Vorschau: Olympique Lyon – FC Bayern Frauen
Der FC Bayern stellt an sich selbst stets die höchstmöglichen Ansprüche. Bei den Männern ist deshalb das Triple Jahr für Jahr das Ziel. Für die FC Bayern Frauen hingegen ist das etwas anders. Sie stehen erst am Anfang einer Entwicklung. National gibt es mit dem VfL Wolfsburg einen Klub, der so dominant ist, dass an Titel zuletzt kaum zu denken war. International ist Olympique Lyon selbst den Wolfsburgerinnen nochmal überlegen.
Deshalb wäre es vermessen, den Anspruch zu formulieren, dass die Bayern Frauen gegen Lyon ins Halbfinale einziehen. Und doch machen die letzten Wochen und Monate Mut, dass zumindest eine kleine Chance besteht.
Es wäre zweifelsohne eine Überraschung, aber die Bayern sind nach der Coronapause voller Selbstbewusstsein. Gegen Hoffenheim und Turbine Potsdam gewann man in der Liga nicht nur deutlich, sondern spielerisch auch sehr überzeugend. Selbst das 0:0 gegen die Wolfsburgerinnen ist als kleiner Fortschritt zu werten.
Olympique Lyon: Variables Pressing
Wer Lyon schlagen will, braucht Mut. Die Französinnen spielen aus ihrer 4-2-3-1-Grundformation heraus ein sehr aggressives und hohes Pressing. Dabei unterstützt die offensive Mittelfeldspielerin meist die Stürmerin, wodurch eine 4-4-2-Ausrichtung entsteht. Bayerns Innenverteidigerinnen müssen gegen das Anlaufen der beiden vordersten Spielerinnen gewappnet sein. Lyon will, dass die gegnerische Mannschaft möglichst lange und unkontrollierte Bälle nach vorn oder Pässe direkt in die Füße der eigenen Spielerinnen spielt. Im Schnitt halten sie ihre Gegnerinnen bei nur ungefähr 5 Pässen, bis eine Defensivaktion erfolgt. Ein absoluter Top-Wert.
Insbesondere die Doppelsechs ist von entscheidender Bedeutung für Lyon – sowohl mit als auch ohne Ball. Im Anlaufverhalten sind sie dafür verantwortlich, das Pressing zu coachen und als Bindeglied das Mittelfeldzentrum kompakt zu halten. Das gilt besonders dann, wenn die Außenverteidigerinnen hoch anlaufen. Dann entwickelt sich bei den Französinnen manchmal eine Art 3-4-1-2, um den gegnerischen Spielaufbau besonders aggressiv und teils frauorientiert zu stören.
In der Grafik wird aber auch deutlich, dass durch das Verschieben der anderen drei Verteidigerinnen in solchen Situationen Räume auf der ballfernen Seite entstehen können. Die Bayern Frauen hätten hier also theoretisch eine Angriffsfläche, wenn sie es schaffen, durch kluge Verlagerungen schnell in diesen Bereich zu kommen. Praktisch ist Lyon eine sehr abgezockte und clevere Mannschaft, die solche Lücken in beeindruckendem Tempo wieder zuschieben kann.
Ist die Ballsicherheit der Französinnen zu stoppen?
Lyon wäre aber nicht so erfolgreich, würden sie sich ausschließlich über ihr gut organisiertes Pressing definieren. In Ballbesitz sind sie extrem ballsicher und verfügen über ein sehr gutes Positionsspiel. Auch hier spielen die zentralen Mittelfeldspielerinnen eine wichtige Rolle. Die Doppelsechs ist quasi verantwortlich für die Balance im Spiel nach vorn. Gerade weil die Außenverteidigerinnen stets sehr hoch agieren, damit die offensiven Flügelspielerinnen Unterstützung erhalten und gegebenenfalls auch mal nach innen ziehen können, braucht es durch das Mittelfeldzentrum Absicherung.
Und selbst wenn die Abstimmung mal nicht so gut ist, haben sie immer noch die individuelle Klasse von Spielerinnen wie der kürzlich genesenen Ada Hegerberg, Dzsenifer Marozsán und einigen anderen. Der Kader ist gespickt mit hochtalentierten Fußballerinnen, die von einer zur anderen Sekunde den Unterschied machen können. Das ist bei den Bayern Frauen zwar auch gegeben – allein Giulia Gwinn lief mit ihren 4 Treffern in 3 Vorbereitungsspielen zu guter Form auf – aber Lyon ist schlicht nochmal eine andere Hausnummer.
All das zusammen ergibt eine Mischung, die den FC Bayern Frauen nicht viel Hoffnung auf ein Weiterkommen macht. Doch die Bayern haben in dieser Saison punktuell gezeigt, dass sie ebenfalls sehr spielstark agieren können.
Packen die FC Bayern Frauen ihre Mini-Chance?
Lyons Pressing ist zwar sehr gut, aber nicht unverwundbar. Trauen sich die Münchnerinnen zu, auch mal ins Risiko zu gehen und erwischen sie dabei einen guten Tag, haben sie vielleicht eine kleine Chance. Gegen den Ball wird es nicht ausreichen, nur kompakt zu verteidigen. Gerade bei Ballgewinnen wird es auf die richtige Balance aus schnellen Umschaltmomenten und Phasen der Entlastung ankommen.
Es wird darum gehen, unter höchstmöglichem Druck die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dafür brauchen die Bayern ein bisschen Glück, eine eigene Leistung am Limit und vielleicht die eine oder andere Einladung von Lyon.
Letztendlich wird diese Partie aber in jedem Fall eine wichtige Standortbestimmung sein. Die Bayern Frauen wollen langfristig dorthin, wo die Wolfsburgerinnen und Lyon längst sind. Um das zu erreichen, braucht es nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch Erfahrungswerte auf dem allerhöchsten Niveau.
Lyon ist aktuell die einsame Spitze des Frauenfußballs. Deshalb wird das Ergebnis eine weniger große Rolle spielen als die Art und Weise, mit der sich die Bayern Frauen gegen sie präsentieren. Aber wer weiß? Vielleicht können sie für eine große Überraschung sorgen und über sich hinauswachsen. Immerhin ist es immer noch der FC Bayern. Und auch wenn sie im Frauenfußball einen ordentlichen Rückstand auf die Weltspitze haben, ist das Anspruchsdenken im Klub unverändert groß. Zumal die Wahrscheinlichkeit auf ein Weiterkommen in nur einer Partie größer ist als in zwei.
Das Spiel wird am heutigen Samstag ab 20 Uhr auf Sport1 übertragen.