FC Bayern – Gerüchte: Die Rolle von Eric Dier und wer noch kommen könnte
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„Der Zeitplan ist schon überschritten. Der Wunsch war 2.1.” Bayern-Trainer Thomas Tuchel machte so nach dem einzigen Testspiel der Wintervorbereitung in Basel noch einmal klar, dass er Neuzugänge für die Defensive erwartet und diese am besten schnellstmöglich.
Beim kargen 1:1 gegen den FC Basel am vergangenen Samstag war der vereinbarte Zeitplan also bereits vier Tage überschritten und es sollte nochmal weitere fünf Tage dauern, bis Sportdirektor Christoph Freund Tuchel mit der ersten Verstärkung erfreuen konnte: Donnerstagabend verkündete der FC Bayern die Verpflichtung von Eric Dier.
Der Engländer kommt von Tottenham Hotspur und bindet sich bis zum Sommer mit einer Option für ein weiteres Jahr an die Münchner. Kurios: Tottenham verkündete auf seiner Homepage, man verleihe den 29-Jährigen für ein halbes Jahr und der FCB hätte eine Kaufoption – obwohl der Vertrag bei den Spurs im Sommer ausgelaufen wäre.
FC Bayern München: Was wurde eigentlich gesucht?
Mit der Hinzunahme von Dier dürfte Tuchel allerdings noch nicht befriedet sein. Der Coach bemängelt bereits die gesamte Saison eine zu dünne Personaldecke in der Defensive.
Deshalb versuchten die Bayern am Ende des Sommertransferfensters auch João Palhinha für das defensive Mittelfeld und João Cancelo für die Außenverteidigung zu verpflichten. Jedoch zerschlugen sich beide Transfers auf den letzten Metern und Tuchels Befürchtungen sollten sich in der Folge durchaus bewahrheiten.
Nur war es nicht mehr das defensive Mittelfeld, für das sich der Bayern-Trainer einen defensiver ausgerichteten Spieler gewünscht hatte, sondern der Schuh drückte plötzlich in der Innen- und Rechtsverteidigung. Genau auf diesen beiden Positionen fehlen zudem wegen Länderspielabstellung jetzt mit Noussair Mazraoui und Min-jae Kim noch zwei arrivierte Spieler. Die beiden nehmen mit
ihren Nationalteams am Afrika- Cup bzw. Asien-Cup teil und werden voraussichtlich erst Ende Januar oder im Februar zurück erwartet.
Damit wäre das grobe Profil für mögliche Neulinge schon relativ klar definiert: Ein Transfer sollte möglichst schnell umsetzbar sein, der Spieler sofort helfen können und rechts oder innen verteidigen. In der Innenverteidigung wird eher ein klassischer Backup benötigt, da mit Dayot Upamecano, Matthijs de Ligt und Kim bereits drei potenzielle Stammspieler zur Verfügung stehen. Dabei bevorzugt Tuchel Spieler, die aggressiv nach vorne verteidigen und im Spielaufbau stark sind.
FC Bayern München: Und rechts hinten?
Etwas anders sieht es auf der Rechtsverteidigerposition aus, dort gab es seit den Abgängen von Benjamin Pavard und Josip Stanišić eine Vakanz hinter Mazraoui. So musste Konrad Laimer bereits 15-mal in der Viererkette aushelfen.
Der Österreicher wusste zwar durchaus zu überzeugen, fühlt sich aber im Mittelfeld wohler, weil es ihm etwas an der nötigen Geschwindigkeit für Außen mangelt. Es ergibt also Sinn einen Spieler zu verpflichten, der Mazraoui seinen Platz zwar streitig machen kann, dazu jedoch ein etwas anderes Skillset als der Marokkaner mitbringt.
Mazraoui ist ein spielstarker Verteidiger, der seine Technik und taktisches Verständnis immer wieder ins Offensivspiel einbringt. In der Defensive lässt er aber etwas die körperliche Robustheit und manches Mal die nötige Aufmerksamkeit vermissen. Ein defensiverer Gegenpol à la Pavard wäre naheliegend.
