50 Jahre Olympiastadion mit dem FC Bayern

Martin Trenner 29.06.2022

Manuel Veth am 18. Februar 1995 beim 1:5 vom TSV 1860 gegen Borussia Dortmund

Mein erstes Spiel im Stadion überhaupt war bei eurer blauen Konkurrenz. Ich weiss dass ich Wochen vor dem Spiel schon aufgeregt war, immerhin ging es gegen eine Dortmunder Mannschaft, und das kann man schon so sagen, die voller Weltstars war. Sammer, Riedle, Möller, Chapuisat, und Julio César waren alle in der Startelf. Dazu waren mit Zorc und Ricken noch zwei Spieler beteiligt die ja noch für Jahre, sogar Jahrzehnte die Bundesliga geprägt haben. Sammer war überragend, traf selber und war dann an drei Toren noch zusätzlich direkt beteiligt. 18 Monate später war er der Schlüsselspieler für Deutschlands EM gewinn und an dem Tag konnte man erkennen was für eine Klasse er hatte. 

Und die Löwen? Naja an dem Abend war ich mir eigentlich ziemlich sicher dass die Mannschaft von Werner Lorant direkt wieder absteigt, aber das hat ja dann noch ein wenig gedauert. An was ich mich sonst noch erinnern kann? Wir saßen sehr weit weg vom Geschehen und das Stadion war sehr kalt, da ist die Allianz Arena schon ein echtes Schmuckkästchen. Aber ich war von dem Stadion trotzdem fasziniert und hatte das große Glück noch viele weiter Spiele live zu erleben. 

Martin am 7. September 1996 beim 1:0 vom FC Bayern München gegen Arminia Bielefeld

An einem Samstag im September 1996 erlebte ich den Klassiker. Als kleiner Bua an Papas Hand zum ersten mal ins Stadion zu gehen, auch der Patenonkel und der Opa waren dabei. Mit 8 Jahren war schon die Anfahrt mit der U-Bahn ein riesiges Erlebnis. Doch als nach kurzem Spaziergang sich zum ersten mal die gigantische Haupttribüne ins Sichtfeld drückte, stand mir nur noch der Mund offen. Als offenes Stadion hat das Olympiastadion den Vorteil, dass man schon von Aussen weite Teile der Tribünen sehen kann.

Zum Spielverlauf ist wenig zu erzählen. Ein klassisches unspektakuläres Trapattonispiel, das der FC Bayern durch ein Tor von Christian Ziege mit 1:0 gewann. Fortan durfte ich in jeder Saison mindestens einmal ins Olympiastadion, erst in der letzten Saison vor dem Umzug wandelte ich mich dann zum regelmäßigen Zuschauer. 

Ohne Frage, der Bau der Allianz Arena war für den FC Bayern alternativlos und wichtig. Der wunderschöne Olympiapark mit dem Stadion, dem See und seinen Zeltdächern ist bis heute aber mein absoluter Lieblingsort in München. Sicher vor allem wegen der tollen Kindheitserinnerungen, die immer bleiben werden. Vielleicht wird mein Traum wahr und wir sehen eines Tages nochmal auf welche Art und Weise auch immer eine Mannschaft des FC Bayern dort nochmal spielen, selbst wenn es “nur” das Legendenteam ist.

Maurice am 17. Mai 2003 beim 2:1 vom FC Bayern München gegen den VfB Stuttgart

Mein Patenonkel wohnte Anfang der Nullerjahre in München und hatte mir den riesigen Traum erfüllt einmal ins Olympiastadion zu gehen, um ein Spiel meiner Bayern zu sehen. Also ging es damals mit Mama und Papa ins Auto und auf die lange Fahrt in die bayerische Hauptstadt. Auf der Fahrt glühte FIFA 2003 in meinem Gameboy. Ich wollte vorbereitet sein. Den englischen Garten, den meine Mutter so toll fand, kannte ich durch vorherige Besuche genauso gut wie den Tierpark Hellabrunn, in dem ich sonst mit meinem Onkel öfter war, doch jetzt ging es endlich zur wahren Attraktion in den Olympiapark.

Ich erinnere mich noch genau wie ich als kleiner Junge, natürlich standesgemäß mit frisch im Fan-Shop erworbenen Ballack-Trikot, durch die Eingangstore lief. Überall wimmelte es von Menschen. Alle waren rot-weiß gekleidet. Die Vorfreude war förmlich spürbar. Wir liefen zu unseren Plätzen und tatsächlich konnte ich meine Idole, die ich sonst nur aus ran kannte, nun aus nächster Nähe sehen. Den Torjubel meines damaligen Lieblingsspielers Giovanne Elber durfte ich dann sogar direkt zweimal bestaunen.

