Zwei-Tore-Führung abgeschenkt: Bayern geht wieder mal in Gladbach baden
Falls Ihr es verpasst habt
Die Aufstellung
Hansi Flick änderte seine Aufstellung auf drei Positionen im Vergleich zur vorherigen Woche. Niklas Süle rückte für den gegen Mainz unglücklichen Boateng in die Mannschaft. Im Mittelfeldspiel konnte der Trainer zum ersten mal seit Monaten die Stammauswahl mit Leon Goretzka und Joshua Kimmich aufbieten. Da Serge Gnabry und Kingsley Coman weiterhin angeschlagen waren, durfte sich Douglas Costa beweisen. Bemerkenswert war die Auswahl der spielenden Franzosen. Der vollkommen formschwache Pavard durfte sich erneut von Anfang an beweisen, während der womöglich stärkste Verteidiger der verkürzen Hinrunde – Lucas Hernández – gleich zum zweiten Mal in Folge zuschauen musste. Alaba und Davies erhielten den Vorzug. Denkbar wäre gewesen, Davies nach vorne zu ziehen um Platz für den französischen Weltmeister zu finden.
Die Aufstellung der Taktik-Gurus Rose und Marić sorgte im Vorfeld für einiges Stirnrunzeln. Am Ende wurde es ganz ähnlich wie Mainz eine Woche zuvor, ein 4-4-2 mit Raute. Vor der Defensivreihe spielten gleich zwei Spieler, für die sich der FC Bayern angeblich interessiert. Zakaria begann im tiefen defensiven Mittelfeld, etwas offensiver spielte Florian Neuhaus. Jonas Hofmann und Welt- und Pokémon-Meister Christoph Kramer ergänzten das Mittelfeld. Vorne stürmte der flexible Lars Stindl um den Büffel Breel Embolo.
1. Halbzeit
Bayern war sich offenbar der ewig verschlafenen Starts leidig und begann hochkonzentriert mit systematischem Pressing, wie man es Monate nicht mehr gesehen hat. Man könnte meinen, das Ende der ewigen Rückstandsserie wäre somit logisch, doch Bayerns Führungstreffer kam ganz anders zustande. Florian Neuhaus schenkte den Bayern einen der absurdesten Elfmeter, die man so je in der Bundesliga gepfiffen hat. Ohne jede Not bewegte er knapp im Strafraum seine Hand tief und aktiv zum Ball. Fraglich war nur, ob er den Ball auch wirklich touchierte. Doch VAR und Schiedsrichter meinten die Berührung ausmachen zu können, somit war eine Elfmeterentscheidung alternativlos (19.). Lewandowski vollstreckte gewohnt kompromisslos zu seinem nunmehr schon 20. Saisontreffer. Bayern blieb am Gaspedal und baute gut fünf Minuten später die Führung weiter aus. Goretzka fing einen weiten Schlag aus der Innenverteidigung vor Neuhaus ab, stolzierte nach vorne und spielte mit Sané einen Doppelpass, um dann aus gut 18 Metern unhaltbar mit einem Gewaltschuss abzuschließen.
Lange gelang der Borussia offensiv wenig, doch praktisch aus dem Nichts kam Gladbach in der 36. Minute dann zurück. Pavard und Sané vertändelten im Spielaufbau den Ball, sodass Lars Stindl die letzte Verteidigungskette mit einem tödlichen Pass auseinanderreißen konnte. Jonas Hofmann ließ sich nicht zweimal bitten. Noch absurder wurde es kurz vor der Pause. Kimmich verlor den Ball auf Höhe der Mittellinie, wurde vom Schiedsrichter geblockt und schied so aus der Spielsituation aus. Wieder sah Stindl sofort den Raum hinter der weit aufgerückten Verteidigungskette und öffnete erneut für Hofmann, der abermals eiskalt im Abschluss blieb. Süle spielte auf Abseits, doch hauchzart kassierte der Videoassistent die Entscheidung des Linienrichters, Gladbach glich aus (45).
2. Halbzeit
So wie das Spiel in die Pause ging, so ging es auch weiter. Erneut vertändelte der FC Bayern im Aufbau den Ball, diesmal durch Süle. Erneut schaltete die Borussia sofort in den Überfallmodus. Erneut trafen sie. Neuhaus machte seinen Fehler vor dem Elfmeterpfiff wieder gut, indem er den Ball aus 20 Metern ins Kreuzeck schweißte.
