Die Vorschau: Uniteds Identitätskrise und Moyes Möglichkeiten

Steffen Trenner 31.03.2014

Ein positives Momentum ist jedoch gewiss nicht alles. Fußballerisch spricht im Duell der beiden Rekordmeister sehr viel für die Elf von Pep Guardiola. United spielt zumindest in der Liga die schlechteste Saison seit über 20 Jahren.

Personeller Umbruch misslungen

Das Karriereende von Alex Ferguson, der den Club jahrzehntelang prägte, hat das erwartete Loch gerissen. Die Probleme der aktuellen Mannschaft gehen jedoch tiefer. Die Red Devils haben den Generationswechsel verpasst. 2011 erreichte Manchester zuletzt das Finale der Champions League. 8 Spieler, die damals beim 1:3 gegen Barcelona auf dem Platz standen, gehören auch heute noch zum Kader. Aus der Final-Truppe von 2009, als United ebenfalls gegen Barcelona verlor, sind es immerhin noch 6. Seit 2011 schied die Ferguson-Elf in der Champions League einmal in der Vorrunde und einmal im Achtelfinale aus. Alarmsignale, die überhört wurden – auch weil es 2013 in der Abschiedssaison von Ferguson durch einen Kraftakt noch einmal zum Titel in der Premier League reichte. Rio Ferdinand (35), Nemanja Vidic (32), Patrice Evra (32) und Michael Carrick (32) haben ihren Zenit überschritten und besetzen trotzdem nach wie vor Schlüsselpositionen. Selbst Ryan Giggs spielt mit 40 Jahren noch immer eine durchaus gewichtige Rolle.

Die Nachfolge-Generation mit Smalling (24), Jones (22), Rafael (23) oder Cleverly (24) wurde den Erwartungen gerade international bisher nicht gerecht, Neuzugänge wie Kagawa oder Fellaini haben bis heute enorme Anpassungsprobleme oder werden falsch eingesetzt. Was bleibt, ist ein Trio aus Mata, Rooney und van Persie, das die Mannschaft in den letzten Monaten trug. Mata (nicht spielberechtigt) und van Persie (verletzt) werden gegen den FC Bayern nicht zur Verfügung stehen. Man United ist derzeit siebter in der Premier League. Das ist tiefstes Mittelmaß. 10 Niederlagen, darunter zwei 0:3-Pleiten gegen Manchester City und Liverpool sowie ein 1:3 gegen Chelsea allein im Jahr 2014. Immerhin die Auftritte in der Champions League waren trotz des 0:2 gegen Piräus bisher ordentlich. Dennoch: United fehlt eine spielerische Identität.

United und die Suche nach der Nische

Dem neuen Coach David Moyes ist es bisher nicht gelungen der Mannschaft eine Identität zu verleihen, die zu ihr passt. Er setzt meist auf ein klassisches 4-2-3-1, passt sein Team nur selten, wie zuletzt beim 0:3 gegen Manchester City, als er überraschend auf ein 4-3-3 setzte, an. Moyes will, dass seine Mannschaft das Spiel mit einer Mischung aus physischer Stärke im Zentrum und individueller Klasse in der Offensive dominiert. Das Problem ist, dass das sehr viele Mannschaften inzwischen viel besser können, als das alternde United. Manchester City und Liverpool, aber auch das defensiv starke Chelsea unter Mourinho sind dafür die besten Beispiele. Moyes hat bisher keine Nische gefunden, um die spielerische Identität Uniteds zu erneuern. Der Kader wirkt dysfunktional. Das Pressingsystem ist harmlos. Für eine Kontermannschaft fehlt Manchester mit Spielertypen wie Fellaini, Carrick, Mata oder van Persie das Tempo und die Direktheit im Angriff. Für eine Ballbesitz-Mannschaft fehlt in der Offensive häufig das kreative Element, weil zum Beispiel ein effektiver Tempodribbler a la Ribéry oder Robben fehlt. Die Folge sind absurde Rekorde, wie die 81 ergebnislosen Flanken, die die Moyes-Truppe im Februar beim 2:2 gegen Fulham in den Strafraum hebelte. Dass Manchester in 32 Premier League-Spielen 35 Tore weniger geschossen hat als Spitzenreiter Liverpool unterstreicht die Probleme.

