Spieler des Monats Februar: Robert Lewandowski
Das sagte Erling Haaland, zweifellos einer der talentiertesten Stürmer, die aktuell im Profifußball zu finden sind, im Februar über Robert Lewandowski. Er führte weiter aus: „Wenn ich ein Tor erziele, sage ich mir: ‚Okay, jetzt bin ich ihm ein Tor nähergekommen‘. Aber dann macht er einfach mal wieder einen Hattrick als wäre es etwas Alltägliches“. Kleine Randnotiz: Ein Hattrick gelang Lewandowski dann ausgerechnet im direkten Duell mit Borussia Dortmund – Haaland traf doppelt.
Lewandowski startete für seine Verhältnisse denkbar schlecht in den Monat Februar. Am 20. Spieltag hielt Rune Jarstein im Spiel der Bayern gegen Hertha als erst zweiter Torhüter (nach Manuel Neuer) einen Elfmeter von Lewandowski. Das Spiel gegen Hertha stellt eine absolute Seltenheit dar. Es ist eine von vier Partien in der laufenden Bundesliga-Saison, in der Lewandowski torlos blieb.
Bereits in der Folgewoche zeigte sich dann eine seiner größten Stärken: Er spielt und trifft mit einer atemberaubenden Stabilität, der auch einzelne Ausnahmen nichts anhaben können. Allein das gedanklich bereits verankerte Muster „Lewandowski torlos = ungewöhnlich“ verdeutlicht, wie konstant er Tore erzielt. Dabei sind torlose Partien für Stürmer keine Ausnahme, im Gegenteil. Werfen wir einen Blick auf die vier Bundesliga-Angreifer, die in der Saison 2020/21 nach Lewandowski am häufigsten trafen:
- Haaland: 19 Partien, 19 Tore, 5 Torvorlagen, 84 min / Tor, 9x torlos
- Silva: 22 Partien, 19 Tore, 5 Torvorlagen, 100 min / Tor, 8x torlos
- Weghorst: 24 Partien, 15 Tore, 4 Torvorlagen, 137 min / Tor, 11x torlos
- Kramaric: 19 Partien, 14 Tore, 4 Torvorlagen, 115 min / Tor, 10x torlos
Im Vergleich dazu Lewandowskis Leistungsdaten: 23 Partien, 31 Tore, 6 Torvorlagen, 63 min / Tor, 4x torlos. Bitte nochmal lesen.
23 Partien, 31 Tore, 6 Torvorlagen, 63 min / Tor, 4x torlos.
Diese Statistik liest sich sehr außergewöhnlich. Das eigentlich Außergewöhnliche daran ist jedoch, dass die Zahlen viele Betrachter*innen nahezu kalt lassen. Ein nüchternes „na und“ schwirrt wohl vielen Leser*innen durch den Kopf, liefert Lewandowski doch bereits seit Jahren ausnahmslos mehr als 20 Tore pro Saison für die Bayern ab. Es ist die siebte Saison in Folge, in der er mehr als 20 Tore beisteuert, die vierte der letzten sieben, in denen er die 30er-Marke knackt.
Nachdem der Angreifer zwischen August und Oktober dreimal zum Spieler des Monats gewählt wurde, ist es an der Zeit, seine herausragenden Leistungen abermals zu würdigen. Durch seine konstant hohe Trefferquote und die absolute Verlässlichkeit, die er in Bezug auf seine Einsätze und Tore mitbringt, hat er einen sehr hohen Anker für die Bewertung seiner Leistungen gesetzt.
Anker sorgen für eine systematische Verzerrung eines Urteils oder einer Entscheidung. Im Fall der Beurteilung von Lewandowskis sportlichen Leistungen bedeutet diese Anpassungsheuristik: Der Anker (die konstant hohe Trefferquote pro Spiel) ist der Ausgangspunkt für einen bewussten Gedankengang (welcher Spieler hat im betreffenden Zeitraum gute Leistungen erbracht) und eine Entscheidung oder ein Urteil. Da Lewandowskis Leistungen sich auf einem so konstant hohen Niveau bewegen (Dezember: 4 Spiele, 5 Tore; Januar: 6 Spiele, 7 Tore; Februar: 4 Spiele, 4 Tore), ist die Messlatte bereits so hoch, dass seine außergewöhnlichen Leistungen als die Norm betrachtet werden. Diese Tatsache mutet absurd an, weshalb wir mit der Wahl zum Spieler des Monats und diesem Artikel einen Beitrag zur Korrektur des Ankers leisten möchten – gerade weil Lewandowskis beachtliche Leistungen im Monat Februar (4 Tore in 4 Spielen) sich so normal anfühlen.
