Michael Olise zum FC Bayern: Top-Transfer oder Risiko?
Am gestrigen Freitag gegen 21 Uhr ließ David Ornstein – ein in der Regel bestens informierter Sportjournalist – eine regelrechte Transferbombe platzen. Michael Olise soll sich aus seinen zahlreichen Interessenten für einen Wechsel zum FC Bayern entschieden haben. Auch weitere Medien berichteten im Anschluss von dem bevorstehenden Transfer.
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Nur die Höhe der Ausstiegsklausel, die der Rekordmeister dafür ziehen soll, scheint noch unklar. In England geht es Richtung 70 Millionen Euro, Transferexperte Fabrizio Romano schreibt lediglich von einer Ablösesumme von 53 Millionen Euro und möglichen Boni von 6 Millionen Euro. So oder so wird sich der Franzose wohl in die Top 5 der teuersten Bayerntransfers einreihen.
Zu viel für einen Spieler, der noch keine Minute in der Champions League oder bei der A-Nationalmannschaft auf dem Rasen stand? Oder hat der Franzose das Potential für eine Weltkarriere? Miasanrot liefert eine erste Einschätzung und was der Wechsel für die anderen Flügelspieler des Rekordmeisters bedeuten könnte.
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Wer ist Michael Olise? Stärken und Schwächen des Neuzugangs
Michael Olise wurde in den Nachwuchsabteilungen von Manchester City, des FC Chelsea und des FC Reading ausgebildet, bevor er sich 2021 Crystal Palace anschloss. Der Linksfuß fühlt sich vor allem auf dem rechten Flügel wohl und zieht von dort in Manier von Arjen Robben Richtung Tor. Auf der Insel ist das schon seit ein paar Jahren bekannt. In der Premier League hat sich der Flügelspieler bereits einen Namen gemacht und stand auch bei mehreren Top-Klubs auf dem Zettel. In Deutschland dagegen blieb Olise bis zuletzt noch eher unter dem Radar.
Und das zu Unrecht. Mit 10 Toren und 6 Vorlagen in 19 Einsätzen liest sich der offensive Output des Franzosen in der Saison 2023/24 hervorragend. Insbesondere wenn man seinen Expected-Goals-Wert von 5,51 betrachtet (Quelle: Sofascore), und dass er diese Scorer bei einem Team geschafft hat, das sich im Mittelfeld der Premier-League-Tabelle befindet.
Zwar ist es ungewiss, wie nachhaltig diese xG-Überperformance ist, doch genau diese Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor ließen Bayerns Flügelspieler in der vergangenen Saison größtenteils vermissen. Kingsley Coman brachte es beispielsweise nur auf drei Tore und insgesamt sechs Torbeteiligungen. Und Leroy Sané vergab in der Rückrunde Großchance um Großchance, sodass er seinen xG-Wert von 10,94 mit 8 Saisontoren am Ende sogar unterbot.
Michael Olise: Ein kompletter Flügelspieler?
Olise nur auf seine Torgefahr zu reduzieren würde dem Flügelspieler jedoch nicht gerecht werden. 1,9 Key-Pässe pro Spiel sowie 6 Assists und 9 kreierte Großchancen in 19 Spielen sprechen für dessen Vorbereiter-Qualitäten. In der Saison 2022/23 verbuchte er sogar 11 Assists in 37 Spielen in der Premier League.
Seine Schnelligkeit und Zielstrebigkeit erlauben es ihm zudem, sofort die Tiefe zu attackieren, wenn er den Ball bekommt. Und das macht er auch, so oft es geht. Zusätzlich ist der Linksfuß extrem dribbelstark. Zahlreiche Highlight-Clips auf YouTube existieren dementsprechend bereits von ihm.
Einen kompletten Flügelspieler hat der FC Bayern sich demnach also geangelt, der das Potential für die Weltklasse besitzt. Ob er dieses Potential dann auch umsetzt und auf die Champions-League-Ebene übertragen kann, wird die Zukunft zeigen und hängt bekanntlich von mehreren Faktoren ab.
Unter anderem seine Entscheidungsfindung sowie sein manchmal zu ausgeprägter Egoismus vor dem Tor wären zudem noch Dinge, an denen er arbeiten sollte. Doch mit 22 Jahren ist Olise immer noch sehr jung und entwicklungsfähig. Damit passt er optimal in das gesuchte Profil des Rekordmeisters.
