Borussia Dortmund – FC Bayern 4:5 i.E. (2:2, 1:1)
Es wurde ein durchaus interessantes Spiel zweier ersatzgeschwächter Mannschaften. Mit besserem Ende für die Münchner.
Falls Ihr es verpasst habt:
Beide Trainer mussten verletzungsbedingt improvisieren. Am deutlichsten wurde das in Person von Rafinha, den Ancelotti im 4-4-2 als Linksverteidiger aufbot. Ribéry, Tolisso, Rudy und Vidal bildeten das Mittelfeld. Müller quasi als zweite Spitze neben Lewandowski davor. Kimmich begann rechts hinten.
Auch BVB-Coach Peter Bosz musste zahlreiche Ausfälle kompensieren. Neuzugang Zagadou durfte auf der linken Verteidigerposition von Beginn an ran. Auch Mo Dahoud stand neben Sahin und Castro in der Startelf. Genau wie die stark umworbenen Dembélé, Aubameyang und Pulisic.
Der Niederländer zeigte sich vor dem Spiel überrascht von der defensiven Ausrichtung der Münchner und kündigte ein intensives Pressing an.
Seine Mannschaft hielt Wort und baute von Beginn an hohen Druck auf das Münchner Aufbauspiel auf. Es dauerte zehn Minuten bis zur ersten gefährlichen Situation. Lewandowski wurde mit einem weiten Ball freigespielt und schoss aus spitzem Winkel etwas unkontrolliert über das Tor.
Eine Minute später pennte Martínez, als er nach einem merkwürdigen Querpass von Vidal Pulisic nicht kommen sah und den Ball verlor. Der Amerikaner konnte so völlig unbedrängt auf Ulreich zulaufen und zum 1:0 einschieben (12.). Unnötig.
Nun nahm die Partie mehr Fahrt auf. Bayern deutlich engagierter und schon mit einem gefährlichen Abschluss durch Ribéry in der 14. Minute. Zwayer entschied jedoch auf Abseits. Anders als in der 18. Minute, als Rudy mit einem tollen Pass ganz rechts außen Kimmich in abseitsverdächtiger Position fand. Der deutsche Nationalspieler marschierte die Linie runter und fand in der Mitte Lewandowski, der aus kurzer Distanz nur noch einschieben brauchte. 1:1.
In der Folge entwickelte sich ein offener Schlagabtausch mit adäquatem Tempo. Müller hatte die nächste gute Chance, als er nach 30 Minuten aus kurzer Distanz an Bürki scheiterte. Kurz danach war es wieder Müller, der nach einer herrlichen Kombination und Kimmich-Flanke per Kopf den Außenposten traf. Ab der 30. Minute waren die Münchner die eindeutig bessere Mannschaft auf dem Feld. Weitere Halbchancen der Münchner änderten aber nichts mehr am 1:1-Pausenstand.
Nach dem Seitenwechsel verflachte die Partie etwas. Die Hausherren nahmen etwas Tempo heraus, auch die Münchner gingen zunächst nur selten ins Risiko. Die Folge: weniger Fehler und weniger Torszenen. Erst nach 60 Minuten nahm die Partie wieder Rhythmus auf. Süle kam für Martínez und wenig später Coman für Müller.
In der 70. Minute der Doppelschlag. Erst vergab Robert Lewandowski nach herrlichem Steilpass von Rudy die Riesenchance auf das 2:1, dann vollendete Aubameyang den folgenden Konter auf der Gegenseite seinerseits zur Dortmunder Führung. Wieder einmal ließen sich die Münchner in dieser Szene durch falsche Positionierungen und zu viel Risiko durch das Zentrum ausspielen.
Dortmund wirkte nun überlegen, doch das Tor machten kurz vor Schluss die Münchner. Nach einem Freistoß von Sebastian Rudy stocherte Kimmich den Ball aus dem Gewühl über die Linie (88.). Trotz einer Schlussoffensive blieb es beim 2:2. Die Folge: Elfmeterschießen.
Kimmich, Rode und Bartra vergaben. Ulreich hielt zwei Mal. Am Ende durfte Bayern jubeln.