Eric Dier und seine Rolle beim FC Bayern
Eine Frage ist mit der Personalie Dier ganz klar beantwortet. Es ist nicht der eine polyvalente Spieler, der die bayerischen Defensivsorgen beheben soll. Dier ist zwar variabel einsetzbar, die Rechtsverteidigerposition allerdings zählt längst nicht mehr zu seinen größten Stärken.
Dort musste sich der 49-fache englische Nationalspieler zu Beginn seiner Karriere öfters versuchen, der letzte Auftritt aber liegt mehr als achteinhalb Jahre zurück. Dier, der viele Jahre seiner Kindheit in Portugal verbracht hat, fühlt sich in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld am wohlsten.
Dort kann er seine Robustheit und sein hervorragendes Passspiel einbringen. Er versteht sich auch auf das Abfangen von Bällen, lässt sich dafür jedoch gerne tief fallen. Dier ist im Mittelfeld eine „Holding Six“ und als Innenverteidiger agiert er am liebsten zentral in einer Dreierkette. Tuchel hob bereits die Möglichkeit hervor, mit ihm nun auch häufiger die Defensivformation wechseln zu können.
Der Engländer spielte zwar auch in Viererketten, dort aber dann hoch zu stehen und aggressiv auf
den Ballgewinn zu gehen, zählt nicht zu seinen Stärken. Für die von Tuchel präferierte Spielweise fehlt dem Neuzugang schlicht und ergreifend die Geschwindigkeit.
Eric Dier: Bei Tottenham außen vor
Das soll auch einer der Hauptgründe gewesen sein, warum Dier in der bisherigen Saison lediglich viermal für Tottenham zum Einsatz kam. Spurs-Coach Ange Postecoglou lässt sehr weit aufrücken und setzt in der Viererreihe hinten auf schnelle Innenverteidiger.
Dafür holten die Londoner mit Micky van de Ven im Sommer und Radu Drăgușin vor wenigen Tagen zwei extrem schnelle Verteidiger. Für Drăgușin soll auch ein Angebot aus München beim Genua CFC eingegangen sein, allerdings zu spät. Der Rumäne hat bereits in London zugesagt und ermöglichte so den Dier-Wechsel.
Der wiederum erfüllt einen Need in München. Es gibt vorerst wieder einen Innenverteidiger Nummer drei, der bei all seiner Erfahrung auch sofort funktionieren sollte und im Notfall im Mittelfeld aushelfen kann. Auf der Sechs scheint mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Laimer, Raphaël Guerreiro und Aleksandar Pavlović aktuell jedoch weniger Bedarf da zu sein als noch vor einigen Monaten.
FC Bayern München: Wer kommt noch?
Bedarf, den es hingegen weiterhin auf der Rechtsverteidigerposition gibt. Am ersten Bundesligaspieltag des Jahres 2024 gegen Hoffenheim war es erneut Laimer, der in der Viererkette aushalf und Kimmich brachte das Spiel auf der von ihm ungeliebten Position zu Ende.
Eine Verstärkung sollte also schnell her und vielleicht wird gerade deshalb beinahe jeder fähige Verteidiger Europas mit den Roten in Verbindung gebracht. Wir blicken auf die aktuell am heißesten gehandelten und sinnigsten Optionen.
Weggefallen sind Spieler, die sich bereits anders entschieden haben (Kehrer, Drăgușin), deren Vereine direkt abgewunken haben (Tah, Tomori) und diejenigen, um die Spekulationen einfach eingeschlafen sind (Martínez, Tomiyasu, Scalvini).
Nordi Mukiele (Paris Saint-Germain)
Der Topfavorit und das kommt nicht von ungefähr. Mukiele checkt alle Boxen auf der Münchner Wunschliste. Der ehemalige Leipziger hätte höchstwahrscheinlich kaum Anpassungsprobleme und könnte sofort spielen, dazu ist er wechselwillig, weil er in Paris nicht auf die gewünschten Einsatzzeiten kommt.
