Vorschau: Borussia M’Gladbach – FC Bayern München

Justin Trenner 24.11.2017

Zunächst wäre da mal das Gesetz der Serie. Jupp Heynckes brachte das Selbstverständnis zurück an die Säbener Straße. Selbst mit weniger überzeugenden Auftritten, wie jetzt am Mittwoch gegen Anderlecht, konnten die Münchner wieder gewinnen.

Doch Gladbach ist nicht zu unterschätzen. Aktuell stehen sie auf Platz 4 in der Tabelle und haben Borussia Dortmund damit überholt. Es lohnt sich also, die Stärken des nächsten Gegners zu beleuchten.

Hecking-Ball mit besten Bedingungen

Dieter Hecking liebt das Spiel über die Flügel. Seine erfolgreichsten Zeiten erlebte er beim VfL Wolfsburg, als Kevin de Bruyne die Bundesliga fast im Alleingang zerlegte. Später, als die individuelle Klasse des Kaders abbaute, verschwanden die Wölfe allerdings im Mittelmaß.

In Gladbach sind seine Möglichkeiten deutlich besser. Der Kader ist nicht nur breit aufgestellt, sondern technisch hervorragend geschult. Die Spieler sind intelligent, bewegen sich gut und passen zueinander. Zudem sind da unter anderem mit Stindl, Raffael, Hazard und Kramer sehr begabte Individualisten am Werk.

Die Voraussetzungen für eine gute Ballzirkulation sind also allein deshalb schon gegeben, weil die Spieler überdurchschnittlich gut sind. Weiterhin ist es so, dass die Philosophie des Klubs seit Jahren auf kombinativen Fußball ausgelegt ist. Seit Favre wird viel Wert auf das Passspiel gelegt.

Gladbach spielt aktuell eine recht erfolgreiche Variante des Hecking-Balls (75% der Angriffe laufen über die Außenbahnen; 44% über die rechte Seite), weil sie sich trotz allem nicht von zu vielen Flanken abhängig machen. 15 Hereingaben von den Flügeln sind pro Spiel ein Wert, der annehmbar ist, zumal jede dritte von ihnen einen Abnehmer findet.

Dieter Hecking steht nicht für taktische Innovation oder Flexibilität, doch er kann mit individueller Klasse umgehen und sie zu einem Team formen.
(Foto: Boris Streubel / Bongarts / Getty Images)

Der Hauptgrund für den Erfolg ist aber die Flexibilität der Spieler in Ballbesitz. Gerade Stindl und Raffael verstehen es sensationell gut, ihr Team in den richtigen Zonen zu unterstützen. So schafft es Gladbach immer wieder, die Halbräume zu überladen oder diagonale Passwege durch die gegnerische Formation zu öffnen. Obwohl Hecking sein 4-4-2- beziehungsweise 4-2-3-1-System nie verändert, entsteht so gewissermaßen eine taktische Variabilität.

Können sie ein Mal Überzahl im Zentrum kreieren, ist ihre Ballzirkulation kaum noch aufzuhalten. Gladbach kann nämlich, was viele Bundesligisten nicht mehr können: aus eigenem Ballbesitz Chancen herausspielen. Während dem Großteil der Liga Kombinationen und Ballbesitz fremd sind, weiß die Borussia genau, wie sie Räume öffnen kann. Zwischen 116 und 117 Kilometer spulen die Fohlen pro Spiel ab, was nicht nur überdurchschnittlich, sondern auch sehr wichtig für das eigene Spiel ist.

In einer Liga, in der immer häufiger mit Mannorientierungen gespielt wird, steht Gladbach deshalb so weit oben, weil sie sich nicht nur viel, sondern auch klug bewegen.

Und trotzdem sind da Probleme, die daran zweifeln lassen, ob sie die Position vor Dortmund und Hoffenheim halten können. So ist die scheinbare Flexibilität des Spiels halt sehr abhängig von Individuen. Fallen wichtige Spieler aus, kann die Borussia das nicht so gut kompensieren. Das liegt auch daran, dass Hecking eben nur diesen einen Plan für sein Team vorgesehen hat. Er korrigiert höchstens mit Wechseln und somit durch andere Spielertypen, aber nicht durch echte Systemwechsel.

Hinzu kommt, dass Gladbach speziell gegen den Ball deutlich schwächer geworden ist. Auf 21 geschossene, kommen eben auch 21 kassierte Tore. Auch bei Expected Goals, einer Metrik, die versucht, Chancenqualität zu messen, liegt die Borussia bei 19 erwarteten Gegentoren (dritthöchster Wert der Liga). Das liegt auch daran, dass sie gegen Dortmund und Leverkusen zwei Mal arg unter die Räder gerieten. Doch die Probleme gab es auch in anderen Spielen zu sehen.

Häufig fehlt der Zugriff, weil die Wege zu weit werden. Hecking steht für ein enges 4-4-2, das mit viel Intensität und Laufarbeit verbunden ist. Wenn der Ball auf einer Seite ist, schieben die ballfernen Gladbacher so weit in die Zentrale, dass es bei Seitenwechseln gefährlich wird. Dabei entstehen nämlich zwangsweise Lücken. Hier liegen dementsprechend auch die großen Chancen für den FC Bayern.

