Südkurve: Ins Abseits formuliert
Am Sonntagmittag erreichte mich das Südkurvenbladdl via E-Mail. Ein regelmäßig (im Wochenrhythmus) erscheinendes Onlinemagazin, welches von der Schickeria München verschickt wird. In vielen Situationen habe ich über die letzten Monate hinweg die Kommunikation zwischen Fanklubs, Vereinsführung und besonders dem Rest der Fans, die zu den unregelmäßigen Stadiongängern aber FC Bayern Anhängern gehören, bemängelt. Mit einer von Vorwürfen und Anschuldigung betriebenen Strategie wird man die Wogen im Klub nicht glätten und liefert gleichzeitig Futter für den Boulevard. Manchmal habe ich das Gefühl, dass zwei Gruppen, welche sowieso schon einen schwierigen Stand zueinander haben, gemeinsam in einem Haus leben müssen. In dessen Keller liegt allerhand explosives Material und ohne mit der Wimper zu zucken, spielt man vor der Tür parolenschwingend mit einem brennenden Feuerzeug.
Hinweis: Leider ist suedkurvenbladdl.org nicht mit Artikeln der aktuellen Ausgabe aktualisiert. Deswegen habe ich die E-Mail – aus Gründen der Transparenz – als PDF exportiert und hier hochgeladen. Im unveränderten Originaltext wurden einige Stellen farbig markiert. Sie werden im folgenden Beitrag zitiert.
Heute Vormittag habe ich zwei Bekannten das Südkurvenbladdl gezeigt. Sie sind keine aktiven Fußballfans, interessieren sich gelegentlich mal mehr und mal weniger für den Sport, aber bekamen aus dem Freundeskreis viele Diskussionen über die Probleme der deutschen Fankultur sowohl beim FC Bayern als auch in anderen Vereinen mit. Sie gehören der Gruppe von Personen an, die 1-2 Mal im Jahr ins Stadion geht und das ganze eher passiv, aber mit eigener Meinung zu diversen Aktivitäten im Stadion, verfolgt. Einer Meinung die aus Gesprächen, Zeitungsartikelnund Veröffentlichungen wie die der Schickeria entsteht. Sie teilten meine Meinung, dass sich die Gruppe (stellvertretend für die Südkurve) mit Formulierungen selbst ins Abseits stellt bzw. mit dieser Kommunikation Vorurteile bestätigt, ein trauriges Bild für Externe aufzeigt und den Medien Munition für die geladenen Kanonen gibt. Die Formulierungen sind in einigen Absätzen nicht tragbar und zeigen viele Dinge die falsch laufen. Wobei in einigen Stellen wichtige Teile der Fankultur angedeutet werden.
Im Bericht über den Sieg gegen Borussia Dortmund in Wembley weist man ungeschönt auf Probleme hin und distanziert sich von – anscheinend einigen wenigen – Personen die mit Wurfgeschossen auf die Schwarzgelben reagierten. Im späteren Verlauf gibt es einen Bericht zum Vortrag mit anschließender Diskussion zur ägyptischen Revolution im Kafe Marat. Das inzwischen 8. Antirassistische Einladungsturnier um den Kurt-Landauer-Pokal wahrt nicht nur Werte des Vereins und erinnert an sie, nein, bei diesem Event wird neben dem Fußballspielen ein breites Vortragsprogramm angeboten. Eine kurze Recherche bei den (Münchner) Zeitungen ergab, dass keine Artikel über diesen wichtigen Bestandteil der Münchner Fankultur erschienen sind. Kritik an den Fans bringt anscheinend Auflage oder Klicks, aber viele Personen erfahren nicht was sonst noch passiert. Hier bleibt das Problem: Möchte die Presse nicht über das Event schreiben oder wird sie nicht über die Veranstaltung informiert? Bei Letzterem stellt sich die nächste Frage: Wieso sollte man solches Potential nicht nutzen?
Zwei Richtungen in einem Text – Pro und Kontra Gewalt
Leider müssen wir auch zugeben, dass in der Hinsicht auf Waffen und Wurfgeschosse auch auf unserer Seite Dinge passiert sind, die absolut nicht gehen. Waffen und Wurfgeschosse wie Steine haben für uns in einer Auseinandersetzung nichts verloren.
Solche Stellen finde ich großartig, weil sie ein Zeichen sind, dass Probleme erkannt und nun im nächsten Schritt hoffentlich angegangen werden. Vereine und Verbände haben in den letzten Monaten und Jahren ein Image der Gewalt in den Köpfen vieler Menschen herangezogen. Aktionen wie »Ich fühl’ mich sicher!« stehen dem entgegen. In jeder Gruppe von Menschen, egal ob aktive Fans, Gelgenheitsstadionbesucher oder gar der Polizei, wird es schwarze Schafe und Chaoten geben, aber diese radikalen Kräfte dürfen nicht das Bild aller Anderen prägen, sondern müssen von ihr selbst aussortiert werden.