Wie treffsicher Lewandowski ist, zeigt auch ein Blick auf seine Expected-Goals-Werte. Diese entstehen auf den einzelnen Schuss bezogen schließlich im Vergleich mit tausenden vergleichbaren Situationen, in denen andere Spieler einen solchen Abschluss hatten.
Lewandowski kommt nach StatsBomb auf 21,5 Expected Goals. Bedeutet das verglichen mit seinen 31 Saisontoren, dass der 32-Jährige überperformt? Das wäre eine Interpretation. Die deutlich wahrscheinlichere Schlussfolgerung ist aber, dass er einfach erheblich mehr Qualität mitbringt als die Spieler, die für die Vergleichswerte sorgen. Lewandowski ist in der Form seines Lebens und da sind eben auch Abschlüsse mit einer von den Modellen geschätzten Torwahrscheinlichkeit von nur 10 % häufiger als einmal von zehn Versuchen drin – Fußball ist manchmal eben keine Mathematik.
Der Spieler hinter den Zahlen
Hinter den beachtlichen Zahlen steht ein Stürmer, der ein beeindruckendes Komplettpaket mitbringt. An erster Stelle sind Lewandowskis Abschlussqualitäten mit beiden Füßen sowie mit dem Kopf zu nennen. Er trifft aus allen möglichen und unmöglichen Lagen und ist deshalb schwer ausrechenbar für seine Gegenspieler. Grund dafür ist zudem, dass er verschiedene Rollen ausfüllen kann. Er funktioniert als reiner Strafraumstürmer, besitzt aber auch die Fähigkeiten, sich Bälle im Mittelfeld abzuholen und sich am Spielaufbau im letzten Drittel zu beteiligen.
Hinzu kommt die psychologische Komponente. Lewandowski strahlt einen Torhunger aus, der an Besessenheit grenzt. Er möchte am Spiel teilhaben und nicht nur auf den Ball warten, schafft aktiv Freiräume, um möglichst selbst den Ball zu erhalten, oder Mitspieler freizuspielen. Die Besonderheit ist, dass er inzwischen in der Lage ist, Siegeswillen und Torhunger auszustrahlen, dahingehend positiv auf seine Mitspieler zu wirken und sein Spiel gleichzeitig geduldig aufzuziehen. Er ist erfahren genug, den passenden Moment abzuwarten, um zuzuschlagen. Die Voraussetzung hierfür ist Konzentrationsfähigkeit. Lewandowski ist in der Lage, sein Aufmerksamkeitsniveau über einen langen Zeitraum aufrecht zu erhalten und/oder sich im richtigen Moment zu fokussieren.
Die einzige Frage, die in dieser Saison offen bleibt lautet: Wird Lewandowski den Rekord-Torschützen Gerd Müller vom Thron stoßen, dem es in der Saison 1971/72 gelang, 40 Tore zu erzielen? Im direkten Vergleich nach 24 Spieltagen steht er fünf Tore vor dem „Bomber“, der damals bei 26 Treffern stand. Um die Dimension abermals zu verdeutlichen: Aktuell trifft Lewandowski pro 90 Minuten in der Bundesliga 1,42-mal. Spielt er die restlichen zehn Partien durch und kann er seinen Schnitt halten, wären das am Ende der Saison 45 (!) Tore. Im Weg stehen könnten ihm die Belastungssteuerung oder gelbe Karten. In der letzten Saison verpasste der Angreifer im Endspurt eine Partie wegen einer Gelbsperre. Aktuell steht er bei drei gelben Karten. Das Rennen zwischen Gerd Müller und Robert Lewandowski bleibt in jedem Fall spannend. Unabhängig davon, ob der Rekord fällt, ist aber klar, dass dieser Stürmer zu den besten zählt, die der Rekordmeister je hatte. Oder wie Haaland bereits sagte: „Der Typ ist verrückt, er ist einfach verrückt.“