Rückspiel gegen Manchester United: 17 perfekte Minuten & zwei Systeme
Nun die Analyse einer Partie mit den zwei Seiten der Medaille: Ballbesitz ohne Torchancen und 17 perfekte Minuten mit Systemumstellung.
Vor dem Anpfiff
Pep Guardiola wählte eine offensive Aufstellung aus dem Pool der spielberechtigten und gesunden Akteure. Doch erst zu den absehbaren Änderungen: Durch die Sperre von Javi Martínez rückte Dante neben Jerome Boateng in die Innenverteidigung. Überraschend spielte Philipp Lahm als Rechtsverteidiger und Toni Kroos besetzte die zentrale Ballverteilerposition im System anstelle des gesperrten Bastian Schweinsteiger. Zwischen der Flügelzange Ribéry und Robben tummelten sich Mario Götze und Thomas Müller. Mario Mandzukic, der mit seiner Kopfballablage den Ausgleich in Manchester einleitete, durfte von Beginn an auf den Rasen.
Für uns ist es schwer, wenn der Gegner zu neunt im Sechzehner steht. Wir müssen ein bisschen schneller spielen, vielleicht mehr aus der Distanz schießen.
Pep Guardiola vor dem Spiel
Sammer sagte vor dem Spiel nicht umsonst »Angriff ist die beste Verteidigung« und betonte die wichtige Defensivarbeit derjenigen, die eigentlich für Torchancen und Tore sorgen sollten. Die Anweisung war also klar und Pep Guardiola brachte die vermutlich stärkste zur Verfügung stehende Elf auf den Platz. Dennoch ist die Rollenverteilung diskussionwürdig gewesen, denn Toni Kroos ist nicht die perfekte Wahl als alleiniger Sechser, da ihm frühe Ballgewinne oder Zweikampfstärke auf dieser Position abgehen. Später mehr dazu, denn Guardiolas Plan A war zwar interessant, aber brachte keine Tore.
Bei Manchester United spielte Kagawa von Beginn, Smalling ersetzte Ferdinand in der Innenverteidigung und natürlich spielte Rooney. Das Hin-und-Her um seinen Startelfeinsatz kannten wir ja schon. Im Vergleich zum Hinspiel fehlte United Fellaini und Rafael.
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— Felix M (@SammyKuffour) April 9, 2014
Bevor wir aber zum Spiel kommen noch ein ganz großes Lob an den Club Nr. 12 für eine fantastische Choreo vor dem Anpfiff. Tolle Idee, aufwändige Vorbereitung und es hat wahrlich perfekt geklappt. Wir ziehen unseren Hut!
Spielverlauf
Bayern dominierte den Ballbesitz und versuchte, wie zu erwarten war, das Spiel zu bestimmen, um Angriff nach Angriff auf das Tor von Manchester United zu tragen. Besonders Arjen Robben war der Wille anzumerken und er verpasste zu Beginn zweifach aus einer Chance eine richtig gute Chance zu verwandeln. Auf der anderen Seite erzielte Antonio Valencia in der 18. Minute ein Abseitstor und auch Wayne Rooney hätte mit etwas mehr Konsequenz gefährlich auf das Tor schießen können. Der FC Bayern versuchte es im Anschluss zumeist mit flachen Hereingaben über die Außen, die von United geblockt wurden, oder mit Flanken aus dem Halbfeld. Letztere konnten selten Gefahr erzeugen und insgesamt fehlte der Partie in Halbzeit 1 der richtige Schwung. Die Angst vor einem Gegentor nach Konter bzw. tief stehende Gäste ließen die meisten Offensivbemühungen vor der Strafraumgrenze verpuffen. Guardiolas Konzept schien die Mannschaft phasenweise etwas zu verwirren. Anstatt aus befreit aus der ballkontrollierenden Zentrale nach vorn zu gehen, waren die Spieler eher damit beschäftigt das System umzusetzen anstatt Möglichkeiten daraus zu erspielen.
