Rot gegen Rassismus: Die Initiative des FC Bayern und der Einsatz der Fans
Es ist ein leider allzu bekanntes Phänomen: ein Schwarzer Fußballspieler sieht die rote Karte, oder er verschuldet einen Elfmeter, oder er verwandelt diesen nicht. In vielen Fällen dauert es keine fünf Minuten, bis die Spieler in den Sozialen Netzwerken mit rassistischen Beschimpfungen überflutet werden.
Diese sind teilweise so heftig, dass die Vereine Posts absetzen, in denen sie Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art aufs Schärfste verurteilen. Auch die BIPoC-Spieler*innen des FC Bayern sehen sich immer wieder diesen Anfeindungen ausgesetzt – nicht nur online, sondern auch in den Stadien. Zuletzt Dayot Upamecano nach seinen Platzverweisen in Champions League und Bundesliga.
Im März 2020 rief der FC Bayern die Initiative „Rot gegen Rassismus“ ins Leben, die sich inzwischen zu einem „Leuchtturmprojekt“ entwickelt hat. Laut Angaben des Vereins engagiert sich mittlerweile ein rund 20-köpfiges Team aus unterschiedlichen Fachbereichen für „Rot gegen Rassismus“.
In Form von Diskussionen und Workshops mit Expert*innen und gemeinsamen Aktionen geht man in einen regelmäßigen Austausch mit Mitarbeiter*innen, Mitgliedern und Fans. Zudem wurde ein Handlungsleitfaden zum Umgang mit dem Thema Diskriminierung entwickelt.
Auch in diesem Jahr ist der FC Bayern anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus wieder aktiv; den Startschuss dafür gab das Bundesligaspiel der Männer gegen den 1. FSV Mainz 05. Hier wurden – in Zusammenarbeit mit der Organisation „buntkicktgut“, die sich seit mehr als 25 Jahren gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Hass einsetzt – beim Verlesen der Mannschaftsaufstellungen beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund eingebunden.
Fußballfans gegen Rassismus
Doch nicht nur der Verein, auch die Fans spielen eine wichtige Rolle beim Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Im ganzen Land gibt es zahlreiche Initiativen, sowohl von Vereinen als auch von Fans ins Leben gerufen, die sich mit dieser Problematik befassen und ihr entgegenwirken.
Eine der prominentesten Initiativen ist „Nazis raus aus den Stadien“, die sich gegen rechte Hetze in Sportstadien einsetzt und 2017 beim Fußballverein Babelsberg 03 entstand. Der Bewegung haben sich inzwischen zahlreiche Fanszenen und Vereine aller Ligen angeschlossen.
Im Umfeld des FC Bayern ist als formelle Initiative aus der Fanszene vor allem die Kurt-Landauer-Stiftung zu nennen. Alexander Salzweger, Sprecher der FC Bayern-Fanvereinigung Club Nr. 12, sagt, dass dort das Augenmerk zwar hauptsächlich auf Erinnerungsarbeit gelegt wird, es aber auch oft Veranstaltungen gibt, an denen das Erinnern mit dem Heute in Verbindung gebracht wird.
„Daneben arbeiten Mitglieder der Stiftung und aus der Fanszene immer wieder situativ mit dem Verein zusammen“, sagt Salzweger. „Insbesondere die jungen Spieler sind dabei im Blick und werden an das Erbe des Vereins und die daraus resultierende Verantwortung erinnert.“
Nicht zu unterschätzen aber, so sagt Salzweger, ist die aktive Fanszene an sich.
„Dass man heute in der Kurve deutlich weniger Rassismus hört – wobei jeder Vorfall immer noch einer zu viel ist – hängt insbesondere mit den Ultras zusammen“, erklärt er. „Dieses Gedankengut wird hier schlicht nicht geduldet.“
Kampf gegen Rassismus: Die Fans regeln selbst
Das heißt: wer unangenehm oder negativ auffällt, kommt nicht rein – oder wird kurzerhand an einen Ordner übergeben. Dafür, so Salzweger, sorgen insbesondere die Schickeria, aber auch die anderen Gruppen als Korrektiv.
„Beim jährlichen Kurt-Landauer-Turnier war dieses Jahr zeitgleich eine AfD-Demo in der Stadt“, nennt Salzweger als Beispiel. „Leute, die auf dem Turnier waren und kurz zuvor in der Nähe der Demo gesehen wurden, wurden darauf angesprochen. Das Ganze erledigte sich zwar, weil die Betroffenen schlicht dort vorbeimussten, aber man hat ein Auge auf so etwas.“
Weiterhin nennt er das Projekt „Obacht“, das aus der Fanszene heraus entstanden ist und gegen sexuelle Gewalt im Stadion und im Umfeld vorgeht. Wer sich bedrängt fühlt, kann einen QR-Code scannen und erhält Hilfe von einem eigens dafür eingesetzten Team.
