6:1! Fener-au-backe?
Nach der US-Tour, aber noch vor dem Pflichtspielauftakt im DFL-Supercup am Samstag, lud der Rekordmeister zum internationalen Stelldichein. Zur sechsten Auflage des Audi-Cup folgten Real Madrid, die Tottenham Hotspurs und Fenerbahçe SK dem Ruf der Bayern. Im Auftaktspiel am Dienstagabend gewann Tottenham mit 1:0 gegen Real.
Falls ihr es verpasst habt
Ins anschließende Spiel der Münchner gegen den 19-maligen türkischen Meister schickte Kovač elf Spieler auf den Platz, die in der Vorbereitung zu überzeugen wussten. So verteidigte der wieder erstarkte Boateng neben Süle, Alaba und Kimmich in der Viererkette vor Neuer.
Im Mittelfeld blieb der Kroate ebenfalls beim in den USA erprobten 4-3-3 mit Thiago als Sechser und Goretzka sowie Sanches als hohe Achter. Gnabry, Coman und Lewandowski durften im Sturm beginnen. Damit dürfen sowohl Tolisso als auch Müller als erste kleine Verlierer der Vorbereitung gesehen werden.
Die Gäste aus Istanbul starteten im 4-1-4-1, wobei mit Ex-Nationalspieler Max Kruse und dem ehemaligen Münchner Mehmet Ekici zwei wohlbekannte Gesichter in der Startaufstellung standen.
Die ersten Aktionen der Hausherren wurden durch deutlich hörbare Pfiffe der zahlreich erschienenen Fenerbahçe-Fans begleitet. Die Münchner starteten mit mehr auffälligen Szenen. Allerdings fehlte es bei kurzen Pässen immer wieder an Genauigkeit und Abstimmung, weshalb Istanbul immer wieder Nadelstiche setzen konnte.
Nach zwanzig Minuten musste Kovač erstmals wechseln. Für Gnabry kam Müller ins Spiel. Der Nationalspieler wurde vom ärztlichen Betreuerstab in die Kabine begleitet.
Wenige Sekunden später konnte Sanches für die Münchner zur Führung einschieben. Thiago teilte mit einem Pass die türkische Hintermannschaft, sodass Lewandowski hinter der Viererkette frei auftauchte. Der Pole bediente im Anschluss den besser positionierten Sanches mustergültig, der nur noch einschieben musste (22.).
In der 28. Minute erhöhte der andere Achter, Leon Goretzka, auf 2:0. Coman gewann auf der linken Seite ein Dribbling gegen zwei Verteidiger. Anstatt einer schnellen Flanke, überraschte Coman mit einem überlegten Pass in den Hinterraum. Dort war Goretzka eingelaufen und der deutsche Nationalspieler verwandelte souverän.
Nun gelang den Münchnern nahezu alles, während Fenerbahçe zerfiel. Schlitzohr Müller nahm dem frisch eingewechselten Dirar den Ball kurz vorm Fünfmeterraum ab und musste nur noch einschieben. 3:0. Die Gäste aus Istanbul waren klar überfordert mit dem Tempo der Münchner.
Die Münchner kontrollierten in der Folge die Partie und profitieren erneut von einem Fehler der Blau-Gelben. Ein Pass von Alaba wurde abgefälscht, sodass Coman frei vor Harun auftauchte und sich die Ecke aussuchen konnte. Das 4:0 in der 40. Minute.
Nachdem Fenerbahçe den ersten guten Abschluss hatte, pfiff Brych auf der Gegenseite Elfmeter. Lewandowski war von hinten zu Fall gebracht worden, nachdem Kimmich sehenswert im Sitzen den Ball erobert und weitergeleitet hatte. Den fälligen Strafstoß verwandelte Müller zum 5:0 (43.).
Mit diesem Ergebnis wurden die Seiten gewechselt. Die zweite Halbzeit begann mit Sven Ulreich im Tor. Ansonsten nahm Kovač keine Wechsel vor. Etwas überraschend angesichts des morgigen Finals.
Die Münchner hatten nun sichtbar ein paar Gänge zurückgeschalten und drückten nicht mehr mit letzter Konsequenz auf das 6:0. Immer wieder schlichen sich auch in der Defensive Unkonzentriertheiten ein.
Mit Müller wurde es dann erneut kurios. Durch einen langen Pass von Süle, stand der Ur-Bayer etwa vierzig Meter frei vor dem Tor. Da Harun ihm entgegen gekommen war, um den langen Ball abzufangen, schloss Müller direkt ab und traf zum 6:0 (59.).
Nach dem Tor wechselte Kovač nun fleißig durch. Davies, Singh, Tolisso, Martínez und Pavard bekamen ihren Einsatz. Für das Quintett verließen der auffällige Sanches sowie Süle, Alaba, Coman und Boateng den Platz. Davies rückte erneut auf die Position des Linksverteidigers.
Doch auch im vierten Testspiel kamen die Münchner nicht ohne horrenden Fehlpass aus. Dieses Mal spielte Goretzka Kruse den Ball in den Lauf. Der Hobby-Pokerstar zeigte seine durchaus vorhandenen Qualitäten, kochte wie am grünen Tisch seine Kontrahenten ab und netzte zum 1:6 ein (64.).