Die Spielweise des Franzosen ist von seiner körperlichen Stärke und Athletik geprägt. Der 26-Jährige ist sehr kraftvoll, schnell und zweikampfstark. In der Offensive bringt er seine Dynamik gepaart mit einer guten Technik ein. In seinen letzten drei Leipzig-Saisons lieferte er immer mindestens fünf Scorerpunkte – nicht überragend, aber solide.
Der variabel einsetzbare Verteidiger agiert teilweise noch etwas ungestüm und vernachlässigt die defensive Positionierung, was zu Lücken im Deckungsverbund führen kann. Trotz dieser Schwächen wäre das Gesamtpaket für einen Wintertransfer auf einer Problemposition ziemlich gut. Den Bayern-Verantwortlichen schwebt wohl eine Leihe mit Kaufoption vor, während PSG sich eine Kaufpflicht im Bereich von 20-25 Millionen wünscht. Die Verhandlungen sollen in der kommenden Woche Fahrt aufnehmen.
Sacha Boey (Galatasaray)
Plan B soll ein Mann sein, an den sich Bayern-Fans aus den Champions-League-Duellen mit Galatasaray erinnern dürften. Gegen die Münchner Flügel um Leroy Sané zeigte Boey, dass er trotz seiner eher schmächtigen Figur äußerst robust und zweikampfhart ist.
Der junge Franzose konnte gut gegenhalten und sich mit seiner Geschwindigkeit auch offensiv in Szene setzen. Beim Ertrag hapert es allerdings noch, der 23-Jährige kommt in 93 Erstligapartien in Frankreich und der Türkei lediglich auf sechs Scorerpunkte. In der Defensive zeigt sich Boey noch etwas foulanfällig.
Das Talent, langfristig bei einem Topclub Fuß zu fassen, ist aber ohne Zweifel vorhanden. Die Transfermodalitäten würden sich laut Sky bei den beiden französischen Rechtsverteidigern durchaus ähneln. Boey sei durchaus interessiert, Gala könne es sich auch vorstellen, aber nur als einen festen Abgang im Bereich von 20 bis 25 Millionen Euro. Freund und die Bayern sollen nach wie vor nach einer Leihe Ausschau halten.
Dass Boey das letzte Ligaspiel mit leichten Knieproblemen verpasste, stellt angeblich kein Problem dar.
Jonathan Clauss (Olympique Marseille)
Der nächste Kandidat und der nächste Franzose. Der technisch versierte Rechtsfuß dürfte vielen deutschen Fußball-Fans noch aus seiner Zeit bei Arminia Bielefeld (2018-2020) in der 2. Bundesliga bekannt sein. Damals spielte Clauss noch hauptsächlich auf Rechtsaußen.
Und damit wären wir neben dem Alter des 31-jährigen schon beim kritischen Punkt: Er machte seinen großen Leistungssprung bei Lens und Marseille als Schienenspieler in einer Fünferkette. Erst dieses Jahr bei OM agiert er regelmäßig in einer Viererkette und hat dabei erhebliche Probleme in der Defensive.
Mangelnde Konstanz ist ebenfalls ein Thema, allerdings zeigt Clauss auch immer wieder herausragende Leistungen (mindestens zehn Assists in den letzten beiden Saisons), die ihn bis in die französische Nationalmannschaft gebracht haben. Trotzdem scheint ein Transfer unwahrscheinlich, über mögliche finanzielle Rahmenbedingungen ist nichts bekannt.
Kevin Danso (RC Lens)
Ein weiteres bekanntes Gesicht aus den Bundesligen, das in Frankreich aufblühte. Der Österreicher entwickelte sich nach seinem Abschied aus Augsburg als zentraler Mann der Dreierkette beim aufstrebenden Lens zu einem der besten Innenverteidiger der Ligue 1. Einen Innenverteidiger hat der FC Bayern mit Dier jedoch schon verpflichtet und da Danso nicht auf Außen ausweicht, sollte sich dieses Gerücht erledigt haben.
