Vorschau: Zweimal Bremen für zwei Titelchancen

Justin Trenner 19.04.2019

An der Weser wurde man zu Saisonbeginn etwas belächelt. Nach Europa wolle man, sagte Frank Baumann Ende August auf einer Pressekonferenz. Das sei das Saisonziel. Trainer Kohfeldt wählte ähnliche Worte und begründete sie wie folgt: “Zuletzt hatte der Anreiz gefehlt. Wir haben nur weiche Ziele formuliert. Aber daran kann man sich nicht festhalten.”

Nun sind einige Monate seitdem vergangen und die klare Zielsetzung scheint dem ganzen Klub gut zu tun. Werder spielt tatsächlich eine Rolle im Kampf um die europäischen Qualifikationsplätze. “Normalerweise haben sechs, sieben Mannschaften ein anderes Budget mit einem anderen Kader und die machen die Plätze unter sich aus. Aber wir wollen da sein, wenn geschwächelt wird”, sagte Baumann damals. Unter den vor der Saison ausgemachten Konkurrenten schwächeln vor allem Leverkusen und Schalke. Aber auch ambitionierte Mannschaften auf Augenhöhe wie Hertha BSC bekommen ihr Potenzial nicht auf den Platz und Bremen ist tatsächlich da.

Platz 7, 46 Punkte, eine Tordifferenz von +11 – Werder hat nur 1 Punkt Rückstand auf Hoffenheim, die sich auf Platz 6 derzeit für die Qualifikationsphase der Europa League qualifizieren würden. Hinter Bremen lauern wiederum Leverkusen und Wolfsburg – beide jedoch mit einem um 8 Tore schlechteren Torverhältnis und 1 Punkt Rückstand. Darüber hinaus gibt es auch noch die Möglichkeit, dass Werder sich direkt über den Pokal oder durch Platz 7 in der Liga für Europa qualifiziert, wenn der HSV den Wettbewerb nicht gewinnt.

Werder ist auf einem guten Weg

Besonders positiv aus der Perspektive des nächsten Bayern-Gegners ist, dass immer noch Luft nach oben ist. Obwohl schon sehr viel richtig laufen musste, damit Werder eine solche Saison hinlegt, hat man das Gefühl, dass auf allen Ebenen noch ein weiterer Schritt möglich ist.

Fußballerisch brachten Kohfeldt und Baumann, der kluge Transfers tätigte, das Team diese Saison aber auf eine neue Stufe. Seine Schlüsselspieler weiß der Trainer gut einzusetzen und er stellt das Team flexibel auf den Gegner ein. Zuletzt ließ er in einem variablen 4-4-2-System mit Mittelfeldraute spielen – einer Grundordnung, aus der seine Spieler gut agieren können.

Besonders gut funktionierte die Raute mit Bargfrede als Spielgestalter und Antreiber auf der Sechs sowie Kruse auf der Zehn. Flankiert wurden die beiden meist von Klaassen und Maximilian Eggestein, die für die Balance und Dynamik nach vorn zuständig sind. Sie schließen die Halbräume gegen den Ball und sorgen für Überzahl in offensiveren Zonen bei Ballbesitz. Der Ballvortrag nach vorn wirkt insgesamt viel sicherer und strukturierter als in den Vorjahren. Das liegt auch daran, dass Kohfeldt von seinen Spielern Mut zum Kurzpassspiel und Dreiecke auf dem Platz verlangt.

Kruse weiterhin der Schlüssel – auch für den Gegner

Max Kruse ist zwischen den beiden Stürmen und den drei weiteren Mittelfeldspielern das Zentrum des Spiels. Er agiert in einer Art Freigeist-Rolle, in der er selbstständig Entscheidungen trifft, die Werders Spiel meist gut tun. Kruse kippt heraus, lässt sich fallen, überlädt die Spitze und verändert so das System punktuell zu einem flachen 4-4-2 oder dem offensiveren 4-3-3 – er ist fast überall, wo es gefährlich wird. Doch er ist nicht unantastbar.

Spricht man bei Werder über ungenutztes Potenzial, dann muss man auch die Abhängigkeit von Kruse thematisieren. Gute Fußballer sorgen auf eine völlig natürliche Art und Weise dafür, dass ihre Mannschaft von ihnen abhängig ist. Das Problem: Nimmt sie der Gegner aus dem Spiel, entsteht nicht selten Ratlosigkeit in den eigenen Reihen. Das wird auch bei Werder deutlich. Ist Kruse aus dem Spiel genommen, wirkt das Team von Kohlfeldt deutlich ideenloser und lethargischer als sonst. Kruse ist einerseits der Schlüssel für den Erfolg, andererseits aber auch der Schlüssel für die Gegner. Hier ist Werder nicht flexibel genug.

Rashica, Harnik, Bartels, Johannes Eggestein und selbst der ewigjunge Pizarro – es ist nicht so, dass die Bremer keine Qualität um Kruse herum hätten. Und doch gelingt es ihnen nicht, die Abhängigkeit im Spiel nach vorn noch mehr von ihm zu lösen. Schaffen die Bayern es also Kruse zu isolieren, haben sie bereits viel gewonnen. Das soll im Umkehrschluss aber nicht bedeuten, dass die anderen Spieler außer Acht gelassen werden dürfen.

Sahin als möglicher Schwachpunkt

Spannend war zuletzt aber auch der Umgang Werders mit dem Ausfall von Bargfrede. Es ist noch nicht klar, ob Kohfeldt bereits am Wochenende das Risiko gehen wird ihn einzusetzen. Wahrscheinlicher ist ein erneuter Einsatz Nuri Sahins auf der Sechserposition. Für Bremen nicht ganz unproblematisch.

