TSG 1899 Hoffenheim – FC Bayern 1:0 (1:0)

Steffen Trenner 04.04.2017

Individuelle Klasse gegen hoch ambitionierten Komplettfußball. Es lag einiges in der Luft vor dem Spiel und das Duell auf dem Rasen enttäuschte nicht. Mit schlechtem Ausgang für die Bayern.

Falls ihr es verpasst habt:

Während Julian Nagelsmann auf Überraschungen verzichtete und die erfolgreiche Elf vom Spiel gegen Hertha von Beginn an brachte, tauschte Ancelotti wie erwartet durch.

Thiago, Kimmich, Boateng, Ribéry, Lahm und der angeschlagene Müller wurden ersetzt durch Vidal, Xabi Alonso, Renato Sanches, Javi Martinez, Rafinha und Robben. Zudem kehrte Alaba zurück auf seine angestammte linke Seite.

Ulreich stand zum zweiten Mal, wie erwartet, für den verletzten Manuel Neuer in der Startelf.

FC Bayern gegen 1899 HoffenheimHoffenheim gegen Bayern – Grundformationen

Die Münchner positionierten sich zu Beginn in einem recht klaren 4-2-3-1 mit Vidal vor Sanches und Alonso. Hoffenheim agierte im gewohnt variablen 3-5-2 und lauerte vor allem in Bayerns 8er-Räumen auf Ballgewinne und Umschaltmöglichkeiten.

Kramaric hatte nach sieben Minuten die erste gute Chance, als er den Ball nach einem Fehlpass von Sanches aus 18 Metern neben das Tor setzte. Nur eine Minute später riss Amriri mit einem tollen Lauf die Münchner Viererkette auf und scheiterte völlig frei am gut heraus laufenden Ulreich (9.).

Auf der Gegenseite dauerte es bis zur 14. Minute, ehe Vidal nach einer Alaba-Flanke frei vor Baumann auftauchte und den Ball nur noch akrobatisch abfälschen konnte. Eine Minute später prüfte der Chilene Baumann mit einem Fernschuss.

In der 21. Minute klingelte es dann auf der Gegenseite. Kramaric pflückte einen zu kurz abgewehrten Ball herunter und drosch den Ball aus 20 Meter in die Maschen. Sven Ulreich sah bei dem scharf, aber relativ zentral geschossenen Ball nicht gut aus.

Die TSG fühlte sich nun immer wohler in ihrem Spiel und konzentrierte sich auf kompaktes Verteidigen und wohl dosierte Nadelstiche. Demirbay hätte in der 41. Minute das 2:0 erzielen müssen, scheiterte nach schöner Kombination am glänzend reagierenden Ulreich.

Auch die Münchner bekamen noch ihre Großchance, als Coman nach einem Ballgewinn Süle auseinander nahm und Lewandowski seine Hereingabe nur an die Latte schob (45.).

Dann war Pause.

Bayern kam sichtlich bemüht aus der Kabine das Tempo etwas zu erhöhen. Es blieb jedoch dabei. Wenn sich eine Chance bot, dann vor allem im Umschaltspiel, wenn die Hoffenheimer Ordnung fehlte.

Robben fand nach so einer Situation Lewandowski im Zentrum, dessen Schuss nach Körpertäuschung von Baumann noch um den Pfosten gelenkt wurde (55.). Nagelsmann reagierte auf Bayerns verbessertes Offensivspiel und brachte Schwegler und Szalai für Wagner und Demirbay.

Ancelotti legte mit Ribéry für Sanches und Bernat für Alaba nach. Bayern drückte, hatte nun viel Ballbesitz in Hoffenheims Hälfte und belagerte den Strafraum.

Neben einigen Halbchancen kam aber nur noch eine hochkarätige Chance heraus. Baumann parierte in der 90. gegen Lewandowski.

3 Dinge, die auffielen:

1. Hoffenheims Plan geht über 55 Minuten auf

Es ist auch bei uns schon häufig beschrieben wurden, welche Vorteile die Mischung aus 3-5-2 und 5-3-2, das die Hoffenheimer praktizieren, für die Statik und die natürlichen Positionierungen auf dem Platz hat.

Gegen das aufgrund der personellen Umstellungen extrem flügellastige Spiel der Münchner kam dies zu Beginn besonders zur Geltung. Diszipliniert fächerte Hoffenheim bei Münchner Ballbesitz zu einer Fünferkette auf und holte Coman und Robben in Person von Toljan und Zuber frühzeitig ab.

Unterstützt wurden sie dabei vom ballnahen 8er, während der jeweilige Halbverteidiger im Rücken absicherte und gleichzeitig den Passweg auf Lewandowski zustellte. Es wurde früh klar, dass Hoffenheim ohne Tempo im Umschaltspiel über die Flügel nur schwer zu knacken ist. Auch weil schnelle, flache Seitenverlagerungen ebenfalls ausblieben.

Hier rächte sich die von Ancelotti personell unkreativ aufgestellte Mittelfeldzentrale, die nicht in der Lage war, Durchbrüche durch Dribblings oder schnelles Passspiel zu kreieren.

Hoffenheim musste sich so nur auf zwei Dinge konzentrieren. Erstens nicht zu tief abzusinken, um den Gästen den Weg in den Strafraum oder zur Grundlinie zu verwehren und zweitens Ballverluste in der Vorwärtsbewegung zu verhindern (wie bei Lewandowskis Großchancen in der 45. und 55. Minute).

