Hertha BSC – FC Bayern München 1:1 (1:0)
Falls ihr es verpasst habt:
Die Gastgeber aus Berlin wechselten im Vergleich zur Niederlage gegen Schalke auf zwei Positionen: Für Stocker und Lustenberger rückten Darida und Skjelbred in die Startaufstellung.
Ansonsten setzte Pal Dardai auf die gewohnte Viererkette aus Plattenhardt, Brooks, Langkamp und Pekarik sowie Niklas Stark auf der Sechser-Position. Haraguchi und Kalou sollten die Flügel, Ibisevic das Sturmzentrum bespielen. Am Rande sei auch erwähnt, dass der Berliner Rasen sich klar auf Seiten der Hertha positionierte.
Auf der anderen Seite stellte Carlo Ancelotti die Viererkette um. Juan Bernat übernahm die linke Außenverteidiger-Position, Alaba rückte dafür in die Zentrale und Martínez auf die Bank. Zudem ersetzte Kimmich Alonso und Müller Lewandowski im Sturm. Die Dreier-Achse Costa-Thiago-Robben bekam wie Kapitän Lahm gegen die Hertha keine Pause.
Die Gastgeber schafften es von der ersten Minute an, ein offenes Spiel zu gestalten und das Geschehen weitestgehend auf das mittlere Drittel zu beschränken. Das resultierte in einer enorm zähen ersten Viertelstunde mit vielen Ungenauigkeiten und wenig Tempo bei den Bayern und vielen kleinen Fouls sowie einer dicht gestaffelten Defensive bei der Hertha.
Die bayrische Schläfrigkeit in der Offensive war ein Problem, ein deutlich größeres war jedoch die in der Defensive. Plattenhardt holte mit einer Schwalbe auf der linken Seite einen Freistoß heraus, den er anschließend perfekt vor den Münchner kurzen Pfosten brachte, wo Ibisevic schneller als Hummels und Müller reagierte und in der 21. Minute zur Führung verwandelte. Auch wenn die Entstehung des Freistoßes umstritten war – die Verteidigung zeugte von den offensichtlich fehlenden Prozenten, die am Samstagnachmittag vor allem in der ersten halben Stunde bei allen Bayern abgingen.
Wer nach dem Gegentor auf eine wütende, eine entschlossenere, eine allen voran aktivere Vorgehensweise der Münchner gehofft hatte, wurde enttäuscht. Erst in den letzten 10 Minuten der ersten Halbzeit deutete die Mannschaft an, was in ihrer Offensive eigentlich steckt und kam in den Strafraum, allerdings ohne wirklich zwingend zu sein. Auf der anderen Seite blieb die Hertha gefährlich, wurde von der FCB-Defensive allerdings auch immer wieder mit Fehlpässen eingeladen. Ibisevic traf zudem nach einer Ecke aus klarer Abseitsposition.
Den Rückstand zur Halbzeit hatten sich die Bayern redlich verdient. Die uninspirierten, tempolosen und erschreckend ungenauen Aktionen in allen Mannschaftsteilen führten dazu, dass lediglich Robben und Costa mit Einzelaktionen für einen Hauch von Gefahr sorgen konnten. Das System in seiner Gesamtheit versagte einmal mehr in einem Bundesligaspiel gegen einen kompakten Gegner.
Auch in der zweiten Halbzeit setzte sich das Spiel unverändert fort. Die Hertha formierte sich geschickt, ließ es nie zu einer Unterzahl-Situation auf der Lahm-Robben-Seite kommen und verließ sich darauf, dass den Bayern aus dem Spiel nichts einfallen würde. Weitestgehend war dies der Fall: wann immer sich die Münchner durch einen öffnenden Pass oder eine Einzelaktion ein wenig Freiraum verschaffen konnten, blieb entweder der letzte Pass aus oder der Abschluss zu schwach.
In der 61. Minute stellte Ancelotti personell um: Für Vidal und Kimmich kamen Alonso und Lewandowski. Thiago rückte in der Folge zurück neben Alonso, Müller nahm dafür die Position hinter Lewandowski ein. Als jedoch auch der Effekt des Doppelwechsels recht schnell verpuffte, stellte Ancelotti erneut um, brachte nun Coman für Bernat, weshalb Alaba wieder zum Außenverteidiger und Alonso zum halben Innenverteidiger wurde.
Und tatsächlich: Im Verlauf der letzten zehn Minuten des Spiels entwickelte sich auf Seiten der Münchner zumindest der Wille, noch ein Tor zu erzwingen. Doch wo ein Wille ist, ist noch lange kein Weg. Von einem Alaba-Freistoß in der 88. Minute abgesehen, ergab sich für die Bayern keine Möglichkeit mehr auf den Ausgleichstreffer – bis in der 96. Minute Kingsley Coman an der Strafraumkante gefoult wurde.
Dann wurde – zur Überraschung aller Beteiligten – das Spiel noch einmal spannend. Aber der Reihe nach: Thiago führte den Freistoß geschickt in den Rückraum auf den freistehenden Robben aus, dessen Abschluss auf der Linie geklärt wurde, der Ball sprang jedoch Lewandowski vor die Füße, der ihn zum 1:1 über die Linie drückte. Jubel bei den Bayern, gefolgt von Fragezeichen in den Gesichtern der Reporter und Zuschauer, da Schiedsrichter Ittrich kurzzeitig den Anschein erweckte, der Treffer würde nicht zählen.
Letztendlich wurde das Tor gegeben, die Bayern retteten einen Punkt aus Berlin. Die Leistung jedoch war maßlos enttäuschend, in jederlei Hinsicht. Der Schalter, den die Bayern scheinbar gegen Arsenal umgelegt hatten, der Rückenwind, den sie aus der Champions League mitgenommen hatten – alle Euphorie aus dem Achtelfinal-Hinspiel war am Samstagnachmittag wieder der Realität gewichen: Die Bundesliga ist kein Selbstläufer und weniger als 100 Prozent werden nicht mit drei Punkten und möglicherweise auch nicht mit einer Meisterschale belohnt werden.
3 Dinge, die auffielen:
1. System > Einzelspieler
Wer immer in den letzten Wochen behauptet haben mag, dass die individuelle Klasse dem FC Bayern, zumindest in der Bundesliga, stets reichen würde, wurde heute eines Besseren belehrt. Die spielerische Leistung der Bayern war in Ancelottis System eines Meisters nicht würdig – insofern also keine Änderung zu den Bundesliga-Partien gegen Werder Bremen in der Rück- oder den SC Freiburg in der Hinrunde. Diesmal jedoch scheiterten die Münchner daran, dass die Spieler, die stets die Kohlen aus dem Feuer holten, weit unter (Thiago) oder gerade so auf ihrem Niveau spielten.
Selbst Arjen Robben und Philipp Lahm, die einzigen Bayern-Spieler, die auch heute ihr Level erreichten, bekamen zunehmend Probleme – weil nicht einmal das Ancelotti-System, nämlich die Einzelspieler in den Fokus zu setzen, funktionierte. Robben hatte kaum Freiräume, die er bespielen konnte, was zum einen an der guten Hertha-Aufteilung, andererseits aber auch an der fehlenden Power über die andere Angriffsseite der Münchner lag.
Dass die Hertha heute über weite Strecken der Partie keine Bayern-Chancen zuließ, lag an der Perfektion ihres gesamtheitlichen Systems. Ob die Münchner dagegen mit dem Systemfußball der letzten Jahre gewonnen hätten, lässt sich nicht sagen. Fest steht jedoch: Gegen eine eingespielte, gut eingestellte und perfekt sortierte Mannschaft wird man allein mit Aktionen von Einzelspielern keinen Erfolg haben.
2. Alaba bleibt Sorgenkind
In der Bayern-Mannschaft gibt es derzeit sicherlich mehrere Spieler, die nicht in der Form ihres Lebens sind – es gibt jedoch auch welche, die in der wohl tiefsten Krise ihrer Karriere stecken. David Alaba zählt leider zu letzterer Gruppe. Der Österreicher hat in der Rückrunde noch keinen einzigen überzeugenden Auftritt hingelegt, im Gegenteil: Er zählt regelmäßig zu den schlechtesten Münchnern auf dem Platz.
Woran liegt das? Bezieht man sich auf die reinen Statistiken, sieht Alabas Leistung nicht so schlecht aus: 87 Prozent angekommene Pässe (nur 2 Prozent weniger als Hummels), sechs Balleroberungen – solide Werte für einen gelernten Außenverteidiger, der in die Zentrale rückte. Doch Alabas wahre Schwäche liegt derzeit in seiner Mentalität auf dem Platz. Alaba wirkt, anders als in den letzten Jahren, komplett verunsichert in seiner Rolle und teilweise überfordert.
Die Erwartungshaltung des Umfelds beim FC Bayern war, dass er den Übergang von Guardiola zu Ancelotti mitgestaltet und als langjähriger Spieler in der Mannschaft eine größere Rolle einnimmt – derzeit jedoch droht er zu einem Opfer dieses Übergangs zu werden.
3. Es darf keinen Schalter geben
Haben die Bayern den Schalter gegen Arsenal umgelegt oder haben sie ihn nur kurz angestoßen? Und: In welcher Position ist der Schalter jetzt gerade? Die Antwort auf alle Fragen rund um den FC Bayern, die das Wort “Schalter” beinhalten: Es darf keinen geben. Die Champions-League-Bayern dürfen sich hier und da in ihrer Leistung, keinesfalls jedoch in ihrer grundsätzlichen Einstellung von den Bundesliga-Bayern unterscheiden.
Carlo Ancelotti selbst sprach, wie eingangs erwähnt, davon, dass die Motivation in K.O.-Spielen höher sei – eine Entwicklung, die mehr als fragwürdig ist. Denn auch wenn die Konkurrenz in der Bundesliga erschreckend schwach ist, warum sollte man dann nicht versuchen, erst Recht möglichst früh jegliche Zweifel über die Meisterschaft hinfällig werden zu lassen? Die Idee eines absichtlich herbeigeführten, klaren Niveau-Unterschieds zwischen wichtigen und “unwichtigen” Spielen entbehrt sich jeder Logik. Sie wird vielleicht immer wieder zu einzelnen Erfolgen und mit etwas Glück sogar zum ganz großen Wurf führen – nie jedoch zu einem dauerhaft hohen Erfolgsniveau.
Hertha BSC – FC Bayern 1:1 (1:0) | |
---|---|
Hertha BSC | Jarstein – Pekarik, Langkamp, Brooks, Plattenhardt – Skjelbred, Stark – Haraguchi (90.+4 Lustenberger), Darida, Kalou (90.+2 Mittelstädt) – Ibisevic (87. Esswein) |
FC Bayern | Neuer – Lahm, Hummels, Alaba, Bernat (78. Coman) – Kimmich (61. Alonso), Vidal (61. Lewandowski) – Robben, Thiago, Douglas Costa – Müller |
Bank | Ulreich – Rafinha, Martínez, Sanches |
Tore | 1:0 Ibisevic (21.), 1:1 Lewandowski (90.+6) |
Karten | Pekarik / Hummels, Lewandowski, Alonso |
Schiedsrichter | Patrick Ittrich (Hamburg) |
Zuschauer | 74.667 (ausverkauft) |