Ronald Araújo (FC Barcelona)
Der Name hält sich hartnäckig im Umfeld des FC Bayern. Tuchel soll angeblich ein großer Fan des Uruguayers sein und auf eine Verpflichtung drängen. Im Wintertransferfenster ist ein Vorstoß von Münchner Seite kaum mehr zu erwarten.
Zum einen erklärte Araújo selbst, beim FC Barcelona glücklich und voll auf den Verein
fokussiert zu sein, zum anderen würde der finanzielle Aufwand von ca. 80-100 Millionen Euro im Winter weit über den Rahmen hinausgehen, den sich die Münchner selbst gesetzt haben.
Überhaupt darf hinterfragt werden, wie sinnvoll ein weiterer so teurer Spieler ist, wenn bereits Innenverteidiger von Format im Kader stehen. Der 24-Jährige kann zwar auch als Rechtsverteidiger auflaufen, seine Stärken aber liegen ganz klar in der physischen Präsenz und Zweikampfführung und nicht im Spiel nach vorn auf dem Flügel.
Lest hier mehr über Matthijs de Ligt und seine wohl wichtigste Phase beim FC Bayern.
Trevoh Chalobah (FC Chelsea)
Der Engländer wurde bereits im Sommer gehandelt, vor allem wegen seiner Beziehungen zu Tuchel, der ihn zu seiner Chelsea-Zeit förderte. Deshalb ploppte der Name jetzt erneut auf, allerdings wirkt das Gerücht dieses Mal deutlich unrealistischer.
Chalobah absolvierte diese Saison verletzungsbedingt noch keine einzige Partie und wäre somit nicht die gesuchte Soforthilfe. Vermutlich wäre der junge Verteidiger ohnehin nur eine Option für das Zentrum, da er sich über viel über Spiellesefähigkeit, Aufbauspiel und Durchsetzungsvermögen definiert. Als Rechtsverteidiger wäre auch er nur ein Notnagel.
Transferwinter des FC Bayern: Ein Zwischenfazit
„Wenn was geht, werden wir es machen“, kündigte Tuchel am Freitagabend nach dem 3:0-Heimsieg über die TSG Hoffenheim an. Der Zeitplan mag überschritten sein, aber sollte es zeitnah zur Verpflichtung von Mukiele oder Boey kommen, kann Tuchel mit dem von ihm gewünschten breiten Kader in die Rückrunde gehen.
Spätestens nach der Rückkehr von Mazraoui und Min-jae wäre jede Position im Kader doppelt besetzt – teilweise sogar darüber hinaus. Das Profiteam würde dann 26 Spieler umfassen und das ohne Bouna Sarr, der bis zum Vertragsende im Sommer verletzt ausfällt und Tarek Buchmann, der ebenfalls verletzt ist und keine Option zu sein scheint.
Das wäre für Bayern-Verhältnisse schon fast ein aufgeblähter Kader, da – wie wir im ersten Teil unserer Kaderanalyse herausgearbeitet haben – meist 18 bis 20 Profis den Großteil der Minuten spielen. Es wäre trotzdem ein Schritt nach vorne, weil Bayern gegenüber einigen Unwägbarkeiten gewappnet wäre.
So zum Beispiel, dass der aktuell verletzte Mazraoui mit einer noch gravierenderen Blessur vom Afrika-Cup zurückkehrt. Vor allem aber würde der Gruppe der Vielspieler Qualität hinzugefügt werden. Mukiele oder Boey könnten für Jahre die Lösung auf der Rechtsverteidigerposition sein – oder zumindest eine sehr gute Übergangslösung.
Abwägen muss der Rekordmeister nun vor allem, wie viel Geld ihm die kommende Rückrunde wert ist – und welche Alternativen sich im kommenden Sommer auftun könnten.