Borussia M’gladbach – FC Bayern 2:1 (2:0)
Falls ihr es verpasst habt:
Nach dem uninspirierten Auftritt unter der Woche beim RSC Anderlecht setzte Jupp Heynckes gegen Gladbach wieder für einige Stammkräfte – zumindest auf diejenigen, die ihm angesichts der angespannten Personalsituation noch zur Verfügung standen.
Die Viererkette bildeten Kimmich, Süle, Hummels und Bernat. Boateng bekam erneut eine Pause, die Innenverteidiger-Rotation setzte sich somit fort. Für den weiterhin angeschlagenen Alaba rückte Bernat, wie schon am letzten Wochenende, in die Startelf.
Die wirklich interessanten Umstellungen ergaben sich im Mittelfeld, wo nominell fünf zentrale Mittelfeldspieler aufliefen. Martínez (als Kapitän), Vidal und Rudy spielten ihre angestammten Rollen. Tolisso kam, wie schon nach der Robben-Auswechslung in der Champions League, über die rechte Seite, James über die linke. Lewandowski im Sturmzentrum dürfte keine allzu große Überraschung für die Gladbacher gewesen sein.
Auch bei den Fohlen verschob sich nicht allzu viel: Der leicht angeschlagene Elvedi verteidigte rechts neben Ginter, Vestergaard und Wendt. Die Doppelsechs aus Kramer und Zakaria sowie das Sturmduo aus Raffael und Stindl bildeten wie erwartet den Kern der Gladbach-Elf, einzig die Rückkehr von Patrick Herrmann in die Startelf kam etwas überraschend.
Die Münchner begannen so, wie es in den letzten Wochen häufig der Fall war. Positiv ausgelegt könnte man von ruhiger Ballzirkulation sprechen, die jedoch dann und wann in eine gewisse Inspirationslosigkeit abzugleiten droht. Gladbach jedenfalls schien gut vorbereitet und formierte sich in der Defensive gut gestaffelt – mit immer wieder mal eingestreuten Pressingsituationen.
Genau so eine hätte in der 12. Minute fast zum Führungstreffer für die Heimmannschaft geführt. Hazard eroberte nach einem schwachen Zuspiel den Ball und über Stindl gelangte der Ball zu Raffael, der am stolpernden Süle vorbei aufs Tor zulief, dann jedoch vergab. Auf der Gegenseite hätte Tolisso per Kopfball nach einem Freistoß zur Bayern-Führung treffen können.
Spätestens nach der Auswechslung von Christoph Kramer war das Abtasten also beendet und es entwickelte sich eine enge Partie auf taktisch hohem Niveau. Die Münchner taten sich jedoch zunehmend schwer aus ihrer drückenden Überlegenheit im zweiten Drittel Chancen zu kreieren. Ballstafetten über den einrückenden Tolisso, Rudy und Vidal endeten in einer Vielzahl von ungefährlichen Halbfeldflanken von Bernat und James.
Den schleppenden Mittelfeld-Rhythmus des Spiels unterbrachen schließlich die Gladbacher: Mit einem langen Zuspiel in den Strafraum zwangen sie Süle in einen Zweikampf, in dem ihm der Ball etwas unglücklich an die Hand sprang. Den fälligen Elfmeter verwandelte Hazard zum 1:0 (39.).
In der Folge überschlugen sich fast schon die Ereignisse: Der bis dahin abgetauchte Lewandowski hätte vier Minuten nach dem Gegentreffer beinahe per Hacke zum Ausgleich getroffen, stattdessen jedoch entstand aus einer Kombination auf der Gegenseite ein Abschluss von Stindl, der abgefälscht und schließlich von Ginter zum 2:0 verwandelt wurde.
Kurz darauf musste Juan Bernat mit einer Oberschenkelverletzung vom Platz, für ihn kam Coman ins Spiel – dadurch rückte Arturo Vidal vorübergehend auf die Linksverteidiger-Position.
Letztendlich hatten die Münchner es über die gesamten ersten 45 Minuten verpasst, aus ihrer Ballhoheit im Mittelfeld irgendwie Kapital zu schlagen – das wiederum hatten die Gladbacher bestraft und sich die verdiente, wenn auch etwas zu deutliche Halbzeitführung erarbeitet.
Die zweite Halbzeit begann mit einigen Umstellungen. James Rodriguez musste mit den Nachwirkungen aus einem Luftzweikampf in der Kabine bleiben, für ihn kam Marco Friedl in die Partie. Aus dem linken Flügelduo Bernat/James war somit die neue Kombination Friedl/Coman geworden.