In der zweiten Halbzeit folgte der frühe Schock durch den strammen Schuss von Evra (57.), der wie ein Strich in die rechte obere Torecke zog, und Manchester United in Führung brachte. Was ein Ding, aber unsere Roten konnten den Schock schnell überwinden, denn endlich ging es einmal flott nach vorn und nach der gefühlt 100ten Flanke traf Mandzukic (58.) zum Ausgleich. Es dauerte keine Minute und in der Partie war der für ein Viertelfinale notwendige Pfeffer. Pep Guardiola veränderte die Partie in der 65. Minute und beoorderte Philipp Lahm nun auch nominell ins Zentrum indem er Rafinha für Götze ins Spiel brachte und im 4-2-3-1 mit Lahm und Kroos auf der Doppelsechs spielte. Die Änderung war noch nicht richtig aktiv als Thomas Müller zum 2:1 traf (68.). Robben konnte flach (mit dem rechten Fuß!) in die Mitte passen, Müller wickelte sich um Vidic herum und erhöhte zur Führung. Auf die kurze Ruhephase danach – mit zwei guten Vorstößen von Manchester United und einem »Prüfschuss« von Boateng aufs eigene Tor (kann man ja mal machen) – folgte der Europapokalheld himself, Arjen Robben. Mit dem gefühlt 1000. Lauf dieser Art in seiner Karriere zog er von der rechten Strafraumseite in die Mitte und schloss mit links ab. Ein typischer Robben eben. In 17 Minuten drehte sich die Partie und wir sahen ein intensives Fußballspiel.
Im Anschluss war Manchester United noch mehr in der Not auf Tore zu drängen. Doch dazu kam es nicht. Schiedsrichter Jonas Eriksson pfiff die Partie mit drei Minuten Nachspielzeit ab und der FC Bayern München steht erneut im Halbfinale der Champions League.
2-3-4-1: Pep versucht eine neue Ausrichtung im Spielaufbau
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Die größte Frage für Pep Guardiola dürfte wohl die Ausrichtung bzw. Positionierung im Spielaufbau gewesen sein, um einerseits die hohen Ballbesitzwerte erneut zu erreichen und kontrolliert und zielstrebig nach vorn zu agieren bzw. andererseits die schnellen Vorstöße von United zu verhindern. Mit der Aufstellung ergab sich die Problematik um Toni Kroos, der, wie die Grafik zeigt, allein auf der Sechserposition agieren sollte. Guardiola löste dies mit der zentraleren Ausrichtung von Philipp Lahm und David Alaba. So agierte die Achse Lahm – Kroos – Alaba in der Zentrale, Boateng und Dante blieben als Innenverteidiger zurück, wodurch sie Anspielstationen bieten. Davor konnten Götze und Müller für Unruhe und Kreativität sorgen ohne das Spiel aufziehen zu müssen.
Bei Ballbesitz Bayern sah das System nach einem 2-3-4-1 aus, wobei die Flügelzange Ribéry und Robben durch die Mittelfeldpositionierung oft in 1 zu 1 Situationen gehen konnte, aber harmlos blieben, weil sie sich nicht wie erhofft durchsetzen konnten. Trotz der hohen Ballbesitzquote und des meist ruhigen Spielaufbaus bis ins Angriffsdrittel wurde selten Gefahr erzeugt oder eine zwingende Chance herausgespielt. Mario Götze besuchte sowohl Ribery als auch Robben auf den Seiten, um sich an der Vorwärtsbewegung zu beteiligen. Müller ließ sich eher tiefer fallen.
Die FourFourTwo Statistik zu den im Angriffsdrittel gespielten Pässen und herausgespielten Torchancen in den ersten 45 Minuten beweist zwei Dinge. Zum einen die stärkere rechte Offensivseite mit Philipp Lahm und Arjen Robben und Chancenvorbereitungen über links, die nur über lange Bälle möglich war. Der FC Bayern spielte zielstrebiger über die Außenbahnen als in Manchester, aber konnte sich dennoch nicht entscheidend durchsetzen bzw. vors Uniteds Tor kommen. Die Spieler wirkten etwas überfordert mit den neuen Ideen und Laufwegen – es fehlte der konsequente Drang in den Strafraum. Außerderem kam nur eine von 17 Flanken in der ersten Halbzeit zum Mitspieler, in den zweiten 45 Minuten waren es dann schon acht von 19.