Die Rückmeldungen, die ich auf die folgenden Absätze erhielt, waren: »Was für Chaoten habt ihr denn in München?« und »Wieso machen die beim Champions League Sieg noch Stress? Die müssen doch am Ziel ihrer Träume sein!«. Grund dafür waren folgende Stellen im Bericht:
Ein paar Provokationen hier, ein wenig Rennerei da. Nix bewegendes, aber trotzdem schön, wenn man sieht, dass so ein Finale eben kein Happy Hippo Karneval ist, bei dem jeder stets nach der Pfeife der Ordnungskräfte tanzt […] Immerhin hielt sich die sonstige Stresserei wegen belegten Sitzplätzen dieses Jahr in Grenzen. Es nervt schon bei einem Vorrundenspiel Leuten erklären zu müssen, dass man seit Jahren freie Platzwahl praktiziert und für sie heute keine Ausnahme machen wird […] In Calais nochmal Aufregung. Dortmund ist da. Alle wieder raus aus den Bussen und nochmal ein paar Schritte vorwärts gemacht. Die Bullen schieben sich zwischen uns und die Dortmundern Busse, die noch ein gutes Stück weiter fahren. Die Motivation nochmal ordentlich nachzusetzen hält sich in Grenzen.
Während man die Problematik mit den britischen Ordnern vielleicht noch akzeptieren kann, denn man hörte ja keine Beschwerden aus dieser Richtung, erzeugt man bei den Plätzen einfach Unverständnis. Woher sollen die Besucher im Wembley denn wissen, dass gleich 400 Personen kommen und diesen Block für sich beanspruchen werden? Sie haben das dann wohl zu akzeptieren. Punkt und keine Widerrede. Warum? Wünscht man sich Duckmäuser als Fans, die sich alles gefallen lassen? Das Argument »Ach, war schon immer so« lasse ich hier nicht gelten, denn mit einem kleinen Zitat aus dem Südkurvenbladdl können andere Personen die Thesen der Vereinsführung unterstützen. Eine Order nach dem Motto: »Die Kurve kontrolliert die Kurve und bestimmt was in ihr passiert« ist keine Grundlage und führt aus der Distanz zu Unverständnis. Wieso erklärt man sich nicht vernünftig? Ich habe mehrmals selbst das pöbelnde zur Seite schieben mitbekommen, wenn sich z.B. Ultras an ihre Stammplätze bewegen. Das war zwar nicht in München, aber der Text bestätigt ein ähnliches Verhalten.
Der letzte Punkt ist für mich mit dem größten Kopfschütteln im gesamten Südkurvenbladdl verbunden. Während man sich zu Beginn noch gegen Gewalt, Wurfgeschosse und Waffen positioniert, also eine friedliche Gangart einschlägt, betrauert man kurze Zeit später, dass man den Dortmundern nicht noch ordentlich was mitgeben konnte. Leute, ganz ehrlich, wozu? Was bringen Aktionen wie das bereits angesprochene »Ich fühl’ mich sicher!«, wenn ihr selbst von Gewalt schreibt? Und dem Spaß der damit anscheinend verbunden ist. Was Andere mühsam und in vielen Gesprächen aufbauen, wird hier mit dem Arsch eingerissen. Es wäre hilfreich, wenn alle Seiten Deeskalation betreiben, aber einige Personen aus der Südkurve wollen das offensichtlich nicht. Sie gehen den gleichen Weg wie die Vereinsführung reden lieber über statt miteinander.
Im Bericht zum Finale im DFB-Pokal findet sich ein ähnlicher Absatz. Auch dort setzte man sich über die herrschenden Regeln hinweg und berichtet freudig davon. Das damit in der Öffentlichkeit erzeugte Bild dürfte wiederum klar sein.
Auf der Gegenseite hatten sich die Stuttgarter ebenfalls mit dem Ordnungsdienst herumzuschlagen. Sah aus unserer Perspektive sehr respektabel aus, wie sich immer wieder 50er Gruppen den Weg in die Kurve bahnten. Definitiv eine gute Aktion der Schwaben, die sich so wohl einiges an Blockschmuggelei und weitere Materialkontrollen ersparten.
Was nimmt der Leser mit: Ärger mit dem Ordnungsdienst. Blockschmuggel und Materialkontrollen. Also unerlaubte Gegenstände im Fanblock.