Das Bild der ersten Halbzeit verfestigte sich auch in der Anfangsphase des zweiten Durchgangs. Die Münchner hatten in der ersten Viertelstunde fast 70 Prozent Ballbesitz, fanden jedoch gegen die dicht gestaffelten Gladbacher keine Lösungen mit Ausnahme hoher Zuspiele. Defensiv setzten die Fohlen weiterhin Nadelstiche durch Konter und blieben so gefährlich.
Dennoch begann jetzt eine deutliche Bayern-Offensive: Immer wieder suchten sie nun die Anspielstationen im Strafraum und hätten sich nach zwei Ecken beinahe belohnt. Auch Coman traf mit einem Abschluss aus etwa 20 Metern den Pfosten (66.).
In der 74. Minute fiel schließlich der mittlerweile überfällige Anschlusstreffer auf eine Art und Weise, die das Spiel der Bayern erstaunlich gut beschrieb: Eine hohe Flanke in den Strafraum klärte die Borussia in die Füße von Arturo Vidal, der bislang vor allem dadurch überzeugt hatte, den Spielaufbau durch sein gemächliches Passspiel zu verlangsamen. Vidals Schuss jedenfalls war zu platziert für Yann Sommer und schlug im rechten unteren Eck ein.
Wenig überraschend war, dass die restlichen knapp 20 Minuten (mit Nachspielzeit) den Bayern gehörten, die nun alles nach vorne warfen. Die spielerische Problematik des Flankenfokus (siehe unten, Punkt 1) wurde nun obsolet – und hohe Zuspiele immer gefragter. Mit etwas Glück hätte Wriedt kurz vor Schluss noch den Ausgleich erzielt, Drmic hatte auf der anderen Seite die Chance auf die Entscheidung.
Die Niederlage in Gladbach war am Ende verdient – aber sollte nicht überbewertet werden. Wenig Tempo in der ersten Halbzeit und zwei schnelle Gegentreffer sorgten für einen unglücklichen Spielverlauf.
Es gab einen klaren spielerischen Punkt, den Heynckes ansprechen sollte, der aber auch eng verbunden ist mit dem derzeitigen personellen Engpass. Mehr dazu in den drei Punkten, die auffielen.
Drei Dinge, die auffielen:
1. Tödlicher Flankenfokus
Es ist ein faszinierendes Paradoxon, dass die erste echte Drangphase der Bayern gegen die Borussia aus ihrer spielerischen Schwäche heraus entstand. Zwischen der 50. und der 70. Minute schafften es die Münchner ein ums andere Mal, gefährliche Situationen im gegnerischen Strafraum zu kreieren – weil Kimmich, Rudy, Tolisso, Coman und teilweise auch die Innenverteidiger wie wild Bälle in den Strafraum schlugen.
Selbstverständlich konnte man dafür argumentieren, dass das eine den Umständen angemessene Taktik war. Die Kreativspieler waren (bis auf den eingewechselten Coman) nicht für inverse Dribblings in den Strafraum a la Robben bekannt und die Gladbacher ließen vor allem Kimmich immer wieder viel Raum für Zuspiele.
Gleichzeitig jedoch ließen sich die Bayern merklich dazu hinreißen, in ein Schema vom Saisonbeginn zurückzufallen. Sobald sie erkannten, dass über Kombinationen durch die Mitte nichts ging, landete der Ball bei Bernat, James oder eben Kimmich und wurde (gerne aus dem Halbfeld) in den Strafraum weitergeleitet.
Zwar standen dort mit Lewandowski und den einrückenden Mittelfeldspielern Vidal oder Tolisso häufig zwei Abnehmer, die jedoch in den meisten Fällen an Jannik Vestergaards Körperlichkeit scheiterten. Der dänische Innenverteidiger hatte nach 90 Minuten beeindruckende 12 Klärungen vorzuweisen.
Im Verlauf der zweiten Halbzeit verbesserten sich im Bayernspiel zwei Dinge: Zum einen die Häufigkeit von abgebrochenen Flankenversuchen und zum anderen die Präzision bei den Hereingaben. Vidal rückte nun konsequenter in den Strafraum und unterstützte dort Lewandowski. Auch die Hereinnahme von Wriedt wirkte sich positiv aus.
Es zeigte sich jedoch, dass der Heynckes-Weg der letzten Wochen, den das geduldige Abwarten und das Suchen nach den Lücken in der gegnerischen Kette ausgezeichnet hatte, auch gegen die dicht gestaffelten und hervorragend organisierten Gladbacher wohl die richtige Lösung gewesen wäre – und nicht die am Ende 48 Versuche, über Hereingaben zum Erfolg zu kommen.