Da das Spiel das letzte Heimspiel der Saison war, bekamen meine Bayern nach dem Abpfiff sogar noch die Schale überreicht. Meister samma! Und dann kommt ausgerechnet der Titan mit eben jener Schale vor unsere Kurve, reckt die silberne Salatschüssel in den blau-weißen Himmel und schreit mit seiner Urgewalt “JAAAAAA!!!”. Ein Nachmittag, der sich für immer in meinem Gedächtnis einbrennen sollte.

Der Titan mit „dem Ding“.
(Bild: Stuart Franklin/Getty images)

Im Februar war ich das bisher letzte Mal in München. Bei leichtem, bitterkalten Nieselregen lief ich durch den Olympiapark zum Olympiastadion. Für einen kurzen Moment flackern die Erinnerungen an diesen sonnigen Maisonntag auf, meine Mundwinkel verzogen sich zu einem Schmunzeln und ich dachte mir wie schön es wäre, wenn die Bayern noch einmal in diesem Rund auflaufen würden.

Alex noch nie

Leider war ich in meinem Leben noch kein einziges Mal im Olympiastadion. Ich war überhaupt erst zwei Mal in München und ein Besuch an der Säbener Straße ist das nächste, was ich einem mit dem FC Bayern assoziierten Gebäude jemals gekommen bin. 

Aber kürzlich habe ich eine Folge des Podcasts „Nachholspiel“ gehört, in der es um das Olympiastadion ging. Natürlich beschäftigte sich die Sendung mit dem „Oly“ vornehmlich aus der Fußballperspektive und mit einem FC-Bayern-Bezug, aber es wurde auch ein wenig auf die Entstehungsgeschichte und den Olympiapark eingegangen. Das hat mich neugierig gemacht. Ich begann zu recherchieren.

Luftbild des Olympiaparks aus 2011
(Bild: CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Mit zunehmender Dauer meiner Recherche wuchs auch mein Ärger, dass ich es bisher noch nicht geschafft habe, das Olympiastadion und überhaupt das ganze Olympiagelände persönlich in Augenschein zu nehmen. Denn das Olympiastadion ist kein Solitär in der Landschaft, sondern eingebettet in ein größeres Ensemble, den Olympiapark, der mit der luftig-transparenten Architektur seiner zahlreichen Gebäude und Anlagen in Deutschland inzwischen unter Ensembleschutz steht. Besonders ins Auge fallen natürlich die ikonographischen Netzdächer von Frei Otto, einem der dank dieses unverkennlichen Stils bekanntesten deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts, die das Olympiastadion und weitere zentrale Anlagen des Parks in einer atemberaubenden Kombination von Ästhetik und Baukunst überwölben. Schon (oder gerade?) auf Fotos wirkt das ganze Gelände unheimlich faszinierend und drängt einen unbedarften Beobachter wie mich geradezu zu einem Besuch. (Das Olympiastadion selbst wurde übrigens vom Architekturbüro Behnisch und Partner entworfen, die zur gleichen Zeit parallel auch am Dortmunder Westfalenstadion mitgebaut haben, so klein ist die Fußballwelt.)

Aber es ist ja nicht nur die Architektur. Auch geschichtlich ist das Olympiastadion in mehrerlei Hinsicht erwähnenswert. Natürlich wären da zunächst die Olympischen Spiele von 1972 zu nennen, für die die ganze Anlage ursprünglich gebaut wurde, die mit der Geiselnahme von mehreren israelischen Sportlern durch die palästinensische Terrorzelle „Schwarzer September“ um im Gefängnis sitzende Bündnisgenossen in Israel und von der RAF freizupressen, und dem anschließend katastrophal in die Hose gegangenen Befreiungsversuch der deutschen Polizei am Militärflughafen Fürstenfeldbruck, bei der alle 11 israelischen Geiseln, fünf der acht Terroristen und ein deutscher Polizist ums Leben kamen, auf ihre ganz eigene, tragische Weise in die Weltgeschichte eingegangen sind. 

Zynischerweise war es übrigens gerade der luftig-transparente Geist, der die ganze Architektur des Olympiaparks durchströmte, der das Attentat deutlich vereinfachte. Denn als die ersten Olympischen Spiele auf deutschem Boden seit 1936 hatten diese Spiele nicht nur in Sachen Formensprache das Ziel, sich bewusst von der gigantomanischen, klotzartigen und von Ecken und Winkeln geprägten Architektur des Olympiageländes von 1936 in Berlin und dem ideologisch geschlossenen Wahn jener Zeit abzugrenzen und die positive politische und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands seither zu demonstrieren. Auch die Sicherheitsvorkehrungen auf dem ganzen Olympiagelände in München waren diesem Geiste verpflichtet nur sehr locker, was auch dazu führte, dass die Apartments der Sportler nicht abgeschlossen waren.

