten sein, dass Kimmich nicht so beweglich ist und auch im Dribbling nicht so schnell in seinen Bewegungsabläufen. Auch diese Kritik bewegt sich auf hohem Niveau, könnte aber als Argument ins Feld geführt werden, wenn man zwischen einem 1A-Mittelfeldspieler und einem 1B-Mittelfeldspieler unterscheiden möchte.

Kimmich ist vor allem dann 1A, wenn er gut eingebunden ist. Spieler wie Rodri (vor allem vor seiner Verletzung) sind auch dann 1A, wenn es mannschaftlich nicht ganz rund läuft.

Joshua Kimmich: Welche Schwächen hat er als Außenverteidiger?

Als Außenverteidiger hat Kimmich seine Probleme vor allem im Defensivverhalten. Während er im Zentrum oft über seine Positionierung und Spielintelligenz arbeiten kann, muss er auf den Flügeln häufiger über Sprints und lange Läufe kommen. Dafür fehlt im das Tempo. Zumal auch die Gegenspieler in aller Regel schneller sind als zentral.

Kimmichs Offensivstärke wurde sowohl vom DFB-Team als auch von den Bayern immer mit einer gewissen defensiven Anfälligkeit bezahlt, wenn er auf dieser Position spielte. Ihn hier optimal einzubinden, ist deutlich komplexer als auf seiner Stammposition.

Joshua Kimmich: Seine taktische Rolle unter Vincent Kompany

Abgesehen von einem Moment der Schwäche gegen Werder Bremen, als er Victor Boniface mit einem Fehlpass beinahe das Tor schenkte, spielt Kimmich eine überragende Saison. Seit der Übernahme von Vincent Kompany hat er deutlich an Stabilität gewonnen, die ihm unter Thomas Tuchel noch fehlte.

Das mag einerseits am Vertrauen liegen, das der Trainer ihm ausgesprochen hat. Aber auch die taktische Rolle passt perfekt. In dieser Saison hat Kompany diese nochmal geschärft – und dabei das Beste aus beiden Positionen miteinander vereint. Im Spielaufbau entzieht sich Kimmich häufig dem Druck, indem er sich rechts oder links neben die Innenverteidiger fallen lässt und von dort wie ein Quarterback das Spiel aufzieht.

Ist der Ball weiter vorn, schiebt Kimmich mit nach vorn, sodass er aus den Halbräumen heraus seine gefährlichen Chipbälle spielen oder sich anderweitig am Kombinationsspiel beteiligen kann. Auch im Pressing hat Kimmich eine wichtige Aufgabe als derjenige, der aus der zweiten Reihe heraus das Anlaufverhalten koordinieren muss. Hier hat er in der Vergangenheit immer mehr Führungsaufgaben übernommen.

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Tom Bischof auf dem Sprung: Muss Joshua Kimmich bald wieder Außenverteidiger spielen?

Kimmich ist im Moment der beste zentrale Mittelfeldspieler, der für das System von Kompany zur Verfügung steht. Seine Stärken überwiegen klar die Schwächen und sein Niveau ist seit vielen Jahren extrem hoch.

Für den einstigen Stuttgarter und Leipziger ist es dennoch auf mehreren Ebenen gut, dass mit Pavlović und Bischof zwei weitere spielstarke Spieler im Kader sind. Das gibt dem Team nicht nur Möglichkeiten zur Variation, sondern Kimmich auch Entlastung. Wurde er früher mit Manndeckung eingeschränkt, hatten die Bayern es oft sehr schwer im Spielaufbau. Nun gibt es weitere Optionen, um seine Rolle zu entlasten.

Aber auch perspektivisch gibt es dadurch Optionen. Wenn sich Bischof und Pavlović so entwickeln, dass sie bald auf einem ähnlichen Level wie Kimmich spielen können (und zwar dauerhaft), gibt es mittelfristig die Option, Kimmich doch nochmal als Rechtsverteidiger einzusetzen. Zwar wird er im Alter nicht unbedingt schneller, aber die Option des Ausweichens zu haben, um irgendwann Platz für die jüngeren Spieler zu machen, ist sicher nicht verkehrt.

Bis es soweit ist, werden aber wohl noch zahlreiche Debatten darüber geführt werden, wo Bayerns Nummer sechs am besten aufgehoben ist. Ein Luxusproblem der besonderen Art.

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