Die Abkehr von einem Ballbesitz-Flanken-Fokus muss die wichtigste Lehre aus dem Gladbach-Spiel sein. Es ist jedoch zu befürchten, dass erst die Rückkehr von Robben, Ribéry bzw. einem wieder formstarken Coman die Problematik lösen wird.
2. Kleine Lektion für Süle
In einer so Mittelfeld-lastigen Phase wie der Mitte der ersten Halbzeit entscheiden oft kleine Dinge darüber, wer den ersten Treffer erzielt und in welche Richtung das Spiel laufen wird. Auch wenn Niklas Süles Hand alles andere als klein ist, entschied sie in der 39. Minute vermutlich das Spiel.
Aus einem unscheinbaren Zuspiel in den Bayern-Strafraum ergab sich so ein Elfmeter für Gladbach, der den bisherigen Spielverlauf (keine dominanten, aber zumindest kontrollierenden Bayern) veränderte. Es war nur eine Szene in den 90 Minuten vom Samstagabend, die zeigte, dass Niklas Süle als Innenverteidiger beim FC Bayern noch längst nicht das Level von Jerome Boateng oder Mats Hummels erreicht hat.
Auch vor dem zweiten Gegentreffer ließ er sich mit einem relativ simplen Lauf aus seiner zentralen Innenverteidiger-Position herausziehen. Dadurch ergab sich die Lücke, in die Stindl hineinstoßen konnte. Ansonsten blieb Süle weitestgehend unauffällig, seine Statistik bei langen Pässe (9/11 angekommen) deutete an, dass er gerade in puncto Spieleröffnung auch bereichernd sein kann.
Gleichzeitig jedoch lernte Niklas Süle eine Lektion, die man beim FC Bayern fast schon mantrahaft wiederholen muss: in der Defensive bei einem Spitzenteam entscheidet nicht der Gesamteindruck, sondern die kleinen, unscheinbaren Zweikämpfe. Wenn er die richtigen Schlüsse daraus zieht, könnte die Niederlage gegen Gladbach für Süle zu einem wichtigen Wegpunkt in seiner Bayern-Karriere werden.
3. Ruhe bewahren
So schnell kann es gehen: Aus den aus Ruinen auferstandenen Wunderbayern der vergangenen Wochen sind innerhalb von knapp einer Woche die verletzungsgeschädigten und spielerisch nicht mehr allzu brillianten Münchner geworden.
Die Punkte für den kleinen spielerischen Leistungsabfall sind schnell aufgezählt. Tatsächlich liefen die Bayern gegen Gladbach personell auf dem Zahnfleisch daher. Dazu zählen einerseits die “schwerer” verletzten Thiago, Robben, Ribéry, Alaba und Müller, die es noch nicht wieder in den Kader geschafft haben aber auch der immer noch rekonvaleszente Bernat, der ausgewechselt werden musste.
Wie die traditionell schwierige letzte Phase der Hinrunde abläuft, wird nicht unwesentlich davon abhängen, wie schnell Robben, Müller und Alaba wieder zurückkehren können bzw. Coman zurück zu seiner guten Form finden kann.
Die Heynckes-Magie wurde in den letzten Wochen immer wieder gelobt – die wirklich wichtige Phase für den Cheftrainer dürfte überraschenderweise erst in den kommenden anstehen. Trotz der schwierigen äußeren Umstände nun die Ruhe zu bewahren, ist jetzt die Kunst.
Borussia M’gladbach – FC Bayern 2:1 (2:0) | |
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Borussia M’gladbach | Sommer – Elvedi, Ginter, Vestergaard, Wendt – Kramer (11. Jantschke, 46. Johnson), Zakaria – Herrmann, Hazard – Raffael (90. Drmic), Stindl |
Bank | Sippel, Oxford, Grifo, Drmic |
FC Bayern | Ulreich – Kimmich, Süle, Hummels, Bernat (44. Coman) – Martinez – Rudy (68. Wriedt), Vidal – Tolisso, James (46. Friedl) – Lewandowski |
Bank | Starke, Boateng, Dorsch |
Tore | 1:0 Hazard (38., Foulelfmeter), 2:0 Stindl (44.), 2:1 Vidal (74.) |
Gelbe Karten | Elvedi / Tolisso |
Schiedsrichter | Manuel Gräfe (Berlin) |
Zuschauer | 54018 (ausverkauft) |