Ausfall von van Persie als Chance für Manchester?

Nach den Eindrücken der letzten Wochen ist für mich eines völlig klar: Wenn Manchester sich gegen Bayern auf ein Duell auf Augenhöhe und einen Kampf um mehr Ballbesitz und Spielkontrolle einlässt, wird Bayern dieses Viertelfinale klar für sich entscheiden. Der FC Bayern München ist in dieser Hinsicht inzwischen die klar bessere Mannschaft und in der Lage Manchester im Mittelfeldzentrum zu dominieren und dazu auf den offensiven Flügeln auseinanderzunehmen. Aus meiner Sicht ist jedoch eine Anpassung bei United denkbar, die Bayern deutlich stärker Probleme bereiten könnte. Der Ausfall von Robin van Persie, der sein Team mit einem Hattrick gegen Piräus noch ins Viertelfinale rettete, könnte hier durchaus eine Chance für die Moyes-Elf sein. Van Persie ist ein sehr guter Stürmer, der seinen Schwerpunkt aber im Verlauf der letzten Jahre immer stärker in den Strafraum verlegt hat. Er ist inzwischen ein recht klassischer 9er geworden auf den man sich gut einstellen kann. Ohne ihn und ohne den häufig verschleppenden Mata hat Moyes die Chance sein Team komplett auf eine Umschaltmannschaft zu trimmen. Mit Rooney als bulligem Stoßstürmer. Mit den dynamischen Welbeck, Januzaj oder Valencia auf den Flügeln. Mit Carrick, Fellaini oder Giggs als Rückgrat. Und einem Spieler im kreativen Zentrum, der den Münchenern in den Vergangenheit schon häufig richtig weh getan hat und der zuletzt deutlich aufsteigende Form bewies: Shinji Kagawa. Ich bin gespannt ob Moyes diese Chance erkennt und bereit ist seine Spielidee zu verändern.

Guardiola vor zwei Richtungsentscheidungen

Pep Guardiola steht selbst vor zwei Richtungsentscheidungen. Durch den Ausfall von Thiago, der mit Sicherheit gesetzt gewesen wäre, könnte Philipp Lahm erneut ins Zentrum rücken. Ich persönlich würde das ausdrücklich begrüßen, da er sich mit Schweinsteiger auf der leicht versetzten 6 deutlich besser ergänzt als die Kombination Schweinsteiger/Kroos, die vor allem im Gegenpressing Schwächen hat. Wie gut allerdings ein Dreieck aus Schweinsteiger, Lahm und Kroos funktionieren kann, sah man zum Beispiel in der Champions League-Vorrunde bei Manchester City oder zuletzt in Berlin beim 3:1-Erfolg unter der Woche.

Die zweite Richtungsentscheidung betrifft einmal mehr das Sturmzentrum. Mandzukic, Müller und Götze heißen hier die Auswahlmöglichkeiten. Ich tendiere gegen die kopfballstarke aber durchaus hüftsteife United-Viererkette für eine spielerische Variante mit Müller oder Götze. Mandzukic Stärke im Pressing könnte wiederum für den Kroaten sprechen. Den gesperrten Dante wird wohl Javi Martínez in der Innenverteidigung ersetzen. Nicht auszuschließen ist, dass Pep wie zuletzt einmal mehr alle überrascht.

Am Dienstag-Abend wissen wir mehr. Der FC Bayern geht als Favorit in das Duell mit Manchester United. Das sagt sehr viel über die Entwicklung dieser beiden Mannschaften in den vergangenen vier Jahren aus. Passieren kann in der K.o.-Runde alles. Die Nervosität ist deshalb zumindest bei mir relativ groß.

Pack ma’s.