Bessere Kommunikation durch mehr Transparenz
Die Kommunikation zwischen Fans und Vereinsführung sollte das A und O sein. Mit solchen Texten wird man aber nicht an einen gemeinsamen Tisch zurückkehren. Gleichzeitig führen solche Absätze zu Kopfschütteln und Unverständnis bei der breiten Masse, welche auf der Suche nach Informationen aus der Südkurve zwangsläufig über diverse Blogs oder das Südkurvenbladdl stolpert. Viele von ihnen verstehen die Probleme der »aktiven Fanszene« ohnehin wenig bis überhaupt nicht, aber ihnen wird auch keine Chance dazu gelassen. Was im stillen Kämmerchen besprochen wird sieht man höchstens auf Bannern im Stadion oder leeren Tribünen. Sie lesen dann von Rangeleien mit Ordnern, hören vielleicht noch deren Darstellung, aber eine Erklärung der beteiligen Fans gibt es nicht (oder selten). Der Club Nr. 12 versuchte mit Stellungnahmen zu den Ereignissen der nahen Vergangenheit Position zu beziehen. Als Beispiel sei hier der Artikel mit Lösungsvorschlägen zum Blockzugang 112/13 zu nennen. Als gemeinsame Organisation können sie diese Arbeit nicht alleine stemmen, aber sollten als DIE Stimme auftreten. Darüber hinaus hat jeder Fanclub über eigene Webseiten oder Facebook die Möglichkeit seine Meinung nicht nur gegenüber der Vereinsführung zu vertreten, sondern auch für Transparenz zu sorgen. Allerdings läuft die Meinungsbildung nach außen völlig intransparent ab. Undurchsichtige Vereinbarungen (wie die Ungewissheit bis zur Stellungnahme zum fehlenden Support in der Champions League), Gespräche und Ereignisse müssen endlich mehr interessierten Mitgliedern verfügbar gemacht werden. Der Verein erzielt mit einer Mitteilung an die Presse große Wirkung und Reichweite. Den wichtigen Belangen der aktiven Fans ist diese bisher verwehrt. Aufgrund mangelnder Informationen und ihrer Verteilung fehlt es an Reichweite. Solange die Fans des FC Bayern nicht mit einer Stimme auftreten können, wird keine ausreichende Wirkung erzielt werden. Kompromissfähigkeit muss bei der Kommunikation zwischen den Gruppen beginnen. Es hat den Anschein als möchte man daran nichts ändern. Dabei wäre das dringend notwendig, um viele Anhänger des FC Bayern für die Belange der aktiven Fans zu begeistern und Unterstützer zu gewinnen.
Bayernblogger, tut Euch zusammen
Bei aller Kritik an Formulierungen im Südkurvenbladdl könnten die Autoren dieses Format hervorragend zur Bekanntgabe ihrer Aktionen nutzen. Der Absatz zum Kurt Landauer Turnier ist wunderbar und zeigt, mit welchen Themen sich die aktiven Fans neben dem Fußball beschäftigen. Sie haben sehr wohl einen Auftrag, der über Stimmung in der Kurve oder die Erinnerung an Werte & Traditionen im Verein hinausgeht. Sie zeigen Interesse an und engagieren sich mit sozialen Initiativen. Diese Tätigkeiten bleiben der großen Masse verborgen, weil Schreckensmeldungen, reißerische Artikel im Boulevard und stellenweise auch das eigene Auftreten eine negative Hülle um die Vielzahl an Aktivitäten der Südkurve bilden. Sie muss wahrscheinlich die Masse an Fans nicht einmal für sich gewinnen, denn viele Aktionen zeigen ein positives Bild, aber sie muss anfangen an ihrer Außendarstellung zu arbeiten und für Transparenz zu sorgen. Vielleicht sollten auch wir Bayernblogger aktiv werden, aber ohne Informationen sind wir leider meistens genauso machtlos wie viele Andere und letztendlich auf die Presse angewiesen.
Wer sich versteckt, wird nie verstanden werden.
Update vom 08. August 2013 Vielen Dank für die Kommentare hier im Blog, auf Facebook und Twitter oder für das Teilen des Artikels. Gestern hat die Südkurve bzw. Schickeria München zwei sehr lesenswerte Artikel veröffentlicht. Im ersten wird das Thema Support in der Südkurve aufgegriffen, wohingegen im zweiten Text eine Erläuterung über sie selbst, ihre Ziele und Vorstellungen zu lesen ist. Für den 24. August gegen 18 Uhr (nach dem Spiel gegen Nürnberg) wird zur Diskussion eingeladen. Weitere Informationen folgen und es wird um Anmeldung per Mail gebeten.
- suedkurve-muenchen.org: Quo vadis – Wie geht es weiter, Südkurve?
- schickeria-muenchen.org: Offener Brief an die Fanclubs