SC Sand – FC Bayern Frauen 0:3 (0:1)
Wichtig: denn die Tabellenzweiten und Champions-League-Halbfinalisten aus Wolfsburg hatten schon unter der Woche drei Zähler gegen Essen eingefahren. Frankfurt — Wolfsburgs Gegner in der Champions League — verspielte die in München so hart erkämpften Punkte derweil gegen Freiburg und hat mit vier Punkten Rückstand auf Wolfsburg kaum noch Chancen auf den zweiten Platz, der sicher für die Champions League qualifiziert.
Falls Ihr es verpasst habt:
Es war kein ansehnliches Spiel. Wenn man überheblich argumentierte, könnte man sagen, Sand sei es gelungen, die Bayern auf ihr Niveau herunterzuziehen. Das wäre allerdings in vielerlei Hinsicht unzutreffend. Zum einen wirken die Bayern allgemein etwas urlaubsreif und überspielt. Zum anderen spielt Sand guten Fußball. Drittens war es allem voran der schlechte Zustand des Rasens, der beiden Mannschaften die Option auf stringenten Kombinationsfußball mit zügigen flachen Pässen nahm.
Richtig ist dennoch, dass Sand weiß, mit dein eigenen Heimbegebenheiten umzugehen, und den Bayern ein intensives Spiel mit viel Zweikampfhärte, Gegnerorientierungen, laufstarkem Verdichten des Zentrums und hohen Pressingphasen aufzwang.
Die Gäste aus München waren unterdessen nicht gewillt, sich die zweite Blamage innerhalb eines Monats in Sand abzuholen und auch weitere Punkte in der Meisterschaft hatte man nach der ersten Saisonniederlage gegen Frankfurt vor einer Woche nicht zu vergeben. Der FCB hielt also körperlich dagegen, verlegte sich auf klare Gegnerorientierungen und versuchte offensiv mit Flanken vor das gegnerische Tor zu kommen. Die Spielkultur und die Zuschauer waren die Leidtragenden dieser Rahmenbedingungen.
Fehlpassfestival im zweiten Drittel
Daraus ergab sich eine lange Zeit offene Partie mit zahlreichen Fehlpässen, Ballbesitzwechseln, Spielunterbrechungen und somit wenig Tempo. Vielleicht hatten die Bayern etwas mehr vom Ball, die Gastgeberinnen dafür die etwas klareren Spielzüge, um Akteure im letzten Drittel freizuspielen. Den ersten klaren Abschluss suchte Jovana Damnjanović nach mehr als einer halben Stunde — allerdings direkt in die Arme von Korpela. Fast im Gegenzug gingen die Gäste in Führung. Behringer schlug einen kurzen Freistoß hoch aus der Zentrale vors Tor und Vivianne Miedema — nach echter Torjägermanier — nutzte den gerade passenden Körperteil, um den Ball ins Tor zu verlängern. In diesem Falle war es der gut eingesetzte Hinterkopf. Mit 0:1 ging es in die Pause. Diesen Zwischenstand hatte es auch im Pokalduell gegeben. Durch war das Ding also noch lange nicht.
Nach dem Seitenwechsel verlegte sich Sand darauf, das Zentrum noch mehr zu verdichten, während Bayern nach Lösungen suchte, um den Dreiersturm ins Spiel zu bringen. Abkippbewegungen der Sechser und Neuner, so wie das Einkippen von Lewandowski und Leupolz hießen die Antworten. Das Spiel versprach nun etwas flotter zu werden. Schon nach der Führung hatten die Bayern besser ins Spiel gefunden und direktere, vertikalere Bälle forciert.
