Ende der Euphorie: Bayern verliert in Berlin
Nach großer Rochade gegen Augsburg setzte Niko Kovac wieder auf seine vermeintlich stärkste Elf. Mit dabei auch der wiedererstarkte Renato Sanches, der mit James und Thiago im Zentrum auflief.
Von Beginn an versuchte die Hertha die Bayern hoch zu pressen und so das Aufbauspiel der Münchner zu unterbinden. Dabei wählten sie einen sehr mann-orientierten Ansatz und gaben den Bayern kaum Zeit am Ball. In der Folge variierten sie geschickt die Höhe und Intensität im Pressing und stellten die Mannschaft von Niko Kovac so vor Probleme.
Nach wenigen Minuten der Eingewöhnung kamen die Bayern dann auch besser in Schwung. Die Achter Sanches und James agierten wieder sehr hoch. Dies streckte zum einen das Pressing der Herthaner und öffnete Räume für die Bayern. Zum anderen waren die Abstände bei den Bayern aber dann teilweise zu groß, so dass Boateng und Süle Schwierigkeiten hatten, Pässe auf eben jene Achter zu spielen.
Nachdem die Bayern mal kontrolliert in der Hälfte der Berliner spielen konnten, erarbeiteten sie sich nach einer schönen Verlagerung einen Eckball. Boateng kam zum Kopfball und verfehlte das Tor nur knapp.
In der 22. Minute kam die Hertha dann zur ersten großen Chance. Duda nahm den Ball überragend mit und nutzte das Loch im linken Halbraum der Bayern. Ibisevic scheiterte nach der Flanke von Duda noch am starken Neuer, allerdings leistete sich Boateng beim Abpraller einen Fauxpas und grätschte Kalou um. Folgerichtig gab es Elfmeter, den Vedad Ibisevic in der Folge sicher verwandelte.
Nach dem Tor reagierten die Bayern gut und schafften es, die Hertha in deren Hälfte festzusetzen. Der FC Bayern schaffte es, die sich bildenden Dreiecke auf dem Flügel dynamisch zu nutzen. Nach anschließenden Verlagerungen versuchte man, sich dann über außen durchzusetzen.
Doch die Probleme im Spielaufbau und die damit verbundenen Ballverluste sorgten dafür, dass die Hertha immer wieder zu gefährlichen Konterchancen kam. Zu diesem Zeitpunkt war die Führung für die Berliner verdient.
Nach der kurzen leichten Drangphase der Bayern plätscherte das Spiel vor sich hin. Bayern kam erst in der 38. Minute zur nächsten Chance, nachdem Alaba Ribery überlief und den heranrauschenden Robben im Sechzehner fand. Der Niederländer konnte den Ball allerdings nicht aufs Tor bringen.
Doch es kam noch dicker für den FC Bayern. Hertha setzte sich erneut über die linke Seite der Bayern durch. Nach einem wunderbaren Pass von Duda legte Lazaro den Ball zurück auf den offensiven Mittelfeldspieler, der kurz vor der Pause zum 2:0 für die Hertha traf.
Kurz nach der Pause wechselte Kovac das erste Mal und brachte Müller für Robben. In der Folge agierte James auf dem rechten Flügel, während sich Müller zwischen den Linien bewegte. Der Kolumbianer agierte deutlich weiter eingerückt, vermutlich wollte Kovac damit die Präsenz im Halbraum erhöhen.
Doch die Bayern taten sich weiterhin schwer und konnten sich kaum Chancen erspielen. Daran änderte auch die Einwechslung von Serge Gnabry für Sanches nichts. Wenn, dann waren die Bayern über die Seite von Franck Ribery gefährlich. Nach einer Ecke hatte der FC Bayern dann in der 66. Spielminute die große Chance zum Anschluss. Doch keiner konnte den Ball aus einem Meter über die Linie drücken.
Mit Sandro Wagner für James versuchte Niko Kovac dann mit aller Macht ein Tor zu erzwingen. In der Folge rannten die Bayern an, hatten nach einer Ecke noch eine weitere große Chance, strahlten sonst aber wenig Gefahr aus. Hertha BSC stand stabil und gab den Bayern besonders im Zentrum keinen Raum.
Verdientermaßen gingen die Berliner am Ende als Sieger vom Platz. Nach einem sehr starken Saisonstart erlitt die Bayern-Saison nun ihren ersten Knick. Es wird spannend wie das Team in den nächsten schweren Spielen gegen Ajax und Mönchengladbach reagieren wird.