Zurück zum 4-2-3-1 und 17 perfekte Minuten
Die zweite Halbzeit brachte nicht nur drei entscheidende Tore in 17 Minuten, sondern auch die Rückbesinnung auf ein 4-2-3-1 mit Philipp Lahm und Toni Kroos in der Mitte sowie die Stärkung der Offensivbemühungen über links. Man konnte beide Seiten gleichwertig offensiv gestalten anstatt ein Übergewicht über rechts zu spielen, wie es in Halbzeit 1 der Fall war. Manchester United ging mehr ins Risiko und das Umschaltspiel des FC Bayern nahm Fahrt auf.
Matthias Sammer und Pep Guardiola lieferten in den Interviews nach dem Spiel auch zwei Erklärungen für die sichtbar bessere Partie nach dem Wiederanpfiff. Zum einen wollte man gezielter den Lauf in den gegnerischen Strafraum suchen. Mario Götze leitete so den Ausgleich ein und spielte dann den vorletzten Pass auf Franck Ribéry. Zum anderen waren Thomas Müller und Mario Mandzukic weiterhin als Anspielstationen für Flanken gesetzt und man wollte es »immer und immer wieder versuchen« über diesen Weg zum Torabschluss zu kommen. Mit den zwei Sechsern (ganz im Stil von Jupp Heynckes) wurde es ruhiger im Mittelfeld.
Im Gegensatz zur Grafik im letzten Absatz sehen wir nun deutlich stärker aufs Tor gerichtete Chancen des FC Bayern. Letztendlich spielte man zwei Tore heraus und konnte die Partie einmal durch den bereits angesprochen Spielzug im Arjen-Robben-Stil drehen. Es bleibt nun fraglich und auch für die kommenden Partien spannend, ob und wie man auf derart defensive Gegner reagieren will, die zum Beispiel mit Atletico Madrid und Chelsea warten könnten. Auch das Viertelfinalrückspiel hat keine (perfekte) Lösung aufgezeigt. Man könnte auch meinen, dass über weite Phasen noch immer der entscheidende Zug zum Tor oder geniale Pass fehlt. Die Ausfälle von Schweinsteiger und Martínez wogen schwer, aber die Abhängigkeit von Thiagos Genialität scheint ebenso eklatant zu sein. Er war bis zu seiner Verletzung der Mann für die 2-3 entscheidenden Szenen in solchen Spielen.
Das vierte Halbfinale in fünf Jahren
Nun steht der FC Bayern erneut im Halbfinale der Champions League und kann zum vierten Mal in den letzten fünf Jahren um den Einzug ins Finale kämpfen bzw. alles auf dem »Weg nach Lissabon« klar machen. Wahrscheinlich können wir erst mit etwas Abstand realisieren, was für eine unglaubliche Mannschaft wir erleben und wie erfolgreich sie Fußball spielt.
Die Anspruchshaltung einiger Fans ist etwas unerklärlich, denn die letzten Jahre sind alles andere als eine Selbstverständlichkeit und das Finale noch lange nicht gebucht. Da sollte man etwas Demut an den Tag legen. Am Freitag wird unser nächster Gegner ausgelost. Chelsea, Real Madrid und Atlético Madrid sind noch im Rennen. Packen wir es an!
FC Bayern München – Manchester United 3:1 (0:0) | |
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FC Bayern | Neuer – Lahm, Boateng, Dante, Alaba – Kroos – Robben, Götze (65. Rafinha), Müller (84. Pizarro), Ribéry – Mandzukic |
Bank | Raeder, Højbjerg, Weihrauch, Weiser, Van Buyten |
Manchester United | De Gea – Jones, Smalling, Vidic, Evra – Fletcher (74. Hernández), Carrick – Valencia, Kagawa, Welbeck (81. Januzaj) – Rooney |
Bank | Lindegaard, Ferdinand, Young, Büttner |
Tore | 0:1 Evra (57.), 1:1 Mandzukic (59.), 2:1 Müller (68.), 3:1 Robben (76.) |
Karten | Gelb: Rafinha / Vidic, Evra |