Nach großem Kampf: Bayern Frauen verpassen Finale
In einem packenden Halbfinale setzt sich am Ende der Chelsea FC mit 4:1 gegen die Bayern Frauen durch. Das Ergebnis klingt zunächst höher, als es der Spielverlauf aussagt. Lange Zeit hatten die Münchnerinnen einen großen Kampf geboten, sich aber nicht ausreichend belohnt. Sowohl in der Anfangsphase des Spiels als auch in der gesamten zweiten Halbzeit gab es genug Chancen, um das Finalticket zu buchen. Chelsea zeigte sich deutlich effizienter und machte mehr aus ihren Möglichkeiten.
Schon in der Anfangsphase wurde deutlich, dass die Blues etwas vorhaben würden. Scheuer stellte etwas überraschend wieder auf Viererkette um, während Chelsea deutlich zielstrebiger nach vorn spielte als noch im Hinspiel. Nach zehn Minuten brachte Kirby die Engländerinnen bereits in Führung. Bayern tat sich in der Folge schwer, ins Spiel zu finden. Umso wichtiger war dann der Ausgleich aus dem Nichts. Zadrazil nahm allen Mut zusammen und wuchtete das Leder anspruchsvoll und sehenswert aus der zweiten Reihe in den Winkel. Doch kurz vor der Pause gelang Chelsea wieder die Führung durch Ji.
Das Hinspielergebnis war damit egalisiert. Allerdings hatten die Bayern den Vorteil, dass jedes ihrer Tore aufgrund der Auswärtstorregel nun deutlich mehr Gewicht haben würde. Chelsea war die Angst vor Gegentoren insbesondere in der Schlussphase anzumerken. Bayern kam immer besser in die Partie und ließ dabei einige gute Angriffe liegen. Kurz vor dem Ende wurde es dann dramatisch: Erst bekommen die Bayern einen klaren Elfmeter nicht für sich gepfiffen (Dallmann wurde gefoult), kurz darauf bekommt Chelsea einen Freistoß auf der anderen Seite. Harder steht im Strafraum sträflich frei und macht das 3:1.
Die Entscheidung war das aber noch nicht. Den Bayern boten sich gleich mehrere Möglichkeiten, das zweite Tor zu erzielen und somit das Finale zu buchen. Aber sie ließen sie allesamt auf teils tragische Art und Weise liegen. Und so war es Kirby, die in der fünften Minute der Nachspielzeit allein auf das freie Bayern-Tor zulief und den Schlusspunkt setzte. Das gilt es aus Sicht der Bayern erstmal zu verdauen.
Dinge, die auffielen
1. Taktikwechsel ohne Not?
Oft genug wurde Jens Scheuer dafür kritisiert, dass er in großen Partien zu defensiv und passiv an die Sache heranging. Ausgerechnet heute hat er dann all seinen Mut zusammengenommen und das im Hinspiel erfolgreiche 5-3-2 gegen ein 4-5-1 (teils 4-4-2 oder gar 4-4-1-1) getauscht. Schon in der Anfangsphase zeigte sich, dass Chelsea diese Umstellung in die Karten spielte. Gerade auf dem rechten Flügel entlarvte sich Caro Simon als defensive Schwachstelle, weil ihr die Unterstützung fehlte, die sie im Hinspiel noch hatte. Bayerns Breitenverteidigung war schlechter, aber auch die Positionierung der Innenverteidigerinnen war naturgemäß anfälliger für Schnittstellenpässe.
Chelsea bekam so nicht nur viel Ballbesitz, sondern auch entschieden mehr Druck im Spiel nach vorn, während die Bayern insbesondere im ersten Durchgang viel hinterherliefen. Womöglich wäre es die bessere Entscheidung von Scheuer gewesen, hätte er zunächst auf die Grundordnung aus dem Hinspiel vertraut. Auch aus einem 5-3-2 ist es möglich, aktiv und mutig zu spielen, dafür wäre die Absicherung aber eine andere gewesen. Zumindest hat sich Scheuers Mut zur Viererkette nicht bezahlt gemacht. Auch weil seine Mannschaft es nur selten schaffte, den Ball selbst mal laufen zu lassen und sich so aus dem Druck der Gegnerinnen zu befreien.