Mit ihrem modernen, offenen, luftigen und nach vorne strebenden Geist und Stil repräsentierten die Olympischen Spiele 1972 auch die ökologischen Vorstellungen ihrer Zeit. Sie waren als „Spiele im Grünen“ konzipiert und das Baugrundstück des Olympiaparks befand sich auf dem abgelegenen Oberwiesenfeld, einem Strukturentwicklungsgebiet im Norden Münchens, das zuvor weitgehend unbewohnt und vornehmlich durch verschiedene Formen fluglicher Nutzung geprägt war. Unter anderem landeten dort, wo sich heute das Olympiastadion befindet, 1938 Neville Chamberlain und Édouard Daladier auf dem Flughafen München-Oberwiesenfeld, um mit Hitler und Mussolini das „Münchener Abkommen“ auszuverhandeln, das den Deutschen das Recht gab, das Sudetenland von der Tschechoslowakei zu annektieren und diese dazu zwang, das Gebiet innerhalb von 10 Tagen militärisch zu räumen. Dieses Abkommen gilt heute als eines der zentralen Symbole der gescheiterten Appeasement-Politik der Westmächte vor dem II. Weltkrieg.

Das Olympiastadion selbst ist übrigens – gar nicht unähnlich zum Berliner Olympiastadion – ein Erdstadion, also ein Stadion, das zu Teilen in die Erde eingelassen ist oder in einer natürlichen Mulde liegt oder – wie in München – auf einem künstlich aufgeschütteten Hang, so dass es ohne großartige Hochbauten auskommt, weil die Sitzschalen direkt auf der Erde liegen können. Durch den Kontrast mit der transparenten Oberbebauung, getoppt von dem spinnennetzartigen Dach, und in Verbindung mit dem nahen Olympiasee erzeugt das Olympiastadion auf mich eine ganz eigene Faszination, die weit über seinen sportlichen Einsatzzweck und die Historie auf dem Platz und den Laufbahnen hinausgeht. Natürlich gibt es dutzende bessere Fußballstadien, das Olympiastadion ist für diesen Zweck sogar wohl nur schlecht geeignet, aber gibt es irgendwo ein stilistisch einmaligeres und im Zusammenspiel mit den Bauten und dem Gelände drumherum auf eine merkwürdig ruhige und gleichzeitig fesselnde Weise ästhetisch erhabeneres Stadion? 

Ich muss dringend nach München fahren.  

Christopher am 22. April 1995 beim 2:1 vom FC Bayern München gegen Borussia Dortmund

Ich war damals acht Jahre alt und für mich war es der erste Stadion-Besuch. Zugleich war es als Kind vom Dorf der erste Besuch in einer großen Stadt. Als Junge vom Dorf kannte ich Sport-Feste mit vielleicht 150 Zuschauern. An diesem Tag im April ging es ins ausverkaufte Olympia-Stadion mit 66.000 Zuschauern. Ich erinnere mich noch an den gefühlt kilometerlangen Marsch von unserem Parkplatz zum Stadiondurch durch den Olympia-Park. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor – und das war es vermutlich auch. Wir kamen reichlich spät. Kalkulierten Stau und Weg zum Stadion völlig falsch ein.

Kurz nach drei Uhr betraten mein Onkel, mein Vater und ich das Stadion. Wir hatten Karten für Block M, die Haupttribüne. Wir passierten die Einlasskontrolle und ich stand vor einer riesigen Videowand, so groß, dass sie mein Verstand kaum greifen konnte. Ich hatte Gänsehaut. Wir gingen dann zu unserem Block und tauchten ein. Das Stadion war tiefer als der Einlass. Eine Art Mulde. Es war wie ein Bad in einer großen Menge mit lauter Musik. “Go West” von den Pet Shop Boys knallte unüberhörbar aus den Lautsprechern. Auf dem Rasen schwitzen sich bereits beide Mannschaften an – und die Südkurve war schon bester Stimmung. Dass ich die Spieler kaum sehen konnte? Geschenkt. Es war diese wilde Mischung, die mich zum Fußballfan hat werden lassen, der ich noch immer bin. Auch knapp 25 Jahre später. Die Bayern gewannen am Ende mit 2:1 durch Tore von Zickler, der in der Halbzeit eingewechselt wurde, und Ziege. Die Tore wurden frenetisch bejubelt. Ich als Kind war wie im Rausch und begriff nur im Ansatz, was passiert ist. Der Anschluss von Ricken kurz vor Ende kam zu spät. Ich war das glücklichste Kind der Welt.

