Michael Ballack (FC Bayern)

24 Jahre FC Bayern – Adventskalender, Tür 6: Bye bye Ballack

Andi Trenner 06.12.2024

Im Adventskalender schauen wir im Jahr 2024 auf die vergangenen 24 Jahre. Dabei entscheiden sich unsere Autor*innen für einen Moment, der aus ihrer Sicht besonders war. Das muss nicht immer zwangsläufig der größte und wichtigste, sondern kann und darf auch einfach mal ein sehr persönlicher Moment sein.

Am 15. Mai 2006 verkündete der FC Chelsea die Verpflichtung von Michael Ballack und machte somit offiziell, was bereits lange klar war: Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft verlässt den FC Bayern. Ballack wollte in München partout nicht verlängern und in der Posse darum hatten wir von einem zurückgezogenen Vertragsangebot der Bayern über unwürdige Sticheleien der Bayern-Führung bis zu Fans vor Ballacks Zuhause und “Ballack raus”-Rufe im Stadion bereits alles gesehen. 

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Der Wechsel tat weh. Dem FC Bayern und meinem jungen Fan-Herz noch mehr. Was jedoch noch weit mehr schmerzte als der bloße Abgang des zu diesem Zeitpunkt einzigen deutschen Weltklasse-Spielers, war, dass ich ihn verstehen konnte. Ballack stand kurz vor seinem 30. Geburtstag, hatte in Deutschland bereits alles erreicht und jagte den Traum des großen internationalen Erfolgs. Neben einem Titel mit der Nationalmannschaft sollte es selbstverständlich die Champions League sein. Doch dafür standen die Chancen in München nicht besonders gut.

Nationaler Glanz, internationale Ernüchterung: Die Grenzen des FC Bayern

Der “Capitano” gewann in seinen vier Jahren in München zwar dreimal die Meisterschaft und genauso oft den DFB-Pokal, für mehr als ein Champions-League-Viertelfinale, in dem man Chelsea klar unterlegen war, reichte es im kontinentalen Vergleich allerdings nicht. Bayern dominierte auf nationaler Ebene, war aber keine europäische Spitzenmannschaft. Das führte mir dieser Wechsel schmerzlich vor Augen.

In London wartete der junge Startrainer José Mourinho, das schier unendliche Geld von Eigentümer Roman Abramowitsch und ein aufregender Mannschaftskern auf Ballack. Ein Team um Petr Čech, John Terry, Frank Lampard und Didier Drogba versprach auf absehbare Zeit immer, um den Henkelpott mitzuspielen. Neben diesen Namen, die eine Chelsea-Epoche prägten, standen Mourinho mit Ashley Cole, Ricardo Carvalho, Claude Makélélé und Andriy Shevchenko noch einige weitere Top-Spieler zur Verfügung. 

Durch den Vergleich mit dem Londoner Starensemble reifte bei mir die Einsicht, dass die Bayern vor dem gleichen Problem wie die deutsche Nationalmannschaft standen: Viele gute Spieler, aber zu wenige sehr gute. Ich mag mit der Behauptung, Ballack sei damals der einzige deutsche Weltklasse-Spieler gewesen, schon manchen von euch gegen mich aufgebracht haben. Damals aber sah ich niemand anderen auf seinem Niveau. Aus FCB-Sicht war Oliver Kahn schon zu alt und Philipp Lahm noch zu jung. 

Bei einer Pausenhofdiskussion hätte mein 15-jähriges Ich damals auf die Frage, welcher Bayern-Spieler auf seiner Position zu den Top 5 weltweit gehört, neben Ballack nur die Namen Willy Sagnol und Lucio in den Ring geworfen. Über den einen oder anderen ließe sich noch vortrefflich streiten, aber eine solche Dichte an Top-Spielern wie beim FC Chelsea war in München schlicht nicht gegeben. 

Ballack und Chelsea: Näher dran am Henkelpott

Uli Hoeneß warf Ballack zwar vor, er sei nur aus finanziellen Gründen gewechselt, das sportliche Geschehen in den nächsten Jahren gab jedoch Ballack recht. Die Chelsea-Dynastie um Terry belohnte sich zwar erst viel zu spät und ziemlich unverdient 2012 mit dem CL-Triumph, war allerdings bereits in Ballacks ersten drei Saisons bereits sehr nahe dran. Genauer: bis auf elf Meter dran.

Im ersten Jahr war es der Penalty-Shootout im Halbfinale gegen Liverpool, im zweiten sogar nur ein Wegrutschen von Terry am Strafstoßpunkt im Finale von Moskau und im dritten fehlte ein Elfmeterpfiff bei der Last-Minute-Halbfinale-Niederlage gegen Barcelona. Eingebrannt hat sich bei mir die Szene wie Ballack Schiedsrichter Övrebö nach der letzten und wahrscheinlich am wenigsten fragwürdigen Entscheidung bedrängte und endlich den Elfmeter forderte, den er zuvor bereits mehrmals hätte geben müssen. Die Reaktion war überzogen, aber ich konnte ihn wieder verstehen und litt mit ihm. Ballack und der internationale Titel – es sollte einfach nicht sein. 

2009/2010 in Ballacks vierter und letzten Chelsea-Saison war dann bereits im Achtelfinale gegen Inter Mailand Schluss. Das erste Mal seit dem Wechsel, dass der FC Bayern international besser abschnitt als Ballack mit den Londonern. Der Wind fing sich mit der Münchner Finalteilnahme langsam an zu drehen. 2006 war es allerdings der erfolgversprechendere Weg, zu Chelsea weiterzuziehen.

In den Jahren nach Ballacks Abschied gab es für die Roten nämlich wieder zwei Viertelfinal-Knockouts und einmal sogar nur eine UEFA-Cup-Teilnahme. Direkt 2006/2007 reichte es für die Bayern in der Liga nur zu Platz 4 und somit zum von Franz Beckenbauer als “Pokal der Verlierer” betitelten Wettbewerb. 

Dieser Misserfolg führte aber zu einem Umdenken beim FC Bayern und es wurde mehr Geld in die Mannschaft investiert. Ein Jahr nach Ballacks Abgang kamen Ribéry, Klose und Toni und läuteten den Beginn einer der erfolgreichsten Abschnitte in der Geschichte des Münchner Traditionsklubs ein. Es war also auch 2006 nicht alles so schlecht, wie ich damals dachte.



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