FC Bayern: Wer spielt auf der Sechs? Die Konstellationen im Check
Um eine funktionierende Doppelsechs bilden zu können, sollten sich die Stärken und Schwächen der beiden Spieler bestmöglich ergänzen. Wie bei einem echten Liebespaar. Auch Faktoren wie Vertrauen und Abstimmung spielen hierbei eine entscheidende Rolle.
Thomas Tuchel befindet sich noch auf der Suche nach dem richtigen Sechserpaar für seinen Fußball beim FC Bayern. Ganze acht verschiedene Konstellationen probierte Bayerns Übungsleiter in der Hinrunde aus. Vor allem für Mittelfeldboss Joshua Kimmich scheint der richtige Partner immer noch nicht gefunden. Auch die Suche auf dem Transfermarkt blieb ergebnislos. Die Rodris dieser Welt wachsen schließlich nicht auf Bäumen.
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Tuchels Optionen für die Doppelsechs
Der von so vielen Bayern-Fans geforderte João Palhinha vom FC Fulham ist es aus verschiedenen Gründen auch nicht geworden. Tuchel scheint sich damit abgefunden zu haben, betonte zuletzt sogar, dass man ja jetzt vier Spieler für die Doppelsechs habe, denen man auch Spielzeit garantieren wolle. „Da ist es niemandem gedient, neue Spieler zu verpflichten“, so der Bayern-Trainer weiter. Die vorhandenen Spieler könnten ja nur besser werden, wenn sie gebraucht werden und eine Rolle hätten.
Mit Kimmich, Leon Goretzka, Raphaël Guerreiro und Alexsandar Pavlovic zählte Tuchel seine Wahlmöglichkeiten auch auf. Zudem ergänzte er, dass Konrad Laimer dort auch noch spielen könne. Der Österreicher wird aber vermutlich in der Rückrunde eher als Rechtsverteidiger gebraucht werden. Schließlich absolvierte er bereits in der Hinrunde knapp zwei Drittel seiner Spiele auf der Außenverteidigerposition.
Und so stellt sich die Frage: Wer kann am besten mit wem? Welche Konstellationen im Bayern-Mittelfeld kommen infrage? Welche beiden Spieler ergänzen sich am besten und wären das optimale Sechserpaar?
Joshua Kimmich und Leon Goretzka
Die offensichtlichste Wahl dafür wäre das Duo Kimmich-Goretzka. Die beiden Nationalspieler kennen sich schon seit ihrer Jugend und sollten als Doppelsechs eigentlich eine Ära prägen. Doch bereits unter Julian Nagelsmann waren einige Probleme in ihrem Zusammenspiel erkennbar. Zu offensiv präsentierten sich die beiden meistens und hinterließen riesige Lücken in der Zentrale. Einer der Hauptgründe für Bayerns Konteranfälligkeit unter Nagelsmann.
Unter Tuchel hatte Goretzka deshalb zunächst auch einen recht schweren Stand. Die Testspiele der Sommervorbereitung verbrachte er gar komplett als Einwechselspieler mit den Jugendspielern, sogar ein Wechsel stand zur Debatte. Doch Goretzka kämpfte sich zurück und holte sich seinen Stammplatz in den meisten Spielen zurück.
Im Großen und Ganzen funktionierte Goretzkas und Kimmichs Zusammenspiel auch besser als unter Nagelsmann, weil beide hin und wieder zurücksteckten und den absichernden Part übernahmen. Auch die Abstimmung untereinander verbesserte sich sichtlich. Ihren jeweiligen Stärken wird die tiefere Positionierung auf der Doppelsechs trotzdem nicht gerecht.
Kimmich und Goretzka: Ein Duo, das sich gegenseitig schlechter macht?
Goretzka kann zwar aufgrund seiner Physis und Zweikampfstärke durchaus die Rolle eines klassischen Abräumers übernehmen, seine eigentlichen Qualitäten sind trotzdem woanders. Als klassischer Box-to-Box-Spieler liegt Goretzka nämlich vor allem das dynamische Spiel zwischen den Strafräumen. Insbesondere das Nachrücken in den gegnerischen Strafraum zählt zu seinen Stärken. Der Spielaufbau liegt dem 28-Jährigen allerdings überhaupt nicht. Entweder versteckt er sich im Deckungsschatten der gegnerischen Angreifer oder er lässt den Ball einfach nur zurückklatschen, ohne jeglichen Raumgewinn zu erzielen.
