Warum findet der FC Bayern seinen Kader zu teuer?

Alexander Trenner 27.09.2024

Mitte Juni berichteten verschiedene Medien, dass der FC Bayern die Gehaltskosten für seinen Spielerkader um rund 20 % senken wolle. Bereits im April vermeldete der Kicker, dass die Gehälter der Spieler „mit aller Macht gesenkt werden“ sollten. Den individuellen Höhepunkt dieser Diskussion bildeten Spekulationen im Juli, dass der FC Bayern seinen Mittelfeldstar Joshua Kimmich zu einem Gehaltsverzicht von 50 % bewegen wolle.

Kimmich ist Teil der Gruppe von Spielern, auf die sich die Aufmerksamkeit des FC Bayern besonders richtet. Denn was den Club insbesondere stören soll, ist der Umstand, dass die Top 10 der Spitzenverdiener des Kaders zusammen rund 190 Millionen Euro an Gehaltskosten auf die Waage bringen.

Doch warum eigentlich? Was veranlasst den Rekordmeister, einen der wirtschaftlich gesündesten Clubs der Welt, dazu, seine Gehaltskosten derart dramatisch senken zu wollen, und dann auch noch ausgerechnet im Spitzenbereich? Ein Kommentar.

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Wie ist die Lage?

Die folgenden Ausführungen basieren auf Daten von Capology. Capology ist ein Dienstleister, der die Gehälter der Spieler aller Clubs in unterschiedlichen Ligen Europas nachvollzieht. Capology gibt an, dass die Zahlen zum größten Teil auf Angaben von Insidern und Medienberichten beruhen und in der Regel durch die Verwendung mehrerer Quellen, darunter zum Teil Leute, die an den Verhandlungen direkt beteiligt waren, verifiziert sind. Manchmal schätzt Capology die Zahlen auch, aber für die Spitzenverdiener bei den großen Vereinen trifft das so gut wie nie zu.

Der FC Bayern hat laut dieser Datenbank gegenwärtig acht von 33 Spielern in Europa unter Vertrag, die mehr als 15 Millionen Euro Grundgehalt pro Jahr verdienen. Damit befindet sich fast jeder vierte Spieler in Europa, der ein Fixum von mehr als 15 Millionen Euro pro Jahr bezieht, in den Diensten des FC Bayern.

Der FC Bayern hat auch vier von 14 Spielern in Europa unter Vertrag, die mehr als 20 Millionen Euro Grundgehalt pro Jahr verdienen. Das entspricht knapp 30 % aller Spieler in dieser Gruppe.

Wo liegt das Problem?

Das Problem liegt nicht bei den aggregierten Personalkosten. Der FC Bayern hat ein Verhältnis von Personalaufwand zu Umsatz inkl. Transfererträge (Gesamtleistung) von rund 50 %. Dies ist im europäischen Vergleich ein sensationell niedriger Wert.

Von den Top-20-Vereinen in der Deloitte Football Money League liegt der FC Bayern in dieser Disziplin auf Platz zwei, geschlagen nur von Tottenham Hotspur. Der Kader des FC Bayern im Ganzen ist nicht zu teuer.

Das Problem liegt bei der Gehaltsentwicklung der Spitzenverdiener der Bayern. Hier eine Übersicht der Gehaltsentwicklung der Top-10-Spitzenverdiener und der Gesamtleistung der Bayern seit der Saison 2013/14:

Nimmt man die Saison 2013/14 zur Basis mit Index 100 für beide Größen, ergibt sich bei der Entwicklung folgendes Bild:

Wie die beiden Indizes zeigen, ist die Gesamtleistung der Bayern zwischen 2013/14 und 2022/23 um rund 60 % gestiegen, während die Gehälter der zehn bestverdienenden Spieler um rund 170 % gestiegen sind. Umgerechnet auf das Jahr bedeutet dies ein durchschnittliches Wachstum von rund 5,5 % pro Jahr bei den Einnahmen und von rund 11,5 % pro Jahr beim Gehalt der zehn Spitzenverdiener des Vereins.

Die Gehälter der Spitzenverdiener beim FC Bayern sind über die letzten knapp zehn Jahre also jedes Jahr ungefähr doppelt so schnell gewachsen wie der Umsatz. Dieser Trend lässt sich schon aus rein mathematischen Gründen nicht beliebig fortsetzen. Bei unveränderter Geschwindigkeit dieser Entwicklung würde der FC Bayern in ungefähr 36 Jahren seine gesamten Einnahmen für die Gehälter seiner zehn bestverdienenden Spieler ausgeben.