Drei Dinge, die auffielen:
1. Immerhin Tempo aufgenommen
Borussia Dortmund ließ den Münchnern von der ersten Minute an überhaupt keine Chance, den müden Trott der bisherigen Vorbereitung fortzusetzen. Das Team von Peter Bosz rannte jeden Ballführenden in höchstem Tempo an, versuchte Unruhe zu stiften und ging hohes Risiko mit der gesamten Positionierung der Mannschaft. 20 Minuten lang überforderte dieses Tempo die Münchner. Das 0:1 mit dem Bock von Martínez stand beispielhaft für eine Reihe von Fehlern in der Anfangsphase.
Doch dann tat sich zumindest etwas. Der Rückstand war ein Wachmacher. Bayern befreite sich nun konstruktiver und fand durch Läufe in die Tiefe ein Mittel, das Dortmunder Pressing auszuspielen. Mal war es Müller, der immer auf der Abseitskante lauerte – mal Kimmich, der auf dem rechten Flügel ein spannendes Wechselspiel mit Tolisso gegen den überforderten Zagadou aufzog.
Ab der 30 Minute war das Spiel der Münchner sicherer, zielstrebiger, klarer und dadurch auch effektiver. Es war ein wenig so, als könnte man der Mannschaft zumindest über eine halbe Stunde lang zusehen, wie sie dank des Dortmunder Pressinghagels in Geschwindigkeit und Präzision in dieser Saison ankam.
Doch es klappte gewiss nicht alles – wie vor allem die letzte halbe Stunde zeigte. Die Passquote lag bei mageren 80%. Gerade aus längeren Ballbesitzphasen entstand zu wenig konstruktives. Das Positionsspiel war mau. Meist brauchte es einen Überfallmoment, um durchzubrechen. So bleibt immerhin die Erkenntnis, dass die Münchner bereit sind Tempo aufzunehmen in dieser Saison. Der Sieg am Ende gibt ein gutes Gefühl. Die nach wie vor noch unterdurchschnittlichen Strukturen im Spiel eher nicht.
2. Hallo Sebastian
Es war das erste richtige Spiel für Sebastian Rudy im Trikot des FC Bayern. Und man kommt nicht umhin beeindruckt zu sein. Rudy war der erste Bayern-Spieler, der das Tempo der Dortmunder annahm und sich früh immer wieder gut aus dem Pressing befreite. Die Selbstverständlichkeit mit der der Nationalspieler seine Rolle als Fixpunkt im zentralen Mittelfeld ausführte war bemerkenswert.
Ballgewinne, Seitenverlagerungen, kluge kleine Bewegungen gegen Castro und Dahoud in engen Räumen. Rudy legte schonmal sein komplettes Paket aufs Spielfeld. Das tat Bayerns Spiel gut und es braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen wie gut sein Fähigkeitenprofil zum derzeit angeschlagenen Thiago passen könnte. Sein hervorragender Elfmeter rundete einen guten Abend für den Ex-Hoffenheimer ab.
Schon mal beiseite legen kann man übrigens jegliche Vergleiche mit seinem Namensvetter Sebastian Rode. Immer wieder war der Vergleich in den vergangenen Wochen zu hören mit dem Hinweis, dass es auch Rudy letztlich nicht in München packen werde. Das steht in der Tat noch in Frage, aber Rudy ist ein deutlich kompletterer und vor allem spielstärkerer Spieler als der heutige Dortmunder. Diesen Vergleich sollte man wirklich recht schnell vergessen.
Neben Rudy ist über 90 Minuten vor allem der starke Kimmich herauszuheben.
3. Vidal nervt
Arturo Vidal ist ein fertiger Spieler. Man weiß was man bekommt. Und es ist durchaus vertretbar, die ein oder andere unüberlegte Aktion, die ein oder andere Grätsche zu viel mitzutragen. Das ist gewissermaßen eingepreist. Zumindest dann, wenn der Rest stimmt. Zuletzt war das nicht immer der Fall. Auch gegen Dortmund nervte Vidal mehr, als er half. Beim 1:2 versuchte er eine völlig aussichtslose Grätsche am Dortmunder Strafraum und machte so den Weg frei für den folgenden Konter. Hinzu kamen zwei unnötige Fouls in Strafraumnähe und erneute Gelb-Rot Gefahr.
Vidal hatte im Vorjahr als zweikampfstarker Mittelfeldspieler und damit passender Partner für Alonso einen Vorteil. Mit der Ankunft von Tolisso und Rudy relativiert sich das etwas. Vidal wird daran arbeiten müssen, dass das Pendel nach 90 Minuten wieder häufiger in Richtung hilfreich und weniger in Richtung nervig ausschlägt.