Als das Spiel in der Folge – abgesehen von einer kuriosen Szene in der, der von den eigenen Fans ausgepfiffene Dirar den Platz verlassen wollte – weiter verflachte, wechselte Kovač mit Arp und Zaiser noch seine letzten beiden Bankspieler ein.
Bis zum Abpfiff gab es kaum noch konsequent zu Ende gespielte Aktionen. Ein klassisches Spiel der Kategorie “wollen nicht gegen können nicht”. Schiedsrichter Brych hatte Einsicht und pfiff überpünktlich ab.
Im Finale geht es morgen gegen die Tottenham Hotspurs. Die zweite Partie wird für die Münchner im Vergleich zu heute zum echten Gradmesser werden. Erst dann wird man die heutige Leistung richtig einordnen können.
Dinge, die auffielen
1. Aus hohem Pressing ins offene Messer
In der Anfangsviertelstunde zeigten sich die Münchner nach eigenen Ballverlusten sehr aggressiv. Gerade im gegnerischen Drittel rückten die Bayern dann sehr hoch nach. Teilweise ging der Rekordmeister in diesen Situationen mit sechs, sieben Spielern im Gegenpressing. Dadurch ergaben sich gleich einige Ballgewinne, die sofort zu gefährlichen Aktionen führten.
Diese intensiven Phasen sind wohl so etwas wie die ideale Vorstellung von Kovač. Alle offensiven Spieler schalten blitzartig um und arbeiten koordiniert gegen den Ball. Durch die nachrückenden Mittelfeldspieler verdichtet man den freien Raum noch weiter. Folgt nun der Ballgewinn, steht man mit geballter Offensive in der gefährlichsten Zone des Spielfelds.
Allerdings zeigte sich auch die Gefahr, die dieses hohe Pressing birgt. Schafft es der Gegner die Pressingwelle zu überspielen, so stehen ihm nur noch wenige Verteidiger im Weg. In den ersten zehn Minuten gelang dies Istanbul zweimal. Während die Aktionen am Dienstagabend in einem Schuss von Kruse ans Außennetz gipfelten, könnte dies gegen stärkere Gegner durchaus zum Problem werden.
2. 8-Ball auf dem Fußballplatz
Zur neuen Saison ist Kovač endgültig zu seinem favorisierten 4-3-3 zurückgekehrt, das zeigen die bisherigen Vorbereitungsspiele eindeutig. Im Vergleich zum 4-2-3-1-System, das der Kroate nach dem turbulenten Herbst wieder einführte, spielen die Münchner hier mit zwei Achtern. Diese müssen sowohl die Defensive des fehlenden zweiten Sechsers als auch die Offensive des nicht vorhandenen Zehners kompensieren.
In der Anfangszeit unter Kovač waren die Achter oft zu hoch positioniert, was in der Folge einen Spielaufbau erschwerte. Nun hat der Kroate zusammen mit seinem Trainerstab in der Vorbereitung einige Anpassungen an der Rolle vorgenommen, die jetzt Früchte tragen.
Im Spielaufbau fällt immer wieder einer der Achter zurück, um neben Thiago als zusätzliche Anspielstation zu fungieren. Dies erlaubt es den Außenverteidigern weiterhin hoch aufzurücken. Letzteres ist typisch für das System des Kroaten.
Die Stärken des 4-3-3 mit zwei Achtern zeigen sich bei der Besetzung des Strafraums. Sowohl Sanches als auch Goretzka verstehen es sehr gut nachzurücken und fungieren im Sechzehner als weitere Anspielstation. Gerade Istanbul war hier oft mit der Zuteilung überfordert. Auch Tolisso ist ein Spieler, der über ähnlich gute Laufwege verfügt.
3. Rechtsaußen Thomas Müller?
Durch den Ausfall von Gnabry – an dieser Stelle gute Besserung an den Chefkoch der Nationalmannschaft – bekam Müller seine Chance als Rechtsaußen. Die Rolle, die er im Nationalteam immer wieder begleiten musste. Im 4-3-3 von Kovač fremdelte Müller in der Vergangenheit häufig mit der Achter-Rolle. Zu sehr unterschied sich das Anforderungsprofil der Position von den Qualitäten des Raumdeuters.
Doch nun durfte Müller seine Fähigkeiten auf dem Flügel zeigen. Auf den ersten Blick ist ihm das mit drei Toren auch gelungen. Doch eine genauere Analyse zeigt, dass diese nur bedingt aussagekräftig sind. Keines seiner drei Tore erzielte er wirklich in seiner Rolle als Rechtsaußen. Vielmehr waren es einmal mehr typische Müller-Tore, mit denen er seine Schlitzohrigkeit ausspielen konnte.
Als rechter Flügelstürmer zeigte sich bei Müller jedoch wie in der Vergangenheit, dass er diese Rolle stark anders interpretiert als beispielsweise Gnabry. Anstatt von Dribblings und Tempo setzt der 29-Jährige auf Laufwege und überraschende Momente. Was gegen einen verunsicherten Gegner wie Istanbul funktionierte, kann gegen kompaktere Gegner den Münchnern die Sicherheit in den Offensivaktionen nehmen.
Es wird spannend zu sehen sein, ob und wie Kovač Müller in sein Spielsystem integrieren kann. Zumindest seinen Torriecher scheint er wieder gefunden zu haben.