Erst die Tore, dann der Fußball
Langsam spiegelte sich der Spielstand auch in der Leistung wider. Nach einer Ecke Behringers kamen gleich mehrere Bayernspielerinnen zu Flachschusschancen (61.), doch oblag es der Kapitänin selbst, die Führung per Standard auszubauen. Einen Freistoß aus dem linken Halbraum zimmerte sie direkt in die Maschen (68.). Miedema setzte den Ball wenig später an den Pfosten (75.). Das einzige Tor aus dem Spiel heraus erzielte allerdings Sara Däbritz, die sich an der linken Fünfmeterraumecke im Eins-gegen-Eins gegen ihre Verteidigerin durchsetzen und mit dem schwächeren Rechten ins lange Ecke einnetzen konnte. Auch die eingewechselte Nicole Rolser hatte noch eine gute Möglichkeit zu verzeichnen (81.). Aber auch Sand kam — z.B. in Person von Anne van Bonn nach einem Freistoß (87.) — nochmal gefährlich vors Tor, ohne sich auf der Torschützenliste eintragen zu können.
Die Schlussviertelstunde war somit die am wenigsten zähe, auch weil die Bayern nun mehr Räume bekamen und sich Sand mit dem 0:2 geschlagen gab. Die letzte Konsequenz in den Zweikämpfen ging dem SC nach dem erneuten Rückschlag ab.
3 Dinge, die auffielen:
1. Bayern mit Viererkette, Leupolz auf dem Flügel und situativer Zehn
In den letzten zwei Jahren haben die Bayern ihr Spielsystem Stück für Stück verfeinert. Im Großen und Ganzen gab es jedoch eine Konstante:
Die Dreierkette mit zwei offensiven Flügelverteidigerinnen, die sich defensiv ballfern in die Defensivkette miteinreihten. So profitiert man defensiv von der Überzahl, die man meist gegen Sturmspitzen, Doppel- oder Dreiersturmreihen aufweist, und kann zeitgleich das Spiel nach vorne mit den Halbverteidigerinnen in den Halbräumen aufbauen, hat maximale Breite über die Flügelverteidigerinnen und im Zentrum viele ballsichere Kombinationsfußballerinnen, um die Gegner zurechtzulegen.
Sand und Frankfurt hatten sich in den letzten Wochen erfolgreich etwas gegen das Bayernkonzept ausgedacht und nun war es Tom Wörle, der sein Team mit einer alternativen Idee aufs Spielfeld schickte: eine Grundformation mit Viererkette bei vielen variablen Rollen. Bei Bekanntgabe der Aufstellung wäre auch vorstellbar gewesen, dass Viki Schnaderbeck wie meist als linke Halbverteidigerin spielt und Carina Wenninger das Pendant halbrechts bildet. Doch Wörle entschied sich für eine Abwehrreihe aus Lewandowski, Holstad, Schnaderbeck und Maier, stellte Wenninger zu Behringer auf die Doppelsechs und schob Melanie Leupolz von der Sechs/Acht ins rechte offensive Mittelfeld auf den Flügel. Dazu stellte er Vivianne Miedema eine zweite Vollblutstürmerin, nämlich Eunice Beckmann, an die Seite.
Zwar war im vergangenen Jahr häufig ein Bayernteam mit zwei oder gar drei Stürmerinnen zu sehen gewesen, doch meist agierten dann Sara Däbritz und Lisa Evans als Achterinnen in den Halbräumen oder kamen breit über die Flügel, während Miedema das Zentrum besetzte. Nun gab es einen echten Doppelsturm in vorderster Linie. Däbritz kannte ihre Rolle als linker Flügel zwar bereits und ist in den vergangenen Monaten häufig im Angriff eingesetzt worden. Doch verbindet Däbritz auch alle Eigenschaften, was Technik, Auge und Passspiel anbelangt, um im Achter-/ Zehnerraum die letzten Pässe in die Spitze zu geben oder selbst ins Dribbling zu gehen. Mit denselben Eigenschaften stellt normalerweise Leupolz als Offensivpart der Doppelsechs die Verbindungen in den Angriff her. Doch sowohl Däbritz als auch Leupolz besetzten zunächst konsequent die Flügel und kippten nur gen Zentrum, wenn sie von der ballfernen Seite zum Ball verschoben — nicht aber in die Formation hinein.