Denn Sahin neigt dazu, sich in den falschen Augenblicken in die Viererkette fallen zu lassen und undiszipliniert herauszurücken. Gerade im Spiel gegen Gladbach wurde deutlich: Der ehemalige Dortmunder gibt dem Mittelfeld gegen den Ball nicht die notwendige Stabilität. Mehrfach wurde er überlaufen oder zu Fehlern gezwungen.

Nun war Bayern in den letzten Wochen und Monaten nicht dafür bekannt, genau diesen Raum bevorzugt zu bespielen. Die meisten Angriffe der Münchner laufen über die Flügel oder über die Halbräume. Es könnte aber durchaus sinnvoll sein, am Wochenende um Sahins Position herum nach Räumen zu suchen. Gerade Müller ist dafür natürlich der ideale Mann.

Das Doppel-Duell

Während bei den Bayern der Fokus wohl etwas klarer auf der Liga liegt, dürfte Bremen wenige Tage später im Pokal die größere Möglichkeit sehen, den Rekordmeister und Rekordpokalsieger zu stürzen. Auch das könnte die beiden Partien durchaus beeinflussen.

Rotiert Kovač vor dem Pokal? Wahrscheinlich wird er auf dieselbe Elf setzen, die zuletzt erfolgreich war. Lediglich die Ausfälle von Neuer und Hummels könnten für Veränderungen sorgen. Bei den Bremern gibt es dahingehend mehr zu spekulieren. Setzen sie auch gegen den FCB auf ihr zuletzt bewährtes 4-4-2 mit Raute? Wer bekleidet dann die Rolle des Sechsers? Welche taktischen Kniffe denkt sich Kohfeldt aus, um den Bayern die Isolation Kruses nicht so einfach zu machen und Sahin, der möglicherweise im ersten Spiel eingesetzt wird, besser zu unterstützen?

Werder ist in dieser Spielzeit mutig. Das haben sie mit ihren Aussagen vor der Saison bereits angedeutet und durch ihre spielerische Entwicklung in den letzten Monaten bewiesen. Seit 14 Pflichtspielen ist Bremen nun schon ungeschlagen – darunter Auswärtssiege bei Leverkusen und Dortmund (nach Elfmeterschießen). Wollen sie die Bayern in beiden Duellen ärgern, werden sie diesen Mut brauchen.

Auftakt in entscheidende Wochen – für beide

Für Werder geht es vorrangig um Europa. Bei den Münchnern hingegen um Titel. Mit einem Ausscheiden im Pokal am Mittwoch wäre das Double nicht mehr möglich. Und auch eine Niederlage am Samstag würde sie im Kampf um die Meisterschaft möglicherweise ins Hintertreffen bringen.

Gewinnen sie allerdings beide Spiele, gibt das den nötigen Push für die letzten Aufgaben der Saison. Die Bayern haben zuletzt ordentlich Selbstvertrauen getankt. Sie nutzen ihre Chancen mit einer unvergleichlichen Effizienz und verbreiten in der Liga wieder Angst und Schrecken. Das Resultat: Die Gegner agieren wieder von Beginn an viel zu defensiv – selbst Borussia Dortmund.

Bleibt Bremen seinen Worten und seinem Mut treu, unterläuft ihnen dieser Fehler sicherlich nicht. Und dann erwartet die Bayern nicht nur einer, sondern gleich zwei heiße Tänze. Werder hat der Bundesliga bewiesen, dass es durchaus Sinn macht sich hohe Ziele zu stecken und ambitioniert zu sein. Sich selbst kleinzureden haben sie anderen überlassen. Gegen die Bayern spielen sie auch deshalb zweimal um die Chance, sich für Europa zu qualifizieren. Das Doppel-Duell ist der Auftakt in entscheidende Wochen – für beide Teams. K.O.vač gegen K.O.hfeldt – wer knockt am Ende wen im Kampf um die Saisonziele aus?

Das Thesen-Duell

Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Justin gewählt.

Ergebnisse der letzten Vorschau: Justin 3,6 – 4,6 Fatbardh

Zwischenstand insgesamt: Justin 108 – 98,6 Fatbardh

Die Thesen fürs Pokalspiel folgen in diesem Artikel spätestens am Dienstag.

Justins Tipps

  1. Torschütze: Serge Gnabry
  2. Freie These: Bremen trifft.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Ulreich – Kimmich, Süle, Boateng, Alaba – Thiago, Martínez – Müller – Gnabry, Lewandowski, Coman

Fatbardhs Tipps

  1. Torschütze: Thomas Müller
  2. Freie These: Bayern trifft nach Standard.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Ulreich, Kimmich, Süle, Boateng, Alaba, Thiago, Martinez, Müller, Gnabry, Lewandowski, Coman

Justins Tipps fürs Pokalspiel

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Bremen kommt ins Finale.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Ulreich – Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba – Thiago, Martínez – Müller – Gnabry, Lewandowski, Coman

Fatbardhs Tipps fürs Pokalspiel

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Das Spiel geht nicht in die Verlängerung.
  3. Über/Unter 2,5: Unter!
  4. Aufstellung: Ulreich, Kimmich, Boateng, Hummels Alaba, Thiago, Martinez, Müller, Gnabry, Lewandowski, Coman


Die Miasanrot-Redaktion wünscht allen Leser*innen ein frohes Osterfest!

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