Die Rückkehr der Willy-Sagnol-Gedächtnisflanke – die Entwicklung von Rafinha
Im Sommer passierte eines dieser typischen Fußballmärchen. Der neue Trainer Pep Guardiola sah in Rafinha Dinge, die Jupp Heynckes nicht zu sehen vermochte. Schon in den Testspielen durfte er regelmäßig auflaufen. Durch die Ausfälle von Schweinsteiger, Martinez und Götze im Mittelfeld bekam Rafinha nun seine zweite Chance, da wiederum Lahm kurzerhand zum zentralen Mittelfeldspieler umfunktioniert wurde. Spielerisch liegt der Vorteil auf der Hand: Durch das (meist) gute Pressing von der Mittelfeldachse Lahm/Thiago/Kroos, bekommt die Abwehr weniger Druck und so wird der Gegner weit vom Tor weggehalten. Man kaschiert geschickt die eigenen Schwachstellen. Diese liegen bei Rafinha in der defensiven Zweikampfführung. Hin und wieder steht er zu weit weg von seinem potenziellen Gegenspieler, mal ist er zu passiv oder er lässt dem Gegner an der zu langen Leine in Ruhe agieren. Besonders gut konnte man das beim Heimspiel gegen Hannover sehen oder auch jetzt vor kurzem in Stuttgart. Sein Abwarten hat oftmals zur Folge, dass der Gegner Tempo aufnehmen kann – wie zum Beispiel der Stuttgarter Werner. Rafinha selbst verfügt nicht über diesen schnellen Antritt und hat folglich Probleme überhaupt noch in den Zweikampf zu kommen. Kurzum: Das Stellungsspiel könnte hin und wieder aktiver sein.
Unter Pep Guardiola bringt es der Brasilianer dennoch auf 26 Pfichtspieleinsätze – mit lediglich 3 Einwechslungen, weil die hier angesprochenen Probleme selten vorkommen. Mit anderen Worten: Rafinha ist aktuell Stammspieler. Waren seine Einsätze am Anfang der Saison gegen Freiburg und Hannover gerade noch ausreichend, steigerte er sich im Laufe der Hinserie von Spiel zu Spiel. So konnte er gegen Schalke und in Manchester sicherlich seine persönlichen Highlights setzen. Dort wurde er von Pep sehr offensiv eingesetzt – fast wie bei seinem Ausflug in die Seria A beim FC Genua. Dort spielte er im rechten Mittelfeld, sehr offensiv und fütterte die Stürmer regelmäßig mit Flanken. Gerade den Diagonalpass gg. City auf Ribery vor dem 1:0 haben noch viele im Kopf oder auch die Willy-Sangol-Gedächtnis-Flanke auf Thiago gegen Stuttgart. Offensiv wünscht man sich dennoch etwas mehr Impulse. Das liegt wohl an besagtem Philipp Lahm, der in der Vorsaison als Rechtsverteidiger über 22 Torvorlagen in 58 Spielen lieferte und damit den perfekten Außenverteidiger gab. Man darf allerdings nicht unterschlagen, dass sich das Spiel des FC Bayern verändert hat. Es werden im Vergleich zur Vorsaison weniger Flanken gespielt. Das klassische Hinterlaufen von Robben durch Lahm sieht man von Rafinha selten, weil der Trainer eine neue Spielphilosophie etabliert hat. Das liegt aber auch daran, dass das Zusammenspiel mit Robben noch ausbaufähig ist. Oftmals hängt der Holländer etwas in der Luft, weil Rafinha zunächst auf Absicherung bedacht ist. Ob das taktisch gewollt ist, oder ihm der Mut fehlt, ist schwer zu beurteilen. Gelingt es ihm das Zusammenspiel zu verbessern, schafft er sicher auch mehr als „nur“ fünf Assists.
Dennoch zeigt der Trend in der Summe nach oben. Schon alleine, weil sich Lahm scheinbar als ZM festgespielt hat und von dieser Position nicht mehr wegzudenken ist. Ob Rafinha mittelfristig der Spieler sein kann, der die Abwehr in Gefahrensituationen stabilisiert (z.B. gegen die großen Mannschaften der Champions League) und sich offensiv zu einem wichtigen Faktor entwickeln kann, vermag wohl nur die Zeit zu zeigen. Auch zu Beginn der Rückrunde vertraut Pep Guardiola auf ihn. Schon alleine aus Mangel an Alternativen. Ein Vladimir Rankovic ist noch zu grün hinter den Ohren, um dauerhaft als Rechtsverteidiger zu spielen. Außerdem laboriert er derzeit an einer Oberschenkelverletzung. Zwar überzeugt er bereits mit 14 Vorlagen in 23 Spielen in der Regionalliga, allerdings gegen Gegner, die selten Druck auf eine Abwehr ausüben können. Des Weiteren ging Rankovic etwas die Luft zum Ende der Hinserie aus. Das Gleiche gilt wohl für einen Mitchell Weiser – bei dem es zumindest vorstellbar ist, dass er weiter nach hinten rückt. Allerdings müsste er für einen Rechtsverteidiger wohl noch deutlich an Kraft und Masse zulegen.
Dass Guardiola mit der Leistung von Rafinha nicht vollends zufrieden ist, zeigt sich auch immer wieder im Versuch die Dreierkette zu installieren. In der ersten Halbzeit gegen Salzburg saß Rafinha auf der Bank – er kam erst in der zweiten Halbzeit. Vielleicht weil es aktuell keine bessere Lösung gibt – jedenfalls bis 2017, denn bis dahin wurde sein Vertrag unlängst verlängert.