Die Bundesligisten im Vergleich.

So gewinnt der FC Bayern in Gladbach

1. Variabel, schnell und sicher spielen

Unter Jupp Heynckes ist der Rekordmeister wieder selbstbewusster geworden. Obwohl die Ballzirkulation schon deutlich sicherer geworden ist, ist sie aber noch nicht sicher genug. Viele einfache Fehlpässe schleichen sich immer wieder in das Spiel des FCB. Verschärft wird diese Problematik, wenn Tolisso und Vidal gleichzeitig auf dem Platz stehen. Das ist nicht neu, doch wegen der Verletzung Thiagos aktueller denn je.

Heynckes muss taktisch und spielerisch Lösungen finden. Gladbach wird auf diese Art von Ballverlusten lauern und kann sie eiskalt ausnutzen. Sie werden sich um den Sechser-Raum formieren, um bei Zuspielen auf Vidal, Tolisso oder Martínez – je nachdem, wer auf dem Platz steht – zuzupacken. Rudy und James, die beide wegen ihrer Sicherheit am Ball prädestiniert für ein Duell mit Gladbach sind, werden deshalb eine hohe Verantwortung übernehmen müssen. Sie sind dafür zuständig, den Druck des Gegners aufzulösen.

Ebenfalls problematisch ist die Ausgangslage auf den Außenpositionen. Robben fällt erstmal aus, Ribéry und Coman sind nicht bei 100%. Gerade hier ist die Borussia aber anfällig, weshalb der FC Bayern etwas umdenken muss. Eine Möglichkeit wären einrückende Außenspieler. James könnte auf der rechten Seite immer wieder Räume für Kimmich öffnen. Neben der Isolierung des Rechtsverteidigers sind aber auch schnelle Seitenverlagerungen ein sehr erfolgreiches Rezept gegen Heckings Fußball.

Die Münchner müssen das Tempo hochhalten, dabei aber auch Sicherheit ausstrahlen. Nur dann können sie die hohe Laufintensität der Gladbacher für sich nutzen. Wenn ihnen die Eins-gegen-Eins-Spieler auf den Flügeln ausgehen, müssen sie halt spielerische Lösungen finden, den dort vorhandenen Platz zu nutzen.

2. Nicht zu mannorientiert verteidigen

Wie bereits erwähnt, kann Gladbach mit Mannorientierungen umgehen. Sie lieben es, den Gegner mit vielen Positionswechseln und einstudierten Laufwegen durcheinander zu bringen. Umso wichtiger wird es sein, dass das Heynckes-Pressing strukturiert bleibt.

Auch hier wird die Besetzung im Mittelfeld mitentscheiden. Vidal lässt sich eher mal aus seiner Position ziehen als Rudy oder Tolisso. Gegen die Borussia wird eine disziplinierte, organisierte und sichere Defensive gebraucht, die ihre Gegenspieler effektiv übergibt und die wichtigen Räume eng verteidigen kann, ohne woanders zu große Lücken aufzureißen.

3. Dominanz, Selbstbewusstsein und Effektivität

Bei allem Respekt vor Gladbachs Kader, ihrer bisherigen Leistungen und der eher schwachen Bilanz des FC Bayern in diesem Stadion: Bringen die Münchner ihre durchschnittliche Heynckes-Leistung auf den Platz, dürfte wenig anbrennen. Ja, Borussia Mönchengladbach steht auf Platz 4 der Liga. Und ja, gerade die Bayern haben häufig alt gegen die Fohlen ausgesehen.

Doch letztendlich ist die Hecking-Elf nicht mehr, als ein Nutznießer des schwachen Niveaus der Bundesliga. Sie spielen zumeist ordentlich, haben einige feste Abläufe und wissen – nicht zuletzt wegen der individuellen Klasse – ein bisschen was mit Ballbesitz anzufangen. Das reicht in Deutschland derzeit, um in die Spitzengruppe zu stoßen. Das lässt sich neben Gladbach auch an Schalke 04 erklären. Oder an Hoffenheim, die lange nicht so stabil spielen wie in der vergangenen Saison und trotzdem auf Platz 6 stehen.

Was wiederum mehr als Kritik an der Bundesliga zu verstehen ist und nicht an der Borussia. Gladbach hat viel Potential und könnte, wenn sie es konstanter abrufen, noch besser sein. Dass sie jedoch nicht an ihr Maximum kommen und trotzdem so gut dastehen, ist ein Signal für die Liga.

Der FC Bayern muss am Wochenende seine Leistung abrufen, um einen weiteren Sieg einzufahren. Spannend wird es dennoch, weil Heynckes wichtige Spieler ersetzen muss. Der Kader kommt auf einigen Positionen langsam an seine Grenzen. Doch bekommen die Bayern ihre Dominanz auf den Platz und sind sie weiterhin so effektiv vor dem Tor, wird es für Gladbach wenig zu holen geben.

 

Auch diese Woche leider kein Expertentipp. Ich hatte gerade so Zeit, den Text zu verfassen. Deshalb bitte ich um Euer Verständnis und versuche, das Drumherum schnellstmöglich wieder mitzuliefern.