Christian Nandelstädt am 8. August 1987 beim 6:0 vom FC Bayern München gegen den Hamburger SV

In den 1980er Jahren in Ostwestfalen war München zu weit weg für einen 14jährigen, um Heimspiele des FC Bayern besuchen zu können. So war ich mit meinem Vater auswärts in Dortmund, Bielefeld, auf Schalke, in Bremen und Hannover gewesen, bevor ich erstmals das Münchener Olympiastadion erleben durfte. Es war der zweite Spieltag der Saison 1987/88. Der FC Bayern traf als Deutscher Serienmeister (1985-1987) auf den damals noch großen HSV. Eine vielversprechende Partie, hatte doch bei den Bayern Jupp Heynckes den zuvor überaus erfolgreichen Udo Lattek abgelöst. Beim HSV begann die Saison Eins nach Ernst Happel mit Trainer Josip Skoblar. Bereits einige Wochen zuvor trafen sich beide Teams beim Supercupfinale. Die Bayern gewannen 2:1. Das Spiel ging in die Geschichte ein, weil Uli Stein Jürgen Wegmann mit einem Faustschlag K. O. schlug, rot sah und 10 Wochen (!) gesperrt wurde. Es war sein letztes Spiel für den HSV. Verpflichtet als Nachfolger wurde ein gewisser Mladen Pralija aus Jugoslawien.

Mit meinem besten Freund und Bayern-Fan sowie dessen Vater reisten wir für ein Wochenende nach München. Ich erinnere mich noch an unsere Übernachtung in einem bayerischen Landgasthof. Bei unserer Ankunft erzählten wir der Gastgeberin von unserem Vorhaben, „Bayern gegen HSV“ zu besuchen. Die sehr alte Dame fragte in für mich kaum verständlichem Dialekt: „Is des a Fuaßboispui? Is des heit?“

Bei der Fahrt zum Olympiastadion war ich überwältigt von den Menschenmassen – so viele Bayernfans an einem Ort hatte ich noch nie gesehen. Es war ein erhebendes Gefühl, mit Commodore-Trikot und meiner großen Bayern-Fahne mit den vielen Kuttenträgern und den anderen Fans der Roten mitzulaufen. Immer das fantastische Zeltdach im Blick, was sich langsam näherte. Meine vorherigen Auswärts-Erlebnisse waren da weniger schön: Als Bayern-Fan war man in den 80ern Freiwild auf fremden Plätzen. Auch auf Kinder wurde keine Rücksicht genommen. In Dortmund und Bremen wurde ich von Hooligans attackiert, mir wurde Fahne und Schal weggerissen, selbst mein Vater wurde bedroht, als er mir helfen wollte. Damals gewöhnte ich mir an, nicht mehr mit Trikot oder anderen Fan-Artikel auswärts sichtbar aufzufallen.

Einmal in München – da hatten wir uns Plätze auf der Haupttribüne gegönnt. Block Y. Relativ weit weg vom Rasen, aber über mir das herrliche Zeltdach durch das die Sonne schien. Gab und gibt es ein schöneres Stadion auf der Welt? Die Südkurve zu sehen, wie laut der Support war unter der gigantischen Anzeigetafel – ich war restlos begeistert.

Das Spiel entwickelte sich schnell zu einer absurden Begegnung: Für den neuen Hamburger Torwart muss das Wort „Fliegenfänger“ erfunden worden sein. Es war ein Spiel auf ein Tor, das 2:0 zur Halbzeit war noch glücklich für den HSV. In der zweiten Halbzeit schossen Michael Rummenigge, Wohlfarth, Wegmann und Matthäus dann ein 6:0 heraus. Im Olympiastadion war Party-Stimmung.

Nach dem Spiel gingen wir von der Haupttribüne aus nach unten ins Stadion, irgendwie hatten wir uns verlaufen – und standen plötzlich in einer Art VIP-Bereich. Ich erinnere mich noch an eine Bar mit viel Chrom und Zigarettenrauch. Keine Ordner, man konnte einfach da herumlaufen. Und dann kamen einer nach dem anderen die frisch geduschten Bayernspieler herein. Mein Freund und ich konnten unser Glück kaum fassen: Völlig entspannt holten wir uns Autogramme ab – von Wegmann, Wohlfarth, Nachtweih und einem gewissen Hansi Flick. Anschließend fingen wir noch draußen auf dem VIP-Parkplatz Uli Hoeneß und Lothar Matthäus ab. Ein unvergesslicher Tag im Olympiastadion!

Und was war Dein erstes Spiel?

Haben die Berichte auch bei dir Erinnerungen an deinen ersten Stadionbesuch geweckt? Dann lass uns daran teilhaben und erzähl uns in der Miasanrot-Kurve davon!

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