Dinge, die auffielen
1. Bayerns Loch im Halbraum
Auffallend in diesem Spiel waren die großen Lücken im Halbraum, speziell im linken. Unter Niko Kovac schieben die Achter in der ersten Phase des Spielaufbaus sehr weit nach vorne. Lewandowski lässt sich gleichzeitig auf die gleiche Höhe fallen.
Richtig ausgeführt hat man dadurch sehr viele Anspielstationen im vorderen Drittel. Gegen die Hertha passte die Aufteilung aber nicht. Durch das weite Vorschieben von Sanches und James klaffte eine riesige Lücke im Halbraum. Die Innenverteidiger Boateng und Süle konnten keine vertikalen Pässe nach vorne spielen, weil die Herthaner diese sehr gut zustellte. Folglich war Thiago die einzige Anspielstation im Aufbauspiel oder man musste bereits früh nach außen spielen. Beides sorgte für Probleme im Aufbauspiel.
Besonders nach Ballverlusten fanden die Herthaner dann sehr viel Platz vor. Das Gegenpressing der Bayern scheiterte regelmäßig, da Sanches sehr hoch und Alaba oft auf dem Flügel stand. Hertha konnte daraus mehrmals Kapital schlagen.
2. Keine Lösungen gegen mannorientiertes Pressing
Gegen das Pressing der Hertha hatten die Bayern in der gesamten ersten Hälfte keine Lösungen. Thiago wurde gut zugestellt, Boateng und Süle hatten kaum Anspielstationen und die Hertha konnte den FC Bayern nach außen lenken.
Die Bayern taten sich sehr schwer gegen das mannorientierte Pressing. Gegen diese Art des Pressings sind Bewegungen ohne Ball entscheidend. In der ersten Hälfte gab es nur selten passende Bewegungen von James und Sanches. Außerdem fehlte es den Bayern auch am nötigen Tempo, um die Hertha vor Übergabe- und Kommunikationsprobleme in ihren Defensivabläufen zu stellen.
3. Defensivprobleme auf der linken Seite
Die Hertha hatte den FC Bayern vor dem Spiel gut durchleuchtet. Die klare Schwäche sah Pal Dardai wohl auf der linken Abwehrseite der Bayern. Er sollte damit Recht behalten. Beide Tore entstanden über diese linke Seite, die bislang so hervorragend verteidigt hatte.
Die Hertha nutzte sehr geschickt den offenen Halbraum. Renato Sanches zeigte sich hier nicht immer gut positioniert. Auch die Kommunikation mit dem oft herausrückenden Alaba war nicht immer optimal. So übergab Sanches seinen Gegenspieler an Alaba während der Österreicher sich gerade nach vorne bewegte, oder der Portugiese schloss die Räume nicht schnell genug.
Auch Boateng und Alaba hatten immer wieder ihre Aussetzer. Gerade Boateng ließ sich beim zweiten Tor zu einfach abkochen und verschuldete den Elfmeter, der zum ersten Tor der Hertha führte. Gerade hier wartet Arbeit auf Niko Kovac.
4. Fehlende Kreativität im Offensivspiel
Unter Niko Kovac wirkten die Bayern bisher wesentlich flexibler im Offensivspiel als noch in der letzten Saison. In diesem Spiel fielen sie aber wieder in alte Muster zurück. In Berlin fehlte es sehr oft an Tempo und passenden Staffelungen im letzten Drittel.
Einzig über die linke Seite wurden die Bayern gefährlich. Gerade Ribery war der bemühteste Spieler. Der Franzose war umtriebig, setzte sich ein paar Mal gegen Lazaro durch und schaffte es zusammen mit Alaba, sich hinter die letzte Linie zu spielen. Bei Robbens Chance in Durchgang eins konnte man dies sehr gut beobachten. Allerdings waren sonst die Flanken nicht präzise genug und die Strafraumbesetzung der Bayern schwach.
Abseits davon brachten die Bayern wenig zustande. Man schaffte es nicht, die Herthaner in Bewegung zu bringen, weil man selten längere Ballbesitzphasen in Herthas Hälfte hatte. Zu oft versuchten die Niko Kovacs Mannschaft mit Lupfern hinter die letzte Linie der Herthaner zu kommen. Das stellte die Berliner aber kaum vor Herausforderungen. In der zweiten Hälfte rannte man dann auf einen tiefstehenden Block aus Berlinern zu, der sehr schwer zu knacken war. Nichtsdestotrotz fehlte es den Münchnern an der nötigen Kreativität and diesem Abend – und an der Konsequenz im Abschluss.