Mit der Führung im Rücken verteidigte Gladbach nun mehr, Bayern bekam kaum offensive Ballgewinne zustande. In der 68. Minute reagierte Flick und brachte Coman für Costa. Weil es im Fußball noch keine klare Vorgehensweise gegen Kopfverletzungen gibt, spielte man ab diesem Zeitpunkt auch mit einem halben Mann mehr. Denn Matthias Ginter konnte nach einer klaren kurzzeitigen Benommenheit, unmöglich im Vollbesitz seiner Kräfte sein. Helfen tat dies nur nichts, abzüglich eines kurzen Aufbäumens mit Coman, fiel dem FC Bayern rein gar nichts mehr ein und so setzte es die zweite Niederlage innerhalb der letzten 365 Tage.
Am Mittwoch reist der FC Bayern in den hohen Norden zum Nachholspiel bei Holstein Kiel.
Dinge, die auffielen
1. Kurzzeitig im Pressing-Flow
25 Minuten lang schien die Story des Spiels zu sein, wie der FC Bayern sein Pressing wiedergefunden zu haben schien. Ausgeruht und mit dem Duo Kimmich und Goretzka, erinnerte es phasenweise an die letztjährige Rückrunde.
Gladbach spielte in einem extrem fluiden System, schaltete durch alle möglichen Mittelfeldkonstellationen mit Viererkette. Mal gab es ein 4-4-2 mit Raute, mal flach, mal 4-3-3. Hin und wieder gab es Probleme, doch oft hatten die Bayern auch exzellenten Zugriff. Das 2:0 ist da das Paradebeispiel. Vorne zwang man die Innenverteidiger zum langen Schlag, im Mittelfeld powert Goretzka einfach über den schmächtigen Neuhaus hinweg, schreitet über das Feld und trifft.
Mit den Gegentoren verflog sich die Griffigkeit des Pressings aber auch schnell wieder. Die Borussia wurde auch zunehmend risikofreudiger und spielte sich einfach frei. Zum Ende ließen sie sich so tief fallen, dass hohe Ballgewinne nicht mehr möglich waren.
2. Abspielfehler schenken die Führung wieder her
Wer nach der schnellen 2:0-Führung glaubte, Bayern wäre den Gegentorfluch los, sah sich getäuscht. Trotz allerbester Voraussetzungen, schenkte man dem Gegner alle drei Gegentore. Alle einte ein und dasselbe Element. Im Vorlauf der starken Abschlüsse, leistete sich je ein Aufbauspieler einen fatalen Fehlpass.
Vor dem ersten Gegentor bringt Pavard Sané mit einem unnötig gefährlichen Zuspiel in Bedrängnis, ähnliches gilt für das zweite Gegentor mit Davies und Kimmich. Vor dem dritten spielt Süle Hofmann einfach gleich direkt in die Füße. Zugegeben, Bayerns gewollt offensives Spiel zwingt einem zu Risiko im Aufbau, doch haben diese Probleme dann in diesem Maßstab dann auch nur wenig mit Spieltaktik oder systemischen Problemen zu tun. Die Entscheidungen im Aufbau und die Passschärfe müssen einfach besser werden, und in letzter Instanz muss der Ball dann eben auch mal planlos nach vorne gejagt werden.
3. Flick verweigert Wechsel
Es ist schon beachtlich, da liegt das eigene Offensivspiel nach gut 35 Minuten vollkommen brach, man erspielt sich praktisch keine einzige Chance, muss treffen und trotzdem wechselt der Trainer nicht. Nur Kingsley Coman brachte Flick in der zweiten Halbzeit, die vier anderen Optionen blieben ungenutzt. Obwohl die Optionen immerhin da waren. Musiala sorgte in dieser Saison schon wiederholt für Gefahr, Tolisso ist immerhin so etwas wie ein erweiterter Stammspieler und Choupo-Moting dezidiert ein Offensivallrounder.
Obwohl die Bank mittlerweile nicht mehr mit Verlegenheitslösungen und Jugendspielern aufgefüllt wird, vertraute Hansi Flick ihr nicht, das Spiel zu gewinnen. Das wirft noch einmal ein verstärktes Scheinwerferlicht auf die Transferperiode im Sommer. Viele Spieler kamen auf den letzten Drücker, doch steht es Spitz auf Knopf, fehlt Flick das Vertrauen.
Costa hat sich an diesem Abend ebenfalls nicht für weitere Startelfeinsätze profiliert. Sarr sollte immerhin eine offensivere Alternative zu Pavard darstellen, doch obwohl Pavard schwächelt, man Toren hinterherjagt und selbst nur planlos Flanken schlägt, vertraut Flick ihm nicht.
So muss man eben damit leben, dass das Spiel seicht vor sich hin dümpelnd, ohne einer finalen Aufholjagd zu Ende geht.