Als großer Unterschied zu vielen anderen Bundesliga-Mannschaften, die es mit einer Fünferkette versuchen, ist Hoffenheims mutiges Umschaltspiel zu nennen. Dies folgt häufig dem Muster “Steil > Klatsch” und ist in der Lage, in kurzer Zeit viele Spieler auf einer Seite vor den Ball zu bringen, ohne die eigene Kompaktheit aufzugeben, die allein durch die absichernde Dreierkette jederzeit gewährleistet ist.

Das sorgt nicht nur für Torgefahr, sondern verhindert auch, dass sich der Gegner festsetzen kann. Zudem streuten die Sinsheimer immer wieder hohe Pressingphasen ein, die Bayerns Spiel zusätzlich verkomplizierten.

Über 55 Minuten konnte Hoffenheim diese Linie durchziehen. 12 zu 6 lautete das Torschussverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt. Für die Heimmannschaft. Erst dann befreiten sich die Münchner. Vor allem weil Rafinha und Alaba nun deutlich weiter aufrückten und so Coman und Robben gemeinsam mit dem immer wieder nach links driftenden Sanches unterstützten. Mit der Hereinnahme von Ribéry wurde auch das Kreativitätsproblem angegangen.

Bayern zeigte spät wie es gehen kann. Variable Angriffe über die gesamte Breite des Feldes. Entschlossenes Hinterlaufen der Außenverteidiger. Hohes Gegenpressing des Mittelfelds. Am Ende schafften es die Münchner den Gegner in eine reine Strafraumverteidigung zu zwingen. 13 der 21 Schussversuche entstanden in der letzten halben Stunde.

Für ein Tor sollte es nicht reichen – weil Hereingaben und Schussversuche zu ungenau blieben und TSG-Schlussmann Baumann einen guten Tag erwischte.

Das Aufbäumen und die Drangperiode kamen zu spät.

So muss man der Nagelsmann-Elf trotz einer schwächeren zweiten Halbzeit ein Kompliment machen. Für die über weite Strecken disziplinierte Umsetzung eines guten Plans.

2. Sanches arbeitet sich rein

Nach 10-15 Minuten konnte einem etwas Angst und Bange werden um den 19-Jährigen Portugiesen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Sanches bereits drei haarsträubende Fehlpässe gespielt aus denen eine Groß- und eine Halbchance der Hoffenheimer entstanden war.

Sanches wirkte verunsichert, versteckte sich beinahe und schien froh zu sein nicht unter Druck angespielt zu werden.

Doch sein Spiel wandelte sich während der 72 Minuten bis zu seiner Auswechslung. Sanches wurde sicherer. Er rettete sich nicht nur in Hoffenheimer Fouls, sondern begann auch positiv Einfluss zu nehmen.

Vor allem nach der Pause agierte er im Ballvortrag fast wie ein zweiter linker Flügelspieler. Die Überladung bei Coman war hilfreich, um gegen die bis dato fehlerlose Hoffenheimer Defensive Druck und Kombinationen zu erzeugen. Am Ende standen immerhin drei erfolgreiche Dribblings, eine Torschussvorlage bei einer Passquote von immer noch ausbaufähigen 81% Passquote und durchschnittlicher Laufleistung für ihn zu Buche.

Insgesamt war es so alles andere als eine tolle Leistung, aber immerhin etwas auf das Sanches nach Wochen in der Bedeutungslosigkeit aufbauen kann.

Es ist zu erwarten, dass der Nationalspieler in den kommenden Wochen in der Liga häufiger eine Chance bekommt, um sich zu zeigen.

Gerade der Vergleich zu Bayern-Neuzugang Rudy, der als kompletter Spieler auftrat, zeigte, wie schwer es auch im nächsten Jahr für Sanches werden könnte.

3. Punktverlust eingepreist

Wer den FCB in den vergangenen Monaten beobachtete, musste schon nach Bekanntgabe der Aufstellung erahnen, was kommen würde.

Ohne Thiago und ohne Lahm fehlt gerade auswärts schon so viel in Bayerns immer noch etwas wackeliger Statik, dass gegen einen sehr guten Gegner wie Hoffenheim mindestens ein Punktverlust zu erwarten war. Bei 13 Punkten Vorsprung in der Liga ist das aber auch verkraftbar, wenn nicht sogar eingepreist.

Lahm hat immer wieder darauf hingewiesen, wie schwer ihm zuletzt der 3-Tages-Rhythmus fiel. Auch Thiago, der zuletzt massig Minuten abriss, kann die Pause vor den Duellen mit Dortmund und vor allem Real sicher gut gebrauchen. Zumal auch so mindestens ein Punkt im Bereich des Möglichen war.

Ancelotti bestätigte hier seinen Ruf als pragmatischer Teammanager, der kühl zwischen Belastung und Spielrhythmus kalkuliert.

Das kann man mit Blick auf das Ergebnis in Hoffenheim kritisieren. Das kann jedoch gleichzeitig mit Blick auf den weiteren Saisonverlauf eine positive Wirkung entfalten.

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TSG 1899 Hoffenheim – FC Bayern 1:0 (1:0)
Hoffenheim Baumann – Toljan, Süle, Vogt, Hübner, Zuber – Demirbay (62. Schwegler), Rudy (75. Terrazzino), Amiri – Wagner (62. Szalai), Kramaric
Bank Stolz, Uth, Bicakcic, Polanski
FC Bayern Ulreich – Rafinha, Martínez, Hummels, Alaba (75. Bernat) – Sanches (72. Ribéry), Alonso – Robben, Vidal, Coman – Lewandowski
Bank Starke, Lahm, Boateng, F. Götze, Kimmich
Tore 1:0 Kramaric (21.)
Karten Gelb: – / Lewandowski
Schiedsrichter Sascha Stegemann (Niederkassel)
Zuschauer 30.150 (ausverkauft)