Ein weiterer Spieler fürs FCB-Lazarett?
Deshalb stellt sich die Frage, was eigentlich gegen den Transfer des Flügelspielers spricht. Am offensichtlichsten dafür wäre natürlich das hohe Preisschild. Selbst die von Fabrizio Romano berichteten Zahlen wären durchaus eine Hausnummer für einen Spieler, der noch keine Champions-League-Erfahrung vorzuweisen hat. Auch in der französischen Nationalmannschaft hat es Olise erst bis zur U21 geschafft (was bei der Talentdichte und Trainer Didier Deschamps allerdings nicht viel heißen muss).
Der Transfer wäre also durchaus mit einem finanziellen Risiko verbunden, auch wenn das Explosions- oder Wiederverkaufs-Potential des 22-Jährigen sehr hoch ist. Das funktioniert jedoch nur, wenn er auf genug Einsatzzeit kommt, welche in den letzten beiden Saisons unter zwei Oberschenkelverletzungen litt. Dadurch hat der Franzose in den letzten beiden Jahren 21 Spiele bei Crystal Palace verpasst. Letzte Saison kam er mit seinen 19 Partien nur auf 37% der möglichen Spielminuten seines Vereins.
Die Verletzungshistorie sowie -anfälligkeit eines Coman oder Serge Gnabry hat er zwar – allein aufgrund seines Alters – noch nicht vorzuweisen. In den beiden Saisons davor lassen sich seine verpassten Spiele sogar an einer Hand abzählen. Dennoch ein Punkt, der das Risiko des Transfers zumindest nicht verringert.
Einen kleinen Wermutstropfen hat der Transfer zusätzlich noch. Olise steht nämlich in Therry Henrys vorläufigem Kader für die Olympischen Spiele, wodurch er fast die komplette Saisonvorbereitung verpassen könnte. Die Eingewöhnungszeit wäre damit maximal erschwert. Möglicherweise können und werden die Verantwortlichen des FC Bayern – ähnlich wie bei Mathys Tel – dem noch einen Riegel vorschieben.
Michael Olise: Ein Signal an Gnabry, Coman und Co.?
Andere Transferziele des FC Bayern für den Flügel – wie beispielsweise Nationalspieler Chris Führich oder EM-Shootingstar Nico Williams – haben sich mit dem Transfer von Olise wahrscheinlich erübrigt. Allerdings berichten verschiedene Medien schon seit Wochen vom Interesse des Klubs an Xavi Simons. Der Umbruch in der Offensive scheint seinen Lauf zu nehmen.
Zu einem Umbruch gehören neben Neuzugängen auch Abgänge. Max Eberl will Spieler verkaufen, auch Offensivspieler. Zum einen, um Geld in die Transferkasse zu spülen, zum anderen, weil der Kader in der Offensive sonst überbesetzt wäre. Harry Kane, Jamal Musiala und (potenziell) Xavi Simons würden nämlich schon drei der vier Startelfplätze besetzen. Die Talente Tel und Byran Zaragoza sowie Thomas Müller auf Abschiedstour werden auch um Einsätze konkurrieren.
Und so ist der Transfer von Michael Olise wohl ebenso als ein Signal für drei Spieler des FC Bayern zu betrachten, deren Abgänge durchaus möglich sind und Platz im Gehaltsgefüge des Klubs schaffen würden. Denn Gnabry, Coman und Sané besitzen alle hochdotierte Verträge. Verträge, die der FCB auf dem eingeschlagenen Weg zur Reduzierung der Gehaltsstruktur zumindest teilweise gerne loswerden würde.
Zudem vereint Olise mehrere Qualitäten der drei Verkaufskandidaten. Gnabrys Tiefenläufe und dessen Zug zum Tor zum Beispiel (zumindest in seinen besten Zeiten). Gleichzeitig kann er, ähnlich wie Coman, mit seiner Dribbelstärke auch Chancen aus dem Nichts kreieren. Und als Linksfuß und Rechtsaußen ist er selbstverständlich prädestiniert für Sanés derzeitige Rolle und Position beim FC Bayern.
Bedeutet: Wer auch immer den FC Bayern aus verschiedensten Gründen verlassen wird. Michael Olise kann sich mindestens zu einem gleichwertigen Ersatz desjenigen Spielers entwickeln. Im besten Fall zu mehr. Und das macht den Transfer zu einer großen Chance für den Verein.
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