Minzfrischer Auftritt in Hannover
Falls ihr es verpasst habt:
Nach dem turbulenten Spiel in Amsterdam unter der Woche rotierte Kovač, wie auf der Pressekonferenz angekündigt, leicht durch. Für Ribéry, Rafinha und Boateng rückten Thiago, Coman und Hummels in den Kader. Für Thiago und Coman der erste Startelfeinsatz seit ihrer Genesung, während Hummels erstmals seit Dortmund Teil der ersten Elf war. Durch die Hereinnahme von Thiago rückte Kimmich wieder auf seine Stammposition hinten rechts.
Beim Tabellenvorletzten musste Breitenreiter Sorg ersetzen, der beim 1:1 in Mainz mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen wurde. Der Rechtsverteidiger wurde durch Felipe ersetzt. Ansonsten schickte der frühere Schalke-Trainer die gleiche Mannschaft auf den Platz.
Die Mannschaften waren kaum auf dem Feld, als Bayern bereits mit 1:0 in Führung ging. 58 Sekunden waren erst gespielt. Bei einem Einwurf von Alaba auf links schaltete Müller wie so oft am schnellsten und legte den Ball über den Kopf in die Mitte. Der Ball wurde kurz geklärt, doch Kimmich kam aus dem Hintergrund zum Abschluss. Sein abgefälschter Schuss konnte vom Hannoveraner Schlussmann nicht geklärt werden.
Anders als vielleicht zu erwarten gewesen wäre, konnte Bayern jedoch in der Folge nicht die Kontrolle über das Spiel an sich nehmen. Gerade im eigenen Aufbaudrittel liefen die Hannoveraner den Rekordmeister sehr hoch an und stellten Anspielstationen der Roten zu. Wenn die Münchner diese erste hohe Pressinglinie überspielten, stellten sich die Norddeutschen sehr kompakt in der Verteidigung auf. Nach zehn Minuten konnte Lewandowski nach Flanke von Coman den zweiten Abschluss verbuchen.
In der Folge schafften es die Münchner immer wieder die 96er auszukombinieren, trotz der kompakten Defensive. In der zwanzigsten Minute setzte Müller zu hoch an. Kurz später zischte ein Distanzschuss von Alaba links am Pfosten vorbei. Nach 26 Minuten wurde Goretzka nicht angegriffen, sein Schuss konnte jedoch pariert werden.
Das 2:0 war überfällig, doch es sollte noch nicht direkt fallen. Innerhalb von kürzester Zeit vertändelten erst Gnabry und Lewandowski im Strafraum eine beste Gelegenheit bevor ein Schuss von Coman aus aussichtsreicher Position geblockt wurde.
Und dann fiel das 2:0 doch. Und wie! Eine Ecke von Kimmich wurde in den Rückraum abgewehrt und Alaba nahm den Ball volley. Wie an der Schnur gezogen flog der Ball in den linken Winkel. Ein Tor der Marke Weltklasse (30.).
Bis zur Halbzeit waren die Münchner klar überlegen und kamen noch zu einigen gefährlichen Aktionen. Insgesamt standen zur Hälfte 16 Torschüsse bei den Bayern zu Buche. Die Hannoveraner waren mit dem 0:2-Rückstand noch gut bedient. Der mit Gelb vorbelastete Felipe blieb in der Kabine und Breitenreiter wechselte offensiv, brachte den jungen Flügelspieler Maina. Damit stellte Hannover auf 4-4-2 um.
Kurz nach der Pause wurde Kimmich dann länger behandelt, nachdem ihm der Eingewechselte auf den Kopf gefallen war. Der eben noch benommene Kimmich konnte sich dann aber in der 53. Minute mit Gnabry über den rechten Flügel kombinieren. Im Strafraum wurde letzterer dann nicht angegriffen und als sein erster Schuss geblockt wurde, den Abpraller aber niemand wollte, schob er zum 3:0 ein.
