Kommentar: Druck durch Robert Lewandowski darf den FC Bayern nicht beirren
„Meine Geschichte bei Bayern ist vorbei“, sagte Robert Lewandowski am Montag in Warschau: „Ich kann mir keine gute Zusammenarbeit mehr vorstellen. Ich hoffe, dass sie mich nicht behalten werden, weil sie es können.“ Es sind recht deutliche Worte, mit denen der FIFA-Weltfußballer abermals Druck auf seinen aktuellen Arbeitgeber ausübt.
„Ein Transfer ist die beste Lösung für alle“, ergänzte er. Offenkundig entspricht diese Meinung nicht zwingend der Wahrheit. Der FC Bayern München sollte sich von seinem Spieler keinesfalls unter Druck setzen lassen. Es ist nicht die Aufgabe des 33-Jährigen, zu beurteilen, was das Beste für den Serienmeister der Bundesliga ist.
Diese Aufgabe obliegt den Verantwortlichen des Klubs. Und die müssen jetzt vor allem eines: ruhig bleiben. Der Fall David Alaba, der sich monatelang in einer öffentlichen Schlammschlacht durch die Medien zog, darf sich aus Sicht der Bayern keinesfalls wiederholen. Wenn Lewandowski mit Schlamm schmeißen will, ist das seine Sache.
Robert Lewandowski wird erstmals richtig deutlich
In der Vergangenheit gab es immer mal Unruhe durch Spieler, die ihren Wechselwunsch äußerten. Allein bei Lewandowski ist es nicht das erste Mal. Es ist aber sehr wohl neu, dass er in seinen Ausführungen derart deutlich, konkret und druckvoll ist.
Das mediale Interesse an einer Gegenposition des FC Bayern ist aktuell sehr groß. Eine erste Stellungnahme gibt es bereits. „Warum Robert diesen Weg gewählt hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Solche Äußerungen in der Öffentlichkeit bringen keinen weiter“, sagte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn im Gespräch mit Sport1: „Robert wurde hier zweimal in Folge Weltfußballer – ich denke, er sollte wissen, was er am FC Bayern hat.“ Wertschätzung sei „keine Einbahnstraße“. Das Beste, was die Münchner jetzt aber tun können, ist das, was sie häufig erfolgreich praktiziert haben, wenn die Stimmung ins Negative kippte – beispielsweise im Fandialog: Den Ärger aussitzen und die Aussagen Lewandowskis ins Leere laufen lassen.
So kritikwürdig diese Strategie ist, wenn es um den Dialog mit Fans oder Themen wie Katar geht, so richtig ist sie in der jetzigen Situation. „Diesen Alarmismus kennen wir aus der Vergangenheit. Das ist nicht etwas, was uns Kopfzerbrechen bereitet“, sagte der Kahn jüngst auf dem Rathausbalkon zum Bayerischen Rundfunk: „Wir haben dem Berater ein Angebot unterbreitet. Er hat dieses Angebot abgelehnt. Das ist sein gutes Recht. Fakt ist: Er hat einen Vertrag, diesen wird er erfüllen. Basta!“
Mehr als den ersten Teil des letzten Satzes braucht es jetzt nicht mehr: Robert Lewandowski hat einen Vertrag bis 2023. Nicht der Spieler bestimmt darüber, wann das Arbeitsverhältnis endet, sondern der FC Bayern. Er kann sich in der Öffentlichkeit querstellen, noch mehr Druck ausüben, Interviews auf der ganzen Welt geben – das letzte Wort hat der Klub. Ein ewiges Hin und Her bringt die Bayern nicht weiter.
Robert Lewandowski: Wird er um jeden Preis zum Problem für den FC Bayern?
Und der muss sich jetzt ohne Frage mit einer Alternativlösung beschäftigen. Denn das größte Druckmittel des Spielers ist, sich in seinem letzten Vertragsjahr gehen zu lassen, Unruhe zu verursachen und so zum Problem zu werden. Das müssen die Bayern ernst nehmen.
Konkrete Gerüchte gab es zuletzt um Saša Kalajdžić (VfB Stuttgart) und Sadio Mané (Liverpool FC). Abgesehen von den konkreten Personalien erscheint es sinnvoll, Lewandowski nicht mit einem, sondern durch zwei verