Heute 13:30 Uhr: Chelsea FC – FC Bayern Frauen
Meisterschaften, Pokalsieg, 26 Pflichtspielsiege in Serie – die Bayern Frauen haben in ihrer Klubgeschichte schon viel erlebt. Ein Champions-League-Finale zählt aber nicht dazu. Sollten sie am kommenden Sonntag das Ticket für Göteborg tatsächlich buchen, wäre das deshalb wohl der bisher größte Erfolg in der Historie des Klubs. Das wird allein schon deutlich, wenn Vereinslegende Carina Wenninger über das erste Champions-League-Halbfinale mit bayerischer Beteiligung im Jahr 2019 spricht. Die nationalen Titel waren Meilensteine, aber diese beiden Duelle mit Barcelona, wenngleich letztendlich mit negativem Ausgang, bleiben ihr besonders in Erinnerung.
Jetzt aber, zwei Jahre später, sind die Bayern reifer als damals. Zumindest haben sie das im Hinspiel andeuten können. Scheuers Matchplan ging über weite Teile auf – weil Chelsea womöglich etwas überrascht war. Die 5-3-2-Grundordnung hatte Bayerns Trainer schon länger nicht mehr ins Feld geführt. Vielleicht hatte Emma Hayes, Trainerin der Blues, eher mit einer offensiveren Ausrichtung der Bayern gerechnet.
Im Rückspiel wird sie jedoch vorbereitet sein. Hayes ist bekannt für Akribie und Detailversessenheit. Ihre Mannschaften sind taktisch meist hervorragend geschult, wissen genau, was sie in welcher Situation zu tun haben. Auch während des Spiels kommentiert sie die Szenen ihrer Mannschaft fast schon melodisch. Scheuer und die Bayern sollten deshalb nicht glauben, dass die Hinspiel-Taktik allein ausreichen wird. Die Münchnerinnen müssen im Rückspiel nochmal über ihre Grenzen hinauswachsen, um den historischen Einzug ins Finale zu packen.
Scheuers Grundidee gegen den Ball
Es ist dennoch damit zu rechnen, dass die Bayern erstmal ähnlich, wenn nicht sogar genau mit der gleichen Formation auflaufen werden wie am vergangenen Sonntag. Nicht nur der Erfolg gibt ihnen recht, sondern vor allem die mitunter sehr präzise Durchführung der Spielerinnen auf dem Platz.
Der Fokus wird erneut darauf liegen, Chelsea den Spielaufbau zu erschweren. In der ersten Aufbaulinie ließen die Bayern die gegnerischen Innenverteidigerinnen meist gewähren. Erst in der zweiten Ebene des Aufbaus setzte das Pressing von Scheuer so richtig an. Klara Bühl und Lineth Beerensteyn hatten als Doppelspitze die Aufgabe, die meist allein aufbauende Sechserin (flexibel besetzt, oft aber Melanie Leupolz) aus dem Spiel zu nehmen. Eine Reihe dahinter pendelte ein Dreiermittelfeld der Bayern immer so, dass die ballnähere Achterin Chelseas potentiell immer zwei Gegenspielerinnen hat.
Chelsea war dadurch gezwungen, in die grün markierten Zonen zu spielen, wo die Flügelverteidigerinnen sowie die aus dem Mittelfeld verschiebenden Spielerinnen häufig durch schnelle Reaktion und Überzahlsituationen Ballverluste erzwingen konnten. Bayern blieb in den guten Phasen des Spiels stets aggressiv und aktiv, sodass Chelseas Freilaufbewegungen fast immer gut verteidigt werden konnten.
Was mitunter aber aus Sicht der Engländerinnen gut funktioniert hat, ist das diagonale Abkippen der ballfernen Achterin. Im Rücken der Bayern-Spielerinnen hat Chelsea dann insbesondere in der ersten Halbzeit versucht, sich Räume zu erlaufen und schnelle Verlagerungen vorzubereiten. Diese kamen letztendlich zwar su selten, aber wenn die Blues sich mal auf der „Druckseite“ befreien konnten und verlagert haben, war Platz da.
Im Zentrum entzog sich Leupolz zunehmend dem Druck der beiden Stürmerinnen, indem sie den Aufbau situativ in erster Linie unterstützte – also zwischen den Innenverteidigerinnen eine Dreierkette bildete. Vor allem auf der linken Seite bemühte sich Chelsea, durch die immer wieder diagonal nach hinten kippende So-Yun Ji, Räume zu öffnen. Ji übernahm so teilweise die Position der Außenverteidigerin, während Jonna Andersson nach vorn schieben konnte. Das brachte Bayerns rechte Schienenspielerin Hanna Glas mehrfach in einen Konflikt: Trotzdem herausschieben, oder hinten absichern? Plötzlich zog sich auch das kompakte Dreiermittelfeld der Bayern ein Stück weit auseinander, weil der abkippenden Bewegung der Achterin aus dem Zentrum heraus gefolgt wurde. Chelseas Angreiferinnen positionierten sich indes clever für Anschlussoptionen.
So bekamen die Engländerinnen sukzessive Kontrolle in ihr Spiel. Wäre die erste Halbzeit noch ein paar Minuten länger gelaufen, hätte vielleicht das zweite Tor fallen können. Die Bayern müssen daraus fürs Rückspiel lernen. Viele Laufwege wirkten unvorbereitet und improvisiert. Auch wenn die Fünferkette hinten meist stabil stand, ist das Risiko durchaus gegeben, dass sich die individuelle Qualität der Chelsea-Offensive am Sonntag stärker durchsetzt. Die Mannschaft muss also auf solche veränderten Freilaufbewegungen eingestellt sein und vorbereitet werden. Wer geht dann mit Ji mit? Wer sichert dahinter ab? Wie wird im Zwischenraum durchgedeckt? Wie wird Chelsea der diagonale Weg von den Flügeln ins Zentrum versperrt? Diese Fragen sind für das Rückspiel entscheidend.
Darüber hinaus wird es darum gehen, möglichst oft aktiv zu bleiben. Wenn die Bayern von Beginn an nur versuchen, den Vorsprung ins Ziel zu bringen, wäre das ein Fehler. Am Sonntag waren sie deshalb so stark, weil sie immer wieder aktiv gepresst haben und mit dem Ball für Entlastung sorgen konnten.
Mehr Mut mit dem Ball
Denn auch wenn Chelsea favorisiert ist, weil sie über mehr Erfahrung verfügen, so müssen sich die Bayern-Spielerinnen keinesfalls verstecken. Am Sonntag haben sie bewiesen, dass sie in eigenen Ballbesitzphasen durchaus die Qualität haben, Gegnerinnen wie Chelsea hinterherlaufen zu lassen. Das ist neben schnellen Tempoangriffen wie beim 2:1 durch Hanna Glas ganz wichtig, um sich nicht in einem ewigen Schlagabtausch wiederzufinden. Ruhephasen, in denen die Bayern mal durchschnaufen, können sie sich in Ballbesitz erarbeiten.
Mit Marina Hegering (im Bild am Ball) haben die Münchnerinnen einen Trumpf im Spielaufbau, den sie öfter ausspielen sollten. Die Dreierkette ist insgesamt eigentlich ballsicher genug, um das Risiko einzugehen, Chelsea ein Stück weit herauszulocken. Gerade wenn auf die Flügel eröffnet wird packen die Engländerinnen meist aggressiv zu. Hegering hat sich in einigen Situationen clever ein paar Meter nach vorn ins Mittelfeld geschoben, um sich als Option für einen Kurzpass anzubieten. In zu vielen Fällen haben die Bayern aber direkt den Weg nach vorn gesucht und den Ball dann relativ schnell wieder verloren. Auch Seitenverlagerungen könnten sie häufiger einbringen, um vor allem die Qualitäten von Hanna Glas noch mehr ins Spiel zu bringen.
Ansonsten wird es für die Bayern darum gehen, die Kontersituationen konsequenter auszuspielen. Der letzte Pass, der letzte Kontakt, die letzte Genauigkeit im Abschluss – im Hinspiel waren mehr als zwei Tore möglich, aber immer wieder fehlten am Ende Nuancen.
Öffnet sich die Tür?
Die Bayern können mit viel Selbstvertrauen in dieses Rückspiel gehen. Klar ist aber auch, dass Chelsea aus dem Hinspiel seine Lehren gezogen hat. Umso wichtiger ist es, dass die Bayern diese Woche gut genutzt haben, um sich auf das einzustellen, was sie nun erwartet. Chelsea wird von Beginn an aggressiver, druckvoller und mutiger agieren wollen.
Bei allem berechtigten Lob für den 2:1-Sieg: Am Wochenende zählt es und dann ist die Herausforderung nochmal eine andere. Scheuer und seine Mannschaft können ganz befreit aufspielen. Der Druck liegt bei Chelsea, während die Bayern in der Champions League ihre Erwartungen bereits übertroffen haben.
So nah waren sie aber noch nie dran an der Tür, die ins Champions-League-Finale führt. Noch ein Spiel. Noch einmal so eine hervorragende Defensivleistung auf den Platz bringen wie am Sonntag. Noch einmal die Phasen aushalten, in denen die Mannschaft richtig leiden muss. Und dann geht diese Tür vielleicht auf. Es wäre ein Riesenerfolg. Vielleicht der größte der Klubhistorie.
Die Partie findet am Sonntag um 13:30 Uhr statt. Übertragen wird sie von Sport1 und auf dem YouTube-Kanal des FC Bayern München.