Mit dem Tor fielen die Hannoveraner, die die ersten zehn Minuten ansonsten eigentlich schadlos überstanden hatten, wieder in alte Muster zurück. Gnabry hätte nur eine Minute nach seiner Führung eigentlich auf 4:0 erhöhen müssen. Eine Ecke von Thiago erwischte Müller mit dem Hinterkopf, aber Esser parierte stark.
Nach nur einer Stunde stellte Lewandowski auf 4:0. Einen Schuss von Müller parierte Esser noch, doch den Abpraller nahm Kimmich vor der Außenlinie auf und flankte in die Mitte. Dort wurde der Pole sträflich frei gelassen und nickte überlegen ein. Direkt nach dem Treffer wechselte Hannover wieder etwas defensiver und nahm Asano vom Feld.
Nach 70 Minuten wechselte Kovač doppelt auf der linken Seite und brachte Sanches sowie Rafinha für Coman und Alaba. Der Franzose verließ die Partie mit fünf gewonnen Dribblings und fünf Key Pässen. In der Folge rückte Gnabry nach links, Müller nach Rechts und Sanches ins Zentrum. Auch Wagner kam kurz vor der 80. Minute noch zu seinem Kurzeinsatz. Er ersetzte Müller.
Während die Münchner weiter auf den nächsten Treffer drängten, erfüllte sich dann schlussendlich doch der Wunsch von 96: Der Abpfiff ertönte. 28 Schüsse und 14 Dribblings zum Spielende lagen deutlich oberhalb des Saisonmittelwerts von 17.7 Schüssen und 9.9 Dribblings. Ein weiteres Zeichen für eine in dieser Saison zumindest außergewöhnliche Leistung.
Bis zur Weihnachtspause folgen nun noch zwei andere Kaliber. Am Mittwoch geht es im letzten Heimspiel gegen RB Leipzig, bevor die Hinrunde der Münchner im Topspiel bei Frankfurt zu Ende gehen wird.
Dinge, die auffielen
1. Endlich wieder Tempo
So bitter die Nachricht vom Ausfall von Robben und Ribery vor dem Spiel war, so sehr freute sich mancher Bayern-Fan angesichts des ersten gemeinsamen Startelfeinsatzes der Flügelzange Coman und Gnabry. Die beiden Jungen sollten nicht enttäuschen.
Bereits nach 25 Minuten hatte Coman vier Dribblings gegen den komplett überforderten Haraguchi gewonnen. Der Franzose machte mit der Hannoveraner Hintermannschaft im Zusammenspiel mit Alaba quasi was er wollte – außer einem Tor.
Doch auch ansonsten war das Tempo im Münchner Spiel erfrischend hoch. Nach jedem Ballverlust war der erste Gedanke ein vertikaler – bei jedem Spieler. Mal war es Goretzka der das Leder mit großen Schritten durch die Zonen trug. Mal waren es Thiago oder Hummels mit geschickten vertikalen Bällen. Mal war es Gnabry mit kurzen Trommlerschritten, der an den bordeauxroten Verteidigern vorbeizog.
Im Gegensatz zu den lauen Herbstwochen nahmen die Münchner heute auch nach dem Führungstreffer den Fuß nicht vom Gaspedal. Es hatte durchaus teilweise nicht den Eindruck als würde Bayern führen, sondern zurückliegen, so brachial fiel dieser Sturmlauf aus. Hannover wurde schlichtweg überrannt.
2. Kimmich als Rechtsverteidiger
Viel war spekuliert worden, ob mit der Hereinnahme von Thiago ins Mittelfeld entweder Goretzka aus der Mannschaft rotiert oder ob Kimmich wieder auf seine Stammposition als Rechtsverteidiger zurückkehrt. Kovač entschied sich für letztere Variante.