Dies geht auch zu Lasten von Kimmichs hier vorhandenen Qualitäten. Nimmt ihn die gegnerische Mannschaft in Manndeckung, bleibt ihm häufig nichts anderes übrig, als sich zwischen die beiden Innenverteidiger fallen zu lassen, um von da aus den Spielaufbau zu leiten. Goretzka ist ihm dabei meist keine große Hilfe.
Zudem bringt der absichernde Part auch Kimmichs Schwächen zum Vorschein, da der 28-Jährige oft Probleme dabei hat, große Räume zu verteidigen, und sich viel zu schnell aus seiner Position ziehen lässt. Spätestens nach dem Frankfurt-Debakel wurde dies auch in der Öffentlichkeit wieder zu einem größeren Thema. Und dass seine spielgestalterischen Fähigkeiten – insbesondere seine punktgenauen Chipbälle – in der defensiven Rolle ebenfalls auf der Strecke bleiben, kommt noch dazu.
Trotz alldem bildete das Duo auch in der vergangenen Hinrunde am häufigsten das bayrische Sechserpaar. Und dass der Rekordmeister punktetechnisch die beste Hinrunde seit Jahren spielte, spricht dafür, dass die beiden auch in der Rückrunde die bayrische Doppelsechs bilden.
Joshua Kimmich und Konrad Laimer
Laimer wird die Rückrunde wohl größtenteils auf der Rechtsverteidigerposition verbringen. Dass der Österreicher in der Hinrunde mit Kimmich das zweithäufigste Sechserpaar bildete, sollte trotzdem nicht außer Acht gelassen werden. Zwar ist der Spielertyp Laimers dem eines Goretzkas eigentlich zu ähnlich, was ihn ebenfalls zu keinem optimalen Partner für Kimmich, aber auch für Goretzka macht. Als solide Alternative sollte man ihn dennoch im Hinterkopf behalten.
Joshua Kimmich und Raphaël Guerreiro
Etwas überraschend entschied sich Tuchel dafür, Raphaël Guerreiro gegen Hoffenheim an die Seite Kimmichs zu stellen. Zwar könnte das auch daran liegen, dass Tuchel Goretzka als einzige Option für die Innenverteidigung auf der Bank ließ. Dass der Münchner Übungsleiter Guerreiros spielerische Qualitäten wertschätzt, ist jedoch kein Geheimnis. Der Portugiese ist ein starker Kombinationsspieler, verfügt über ein gutes Kurzpassspiel und kann sich meist clever aus Pressingsituationen befreien. Zudem sieht ihn Tuchel anscheinend eher im Mittelfeld als auf dessen präferierter Linksverteidigerposition.
Gegen Hoffenheim funktionierte vor allem das höhere Pressing der beiden Sechser sehr gut. Guerreiro schob hinter den beiden vorderen Pressinglinien als dritte Welle häufig aggressiv mit nach vorn und eroberte so einige Bälle. Kimmich sicherte etwas tiefer ab, kam aber auch zu einigen höheren Ballgewinnen.
Dennoch sind sich Kimmich und Guerreiro ein wenig zu ähnlich in ihrem Spielerprofil. Und das gilt neben ihren Stärken auch für ihre Anfälligkeit, den Sechserraum zu verlassen. Außerdem lassen ihre Abräumerqualitäten ein wenig zu wünschen übrig, was gegen ein physisch starkes Mittelfeld durchaus zu einem Problem werden könnte. Wenn jedoch die Absicherung stimmt oder sich einer von beiden ein wenig zurückhält, hat das Duo fraglos das Potential dafür, ein spielstarkes Sechserpaar abzugeben. Insbesondere gegen tiefverteidigende Mannschaften eine ernsthafte Option.
Joshua Kimmich und Alexsandar Pavlović
Als gegen den VfB Stuttgart nahezu das komplette Bayern-Mittelfeld krank oder verletzt ausfiel, blieb Trainer Tuchel keine andere Wahl, als den gebürtigen Münchner ins kalte Wasser zu werfen. Und das 19-jährige Talent löste seine Aufgabe bravourös. Pavlović brachte sich unaufgeregt in den Spielaufbau ein, schlug starke Standards und eroberte zahlreiche Bälle. Eine Woche später in Wolfsburg war seine Leistung ähnlich stark.