2. Chancenverwertung
Was von Anfang an hingegen gut war: Die Bayern kamen zu Chancen. Am Ende hätte auch ein 3:4 aus Bayern-Sicht stehen können und die Kritik an Scheuers Ausrichtung wäre wohl eine andere. Dass letztendlich nur der wunderschöne Distanzschuss von Zadrazil auf dem Torekonto der Münchnerinnen steht, ist eigentlich absurd. Insofern hatte Scheuer einen Punkt auf seiner Seite: Für zwei bis drei Auswärtstore waren die Bayern trotz einer im Vergleich zum Hinspiel wackligen Defensive gut.
Allerdings ist es auch ein unter Scheuer schon länger bekanntes Problem, dass den Bayern im letzten Drittel die Kaltschnäuzigkeit fehlt. Der letzte Pass, das letzte Dribbling, der Abschluss – kurz vor dem Tor treffen die Spielerinnen plötzlich falsche Entscheidungen. Ein Grundproblem ist, dass sie es sich selbst zu kompliziert machen. Statt die einfachen Passwege zu sehen, sind die Angriffe regelmäßig zu verkopft. Beispielsweise wird über die Dritte gespielt statt eine offene Schnittstelle zu erkennen. Dadurch wird das Spiel immer wieder verschleppt und es fehlt an Zug zum Tor.
3. Erfahrung und Abgezocktheit sind der Unterschied
Chelsea war über 180 Minuten nicht zwingend besser als die Bayern. Aber sie waren abgezockter. Wenn man einen großen Unterschied im Grundniveau beider Teams feststellen konnte, dann war es die Entscheidungsfindung. Fußballspiele werden in vielen kleinen Momenten entschieden. Wer mehr dieser kleinen Momente auf die eigene Seite ziehen kann, hat einen großen Vorteil. Chelseas Spielerinnen sind verlässlicher, wenn es darum geht in Drucksituationen die richtige Entscheidung zu treffen. Sie sind aber auch geübter darin. Allein schon, weil sie Topspielerinnen in ihren Reihen haben, die solche Spiele schon mehrfach erlebt haben. Aber auch, weil sie im Alltag häufiger gefordert werden.
Die Bayern haben mit der Bundesliga aktuell ein Handicap, das muss man so klar sagen. Nur in den Duellen mit dem VfL Wolfsburg werden sie so richtig gefordert. In allen anderen Spielen kommt es meist darauf an, was sie selbst zulassen. Leider zeigte der DFB in den letzten Monaten und Jahren zu wenig Interesse daran, den Wettbewerb zu stärken. Spätestens nach diesem Erlebnis in der Champions League sollten sich der FC Bayern und auch andere Klubs noch intensiver dafür einsetzen, einen Weg ohne den DFB zu gehen. Der Verband hat genügend Chancen liegen lassen. Eigene Strukturen müssen her. Entweder selbstständig oder eben unter dem Dach der DFL. Fakt ist aber: So kann es nicht weitergehen. Die Bayern sind zwar vorrangig über sich selbst gestolpert, aber würden sie national regelmäßiger gefordert werden, hätten sie jetzt womöglich schon ein anderes Niveau. Gegen Chelsea mussten aber selbst so starke Fußballerinnen wie Sydney Lohmann oder Lina Magull regelmäßig Lehrgeld zahlen.
4. Chapeau, FC Bayern!
Dass die Bayern sich überhaupt so lange eine Tür zum Finale aufhalten konnten, verdient große Anerkennung. Ein derart ausgeglichenes Halbfinale gegen diese Topmannschaft hätte vor der Saison wohl jede:r beim FCB unterschrieben. Im Moment tut das Ausscheiden noch weh. Weil man nah dran war. Weil letztendlich auch mit der Fehlentscheidung der Schiedsrichter:innen kurz vor dem 1:3 gehadert wird, als die Bayern einen Elfmeter hätten kriegen müssen. Weil diese Leistung hätte belohnt werden müssen. Letztendlich hatten sie es selbst in der Hand und haben sich das Ausscheiden selbst zuzuschreiben.
Aber diese Erfahrung muss möglichst schnell in Energie umgewandelt werden. Die Frauen können stolz auf ihre Leistung sein und müssen die negative Erfahrung für zukünftige Topspiele in einen Lerneffekt verwandeln. Gerade junge Spielerinnen wie Lohmann haben die Chance, an solchen Spielen zu wachsen und so noch stärker zu werden. Dieses Ausscheiden ist kein Ende. Es ist im Idealfall der Anfang.