Thomas Wörle setzte also auf spielstarke offensive Außen, um die zu erwartende massive Defensive aufzubrechen und gleich zwei Abnehmerinnen für Hereingaben im Zentrum zu haben. Den Ball überhaupt ins letzte Drittel zu bekommen, das traute der Trainer offenbar auch der Viererkette im Verbund mit den Sechsern zu. Doch genau hieran haperte es zunächst. Vor allem, wenn Sand aggressiv ins Pressing ging und Wenninger zusammen mit Behringer das zweite Drittel nicht überbrücken konnten, hingen die offensiven Vier etwas in der Luft. In der zweiten Halbzeit streute Leupolz dann auch vertikale Läufe im Zentrum gemäß ihrer sonstigen Position ein, um die Pattsituation aufzulösen und sich selbst ins Spiel zu bringen.
Weitere Anpassungen an die zunächst noch schlechte Anbindung nach vorn war das situative Bilden einer Dreierkette, um eine weitere Spielerin vorne einbringen zu können. Häufig agierte dann Gina Lewandowski als linke Halbverteidigerin neben Holstad und Schnaderbeck, während Leonie Maier asymmetrisch weiter nach vorne schob. Eine Neuerung, denn für gewöhnlich ist es analog zu Maier rechts Lewandowski, die auf der linken Außenbahn den Weg nach vorne sucht. In anderen Fällen kippte Behringer zentral zwischen die Innenverteidigung oder Wenninger links neben die beiden Innenverteidigerinnen. Doch auch Lewandowski schaltete sich immer wieder in die Angriffe mit ein. Während Maier eher die Breite hielt, machte die Amerikanerin dagegen Diagonalläufe durch den linken Halbraum.
Zwei Flügelspielerinnen und zwei Stürmerinnen — wer davon ausgeht, dass die Bayern also meist zu viert in der vordersten Linie angriffen, liegt nicht ganz richtig. Dass es mit einem 4-2-4 Probleme mit der offensiven Anbindung geben könnte, hatten die Bayern vermutlich vorausgeahnt. So teilten sich Miedema und Beckmann die Rollen abwechselnd als Sturmspitze und abkippende Stürmerin auf. Während also eine, meist Miedema, vorne für Tiefe in der Staffelung sorgte, ließ sich die andere, oft Beckmann in den Zehnerraum ins Mittelfeld zurückfallen, um die Defensive rauszuziehen, für Anspiele bereitzustehen und die Bälle dann per Pass oder Dribbling zum Dreiersturm ins letzte Drittel zu bringen. Von Miedema sind diese Läufe bekannt und oft gepriesen. Doch auch Beckmann machte ein gutes Spiel, wühlte sich richtig in dieses Match hinein, ging enorm weite Wege, hatte viele Ballaktionen und rieb den SC Sand im Zentrum ordentlich auf. Die letzte Präzision in den Bällen ging ihr zwar ab — sonst wäre Bayern sicher wesentlich dominanter gewesen — doch das hatte sie mit ihren Mitspielerinnen gemeinsam. Selbst die sonst so souveränen Behringer und Schnaderbeck hatten viel Verschnitt dabei. Wenig im Fokus, aber dennoch unglaublich wichtig in der Partie war darüber hinaus Nora Holstad, die ihre Zweikämpfe konsequent auch an der Außenlinie führte und gewann sowie bei fehlenden Passoptionen selbst den Ball am Fuß mit Vorstößen in Gegners Hälfte das Spiel ankurbelte.
2. Offensiv wie defensiv: Spielkultur sekundär
Das gepflegte Kurzpassspiel hat sehr gelitten in der letzten Saisonphase. Zur Aggressivität des Gegners kamen die angesprochenen Verhältnisse auf dem Platz. Trotz der widrigen Umstände kommt man nicht umhin, den Bayern eine gewisse Müdigkeit und Behäbigkeit zu attestieren. Wo einst Automatismen und Freilaufbewegungen abseits des Balles griffen, ist derzeit eine gewisse Passivität zu sehen. Die oft richtige Idee wird einen Ticken zu spät oder zu unsauber umgesetzt. Aus einem öffnenden Pass in die Tiefe wird so ein Fehlpass ins Nichts oder ein Zuspiel ins strafbare Abseits. Die kollektive Frische fehlt und das auch in der Defensive.