Als einziger „richtiger“ Sechser im Kader, der seine Position hält und gewisse Abräumerqualitäten mitbringt, stellten sich viele Fans die Frage, wieso Pavlović nicht das Sechserproblem des FC Bayern lösen sollte und den perfekten Partner für Kimmich abgebe. Und tatsächlich bringt das Campus-Talent vieles von dem mit, was anderen Kimmich-Partnern im Kader fehlt: Defensive Disziplin, gute Ballbehandlung unter Druck und damit verbunden eine gewisse Entlastung für das restliche Mittelfeld.
Auch die Presse sprach Tuchel darauf an, der aber prompt anmerkte, dass man „die Kirche im Dorf lassen“ solle. Ihm fehle es noch ein wenig an Körperlichkeit und Erfahrung. Außerdem solle man einem 19-Jährigen nicht eine so große Last aufbürden. „Zu seinen Einsätzen wird er dennoch kommen“, bekräftigte Tuchel. Dem ist nichts hinzuzufügen. Denn als vollwertige Alternative für das Bayern-Mittelfeld hat sich Pavlović in jedem Fall erwiesen und ein gemeinsamer Auftritt mit Kimmich wäre zumindest ein interessanter Versuch.
Alexsandar Pavlović und Raphaël Guerreiro
Partner in den genannten Spielen war Raphaël Guerreiro. Und trotz kleinerer Abstimmungsprobleme gaben die beiden auch ein solides Sechserpaar ab. Gerade gegen den VfB agierten beide auch im Zusammenspiel sehr gut. In der Tiefenverteidigung gab es zu Beginn ein paar Probleme, auf die sie jedoch schnell reagierten, indem sie die Außenverteidiger etwas stärker unterstützten. Gegen Basel durften sie sogar nochmal ran. Mehr als eine Alternative für Spiele ohne Kimmich wird das Duo wahrscheinlich trotzdem nicht sein.
Raphaël Guerreiro und Leon Goretzka
Ein Sechserpaar, auf das Tuchel wohl nur im Notfall zurückgreifen würde. Beide haben nämlich noch nie auf der Doppelsechs zusammengespielt, es würden jegliche Automatismen fehlen. Darüber hinaus ergänzen sich beide nur mäßig und würden aufgrund ihres Offensivdrangs wohl zu viele Lücken in der Defensive hinterlassen.
Alexsandar Pavlović und Leon Goretzka
Bliebe noch das Duo Pavlović-Goretzka. Auch diese Konstellation wird wohl nur im absoluten Notfall auf dem Spielberichtsbogen stehen. Beide sind kaum eingespielt, haben noch keine 90 Minuten miteinander in der Zentrale verbracht. Zudem ist das Duo spielerisch zu limitiert, was sowohl gegen hochpressende Teams als auch tiefe Defensivblöcke problematisch werden würde. Pavlović bringt zwar durchaus Potential im Spielaufbau mit, doch gerade gegen den VfL Wolfsburg sah man auch seine Grenzen gegen eine ordentlich organisierte Defensive. Auch das dürfte ein Grund dafür sein, dass Tuchel noch vorsichtig mit dem Talent umgeht.
Fazit
Als Mittelfeldboss und Führungsspieler wird Joshua Kimmich im Normalfall wohl gesetzt sein. Doch wer sein Partner sein wird, ist die spannendere Frage.
Eine Anpassung an den jeweiligen Gegner ist natürlich auch eine Option für Tuchel. Trotzdem sollte der Münchner Übungsleiter im Hinblick auf die bald kommenden Top-Spiele in der Bundesliga und der Champions League seine Sechserpärchen nicht mehr allzu häufig durchwechseln.
Ein perfekt eingespieltes und sich ergänzendes Duo à la Martínez-Schweinsteiger wird sich wohl nicht mehr finden, doch alle genannten Spieler haben die Qualität, um dem FC Bayern weiterzuhelfen. Wenn Tuchel den richtigen Kompromiss findet und sein auserwähltes Duo in einen Rhythmus kommt, dann dürfte das die hohen Ziele des Clubs zumindest nicht gefährden.