In den Spielen mit Rafinha war immer wieder offensichtlich geworden, dass der Brasilianer seine Rolle doch recht anders interpretiert als der junge deutsche Nationalspieler. Rafinha verharrte häufig hinten als zusätzliche Absicherung, anstatt den Weg in die Offensive zu suchen. Dadurch ergab sich eine Asymmetrie im Spiel der Münchner auf den Außenpositionen, da Alaba durchaus sich in höhere Zonen begab.
Mit der Rückkehr von Kimmich in die Viererkette wurde diese Asymmetrie erstmal wieder aufgelöst. Wie bereits zu früheren Zeitpunkten in der Saison suchte Kimmich immer wieder seinen Weg in die Offensive, um die Münchner bei ihrem Sturmlauf zu unterstützen. Dies ließ Hummels und Süle häufig alleine zurück. Gegen nach vorne harmlose Hannoveraner stellte dies kein Problem dar, doch bereits am Mittwoch gegen Leipzig sollte hier zur Konterabsicherung häufiger zu einer tieferen Positionierung einer der Außenverteidiger zurückgekehrt werden.
Es ergibt sich im Positionsspiel allerdings auch ein Vorteil von Kimmichs Offensivläufen. Durch die doppelte Besetzung auf dem rechten Flügel kann Müller seine Rolle im Zentrum noch freier interpretieren und nach Belieben eine Seite überladen oder das Zentrum fluten.
3. Zeichen an die Spitze
Das Ergebnis aus Hannover und viel mehr die Art und Weise, wie der amtierende Meister auftrat, darf durchaus als Zeichen an die Spitze gewertet werden. Während man sich öffentlich bedeckt gibt und zuletzt auch die Champions-League als Saisonziel bewarb, zeigte die Mannschaft auf dem Platz ganz klar, dass sie die Meisterschaft noch nicht aufgibt.
Dennoch wird es ein langer Weg werden. Die Marschroute muss sein, den Abstand auf Dortmund zu halten, um dann bei einem Ausrutscher des letztjährigen Vierten bereit zu sein und den Punkterückstand zu reduzieren.
Außerdem muss bei aller Begeisterung über das Spiel heute auch erwähnt werden, dass der Gegner Hannover sich desolat zeigte. Die Niedersachsen waren dauerhaft zu weit weg und ließen dem Rekordmeister zu viele Räume für Kombinationsfußball. Nur selten schafften sie es den Ball länger in den eigenen Reihen zu halten.
Allerdings zeigten die Münchner heute ein anderes Gesicht. Bis zum Schluss am Drücker – das sah man in den letzten Wochen eher selten. Eventuell ist dieses Spiel dann doch der so wichtige Befreiungsschlag für die Bayern.
4. Thiago ist zurück und das ist gut so
Als sich Thiago im Pokal gegen Rödinghausen mitten in der komplizierten Phase im Herbst verletzt hatte, wurde das als Hiobsbotschaft gewertet. Nach dem Spiel heute in Hannover kann man mit Fug und Recht behaupten, dass der Spanier zurück ist.
Wie in seinen besten Zeiten filetierte der 27-Jährige die gegnerische Hintermannschaft. Unermüdlich lief er im Mittelfeld Löcher zu und verteilte Bälle. Er schaffte regelrecht Strukturen im Mittelfeld. Diese Saison noch viel mehr als schon zuletzt wird es auf Thiago in den wichtigen Spielen ankommen. Bezeichnend sein No-Look-Pass in der 86. Minute über knapp zwanzig Meter, der Lewandowski komplett alleine im Rücken der Abwehrkette fand.
Nach 90 Minuten hatte Thiago als zentraler Mittelfeldspieler acht Dribblings gewonnen. Als kleine Referenz: Kein Flügelstürmer der Münchner hat bisher so vielen Gegner in einem Spiel Knoten in die Beine gespielt. Dazu kamen 98% Passquote und über 130 Ballkontakte. 12 seiner 14 langen Bälle fanden einen Mitspieler. Ganz nebenbei stellen seine drei Key Pässe den drittbesten Wert beim Team von der Isar dar.