Schon aus diesem Grund also muss die Gehaltsentwicklung der Spitzenverdiener im Kader gestoppt werden. Es gibt aber noch weitere: 

  • Die Bayern zahlen bereits heute vielen ihrer Topspieler ein zu hohes Gehalt in Relation zum sportlichen Ertrag, den diese Spieler bringen. Andere Vereine realisieren einen vergleichbaren sportlichen Ertrag mit geringerem Mitteleinsatz. Im Bereich der Spitzenspieler ist die Ressourcenallokation der Bayern ineffizient. Sie verschenken bares Geld, das sie alternativ beispielsweise in neue technische Infrastruktur oder weitere gute Spieler investieren könnten, und wenn die Bayern der Gehaltsspirale im Bereich der Spitzenverdiener keinen Einhalt gebieten, wird diese Ineffizienz von Jahr zu Jahr nur noch schlimmer.
  • Die Bayern werden aufgrund der überproportional hohen Gehälter ihrer Spitzenverdiener zunehmend Probleme bekommen, diese Spieler loszuwerden, wenn sie sie abgeben wollen. Bereits in diesem Sommer wurde dies im Kontext der wochenlangen Diskussionen über mögliche Wechsel von Goretzka, Coman, Kimmich, Gnabry und möglicherweise sogar Sané deutlich, die sich am Ende zum Teil sicher auch wegen der Gehaltsvorstellungen dieser Spieler bei anderen Vereinen zerschlagen haben. Dies trifft die Bayern gleich doppelt: Ihnen entgeht eine Transfereinnahme und sie müssen zu teure Verträge von eigentlich nicht mehr gewollten Spielern bis zum Ende der Vertragslaufzeit honorieren.
  • Weil sich neue Spieler mit ihren Gehaltsvorstellungen auch an den Gehältern der bereits bei einem Verein befindlichen Spieler orientieren, zu denen sie sich leistungsmäßig ebenbürtig fühlen, bezahlen die Bayern für neue Spieler mehr, als es ein vergleichbarer Verein mit einer niedrigeren Gehaltsstruktur müssen würde. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass die Bayern einen Spieler, den sie bei einer niedrigeren Gehaltsstruktur noch hätten verpflichten können, nun nicht mehr verpflichten können, weil ihnen die finanziellen Spielräume fehlen, um sowohl die Gehälter der vorhandenen Spieler als auch die Gehaltsvorstellungen des neuen Spielers zu bedienen. Man denke zum Beispiel an die Verpflichtung eines allegorischen Florian Wirtz im nächsten Sommer, um sich die Problematik vor Augen zu führen.
  • Wenn die Bayern durch irgendwelche Umstände einen Stopp oder eine deutliche Verlangsamung ihres Umsatzwachstums erleiden, können ihre im internationalen Vergleich relativ teuren Spitzenverdiener noch schneller zu einer finanziellen Bürde werden, als sie es bei normaler Umsatzentwicklung ohnehin schon täten. Schon im Sinne eines vorausschauenden contingency planning ist es daher sinnvoll, die Aufwärtsspirale der Spitzengehälter zu stoppen.

Wie lautet die Bewertung?

Gegenwärtig befinden sich die Bayern noch in der luxuriösen Situation, nur rund 50 % ihrer Einnahmen für die Gehälter des Personals auszugeben. Die Wachstumstrends der Gehälter der Spitzenverdiener und der Einnahmen über die letzte Dekade zeigen allerdings, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis diese Relation über Reduktionen in anderen Bereichen nicht mehr aufrechtzuerhalten sein wird, wenn die Bayern sich dem Auseinanderklaffen der Schere zwischen diesen beiden Größen nicht entgegenstemmen.

Der beste Zeitpunkt, dies zu tun, ist genau heute, da das Problem in der Gesamtbetrachtung noch kein wirkliches ist. Jedes Zuwarten wäre fahrlässig und würde die unabdingbar notwendigen Anpassungen, die bei Fortschreibung der gegenwärtigen Entwicklung irgendwann folgen müssen, dann nur umso größer und schmerzhafter machen.

Es ist höchste Zeit, dass die Bayern die Explosion der Gehälter ihrer Spitzenverdiener eindämmen, und es ist gut, dass Max Eberl & Co. dies als Problem erkannt haben und angehen.

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