In den direkten Duellen mit der Gegnerin machen die Bayern weiterhin eine gute Figur. Doch das kollektive Verschieben hat gelitten. Einige Male konnte Sand mit Meyer und Burger zwei Bayernspielerinnen — zum Beispiel Lewandowski und Däbritz in der Anfangsphase — auf dem linken Angriffsflügel binden und beide ins Leere laufen lassen. Beide hatten sich direkt an die Hacken derselben Gegnerin geheftet, mit der Folge, dass die andere frei an den Ball kommen konnte. Fast möchte man das Team einfach in die Ferien schicken oder eine andere Sportart trainieren lassen, um den Kopf wieder freizumachen.
3. Bayern effektiv bei den Standards
Auch dem SC Sand wurden einige Freistöße in aussichtsreicher Position zugesprochen. Bis auf die Chance durch van Bonn in der Schlussphase umwehte diese aber kaum ein Hauch von Gefahr. Die Bayern bewiesen in dieser Disziplin hingegen große Klasse. Es ist Gold wert, wenn man auf das zweite Standbein der ruhenden Bälle vertrauen kann, wenn einem aus dem Spiel heraus wenig gelingt. Behringers beidfüßig feineTechnik gepaart mit einem strammen Schuss machte sich erneut bezahlt. Sie weiß ihre Mitspielerinnen einzusetzen und auch selbst für Gefahr zu sorgen, wie das erneute Standardtor der Kapitänin zeigte. Bayern tat gut daran, in einer solchen Partie auf diesem Platz beide Varianten abzuwechseln. Mit Miedema im Strafraum konnte der FCB genau die richtige Spielerin in Szene setzen und hatte nach Ecken weitere gute Möglichkeiten, einen Treffer zu markieren. Mit jedem Tor wurde auch das Kombinationsspiel der Bayern wieder direkter, griffiger und ansehnlicher.
Nach 60 Minuten wäre ein 0:3-Sieg sicher zu hoch gewesen. Schließlich waren dem FCB in der Hinrunde daheim „nur“ zwei Treffer gelungen. Doch mit der druckvollen Schlussphase der Bayern geht das Ergebnis alles in allem völlig in Ordnung. Erspielt sich der FC Bayern in den letzten drei Ligapartien noch einen Punkt, dann ist die Titelverteidigung perfekt. Sollte ihm das gegen Leverkusen, Essen und Hoffenheim nicht gelingen, wäre das eine große Überraschung und eines Meisters nicht würdig. Doch das schwere Spiel in Sand hat gezeigt, so leicht kommt man an den Bayern nicht vorbei.
SC Sand – FC Bayern München Frauen | |
---|---|
Sand | Kober – Sandvej, Vetterlein (83. Migliazza), Zirnstein, Savin – Vojteková, van Bonn, Igwe, Meyer (83. Veth) – Damnjanović (89. Amann), Burger |
Bayern | Korpela – Schnaderbeck, Holstad, Wenninger – Lewandwoski, Behringer, Leupolz (89. Iwabuchi), Maier – Däbritz – Beckmann (77. Rolser), Miedema (84. Evans) |
Bank | Zinsberger, Abbé, Feiersinger, Bürki |
Tore | 0:1 Miedema (38.), 0:2 Behringer (68.), 0:3 Däbritz (75.) |
Karten | Gelb: Damnjanović (52.), Zirnstein (67.) / Maier (70.), Wenninger (83.) |
Schiedsrichterinnen | Ines Appelmann (Alzey), Sonja Kuttelwascher (Ilvesheim), Hanna Schlemmer (Nußbach) |
Zuschauer | 1.420 |