Auch wenn dieses Projekt hauptsächlich zur Prävention sexueller Gewalt dient, wurde diese Hilfestellung laut Salzweger auch schon bei rassistischen Vorfällen angewandt. „Diese Aussage kam übrigens nicht vom Hilfe-Team, da sie die Fälle anonym behandeln, sondern von einem Betroffenen“, sagt Salzweger. „Und diese Erreichbarkeit von Hilfe-Teams gibt es nicht nur im Stadion, sondern auch bei Events der Fanszene.“
„Aussagen von Verantwortlichen wirken“
Bei der letzten Jahreshauptversammlung des FC Bayern wurde eine neue Satzung unter Mitwirkung der aktiven Fanszene – ohne die eine Satzung sicher nicht die nötige Mehrheit hätte – beschlossen.
„Dort haben wir Leitlinien des Vereins festgelegt, wie zum Beispiel den Kampf gegen Rassismus. Damit haben wir dem Verein Rüstzeug an die Hand gegeben. Dies ist nun auch der Hebel, Mitglieder, die gegen eben jene Punkte verstoßen, aus dem Verein zu werfen.“
Salzweger betont, dass auch öffentliche Positionierungen und Statements von Verantwortlichen große Wellen schlagen können.
„Der Geschäftsführer des FC Bayern, Benny Folkmann, hat auf der Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag darauf hingewiesen, dass der Verein nach der Rede von Uli Hoeneß auf der Trauerfeier für Franz Beckenbauer einige Austritte wegen dessen Aussagen zu vermelden hatte – und diese Austritte auch gerne annahm“, sagt Salzweger.Uli Hoeneß hatte auf der Gedenkfeier für Franz Beckenbauer in der Allianz Arena im Januar deutlich Stellung gegen die AfD bezogen und damit ein wichtiges Zeichen gesetzt.
„Aussagen von Verantwortlichen wirken“, bekräftigt Salzweger. „Der Verein zeigt sich bei dem Thema seit etwa zwei bis drei Jahren sowieso sehr aktiv, ist auf Demos vertreten oder ruft wie zuletzt zur Teilnahme auf. Und es geht sicher auch nur so: mit dauernder Erinnerung, wofür man steht.“
Was kann ein einzelner Fan bewirken?
Sich gegen Rassismus und Diskriminierung zu positionieren, beginnt bei jedem/jeder Einzelnen selbst, auch wenn es nur scheinbar kleine Schritte sind. Isabel Schmidt, Referentin bei der Stiftung gegen Rassismus, zeigt mehrere Möglichkeiten auf, wie man einen ersten Anfang machen kann. Zunächst einmal sollte man seine eigene Perspektive, gesellschaftliche Position und Haltung kritisch hinterfragen.
„Wer sich mit der eigenen Rolle auseinandersetzt, sollte sich stets über die eigene rassistische Prägung und Sozialisation bewusst sein. Personen, die nicht betroffen sind, besitzen soziale, politische und kulturelle Privilegien“, sagt Schmidt.
Weiterhin plädiert sie dafür, Haltung zu zeigen – sowohl im Netz als auch offline – solange man es mit der eigenen Sicherheit vertreten kann.
„Es ist wichtig, nicht still zu sein und vor allem Menschen zu unterstützen, die Rassismuserfahrungen machen. Das gilt fürs Stadion, aber auch fürs Netz. In den Sozialen Medien Haltung zu zeigen und menschenfeindliche Statements nicht stehen zu lassen, ist enorm wichtig, da viele rechtsextreme Gruppierungen im Netz sehr stark vertreten sind“, erklärt Schmidt.
Wer sich im Verein engagiert, kann dafür sorgen, dass die Problematik thematisiert wird und fordern, dass entsprechende Strukturen geschaffen werden, falls diese noch nicht vorhanden sind, wie beispielsweise eine Meldestelle für rassistische Vorfälle.
„Darüber hinaus kann ein Engagement im Vereinsleben auch bedeuten, Menschen mit migrantischen Wurzeln auf allen Ebenen stärker an der Mitbestimmung zu beteiligen und zur Teilhabe zu ermutigen“, sagte Isabel Schmidt. Zu guter Letzt sollte man, fügt sie hinzu, seine Haltung sichtbar machen durch öffentliche Statements. „Wichtig ist, kontinuierlich Diskussionen zu führen.“
Dies ist der zweite Teil einer Artikelserie, die wir im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus (11.-24. März) veröffentlichen. Im ersten Teil haben wir uns Gedanken darüber gemacht, was der Fußball im Kampf gegen Rassismus bewirken kann, im dritten und letzten Teil sprechen wir mit Ronny Blaschke über sein kürzlich erschienenes Buch „Spielfeld der Herrenmenschen – Kolonialismus und Rassismus im Fußball“.
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