Letzte Pflichtspiel-Auslandsreise des Jahres: Das ist Rostov am Don
Am Mittwoch werden auch die Spieler der Bayern durch diesen Gang gehen: Denn hier spielt der FK Rostov, überraschender Vizemeister in Russland, ihr letztes Heimspiel in dieser Champions-League-Gruppenphase.
Das Stadion Olimp-2
Hätten Lewandowski, Robben und Co. nicht letzte Saison schon am Darmstädter Böllenfalltor gespielt, würde sich das „Olimp-2“ in der südrussischen Millionenstadt noch mehr wie ein Kulturschock anfühlen. Denn Champions-League-Niveau hat das 15.000-Zuseher-Stadion am Scholochowa-Prospekt, der östlichen Ausfallsstraße der Stadt, nicht.
Das fängt schon mit dem heruntergekommenen Zustand der Kabinen an – davon konnte ich mir vor ziemlich genau fünf Jahren selbst ein Bild machen, als die ÖFB-Frauen dort in der EM-Qualifikation zu spielen hatten. Es ist zwar natürlich nicht ausgeschlossen, dass seither diesbezüglich aufgerüstet wurde. Besonders wahrscheinlich ist das aber nicht, schließlich entsteht im Industriegebiet am anderen Ufer des Don-Flusses derzeit die moderne, neue WM-Arena für 2018.
Die Toiletten im Kabinentrakt geben einen Vorgeschmack darauf, was einen in den Garderoben selbst erwartet. Nur so viel: Nach dem Match damals verzichteten die österreichischen Nationalspielerinnen sogar darauf, sich in den Kabinen zu duschen – keine 15 Minuten nach dem Abpfiff saßen sie alle verschwitzt im Team-Bus und verlegten sämtliche Post-Match-Körperpflege in die Duschen im Don-Plaza-Hotel.
Das Spielfeld selbst wird von knapp über 15.000 blauen Sitzschalen umgeben, überdacht ist aber nur die Haupttribüne mit den VIP-Plätzen ist überdacht. Die Nordtribüne mit der Anzeigentafel ist eine echte Kurve, jene hinter dem südlichen Tor verläuft parallel zur Torlinie. Übertrieben groß ist weder die VIP- noch die Reporter-Sektion. Und wer geglaubt hat, diese würde mit eine Luxus-WC verwöhnt, wird enttäuscht: Durch einen schmalen Gang geht es in den Innenraum, einmal links abgebogen und durch die Glastür – und durch die unscheinbare Tür neben den VIP-Tischchen. Und was sieht man da? Dass Privatsphäre überschätzt wird.
Die Stadt Rostov
Rostov am Don ist die zehntgrößte Stadt Russland und hat, man glaubt es kaum, über eine Million Einwohner – ist also in etwa so groß wie Köln. Sie befindet sich am nördlichen Ufer des Don, der ein paar Kilometer weiter westlich ins Asowsche Meer fließt. Die Innenstadt selbst ist geprägt von höllischem Verkehr und drei großen Straßen in Ost-West-Richtung. Die wichtigste davon ist die südlichste, die Bolschaja-Sadowaja-Straße: An dieser befinden sich die Provinz-Verwaltung, das Rathaus, die größten Hotels, der Bahnhof und der nach Maxim Gorki benannte Stadtpark, dessen Eingang eine Lenin-Statue ziert.
Das Stadtbild wird geprägt vom Gegensatz zwischen modernen, neuen Hochhäusern und alten, halb verfallenen Gebäuden. Man sieht, wenn man durch die Stadt spaziert, sehr viele bis kurz vor die Unkenntlichkeit aufgebrezelte Frauen, die gefühlt siebeneinhalb Kilo Make-Up alleine im Gesicht spazieren tragen (nein, dieses Russland-Klischee kann ich nicht entkräften) und vielen alten Menschen, die bettelnd am Straßenrand sitzen.
Die Taxifahrer (ja, auch dieses Klischee stimmt, die einen Nicht-Einheimischen unverschämt ausnehmen und nur äußerst ungern Quittungen hergeben) sind zum größten Teil mit modernen City-Cruisern ausgestattet, wunderschön und neu, mit großen Dachfenstern, eingebautem Navi und brandneuem Radio. Die Polizei jedoch hoppelt mit alten, klapprigen Ladas aus Sowjet-Beständen durch die Stadt.
Und sonst…
Wenn man nicht auf den ersten Blick als Tourist erkennbar ist, kann man sich zumindest tagsüber ohne wirkliche Sorgen frei durch die Stadt bewegen – wenn man das möchte, denn viel gibt Rostov nicht her. Grundkenntnisse in Russisch sind empfehlenswert, denn mit dem Englisch ist es dort bei den meisten Menschen nicht weit her.
Eine besondere Show ist übrigens der Flughafen der Millionenstadt: Die Wartehalle könnte von ihren Ausmaßen und ihrer Shop-Auswahl her genauso am Bahnhof von Fürstenfeldbruck sein. Schon eine 25-köpfige Fußballteam-Delegation plus ein Journalist bringt das Flughafen-Personal schwer an die Grenzen ihrer Kapazität. Wie gut, dass nächstes Jahr der brandneue Flughafen, auch anlässlich der WM 2018, außerhalb der Stadt gebaut wird.
Fazit: Rostov ist eine Stadt, die man nicht gesehen haben muss mit einem Stadion, das in Deutschland selbst in der 3. Liga längst nicht mehr zeitgemäß wäre. Andererseits: Die Arena ist, genauso wie der an Provinzialität kaum zu überbietende Flughafen, in einem Jahr obsolet. Das kann man bedauern. Muss man aber nicht.
Wegen der abweichenden Zeitzone wird das Spiel am Mittwoch bereits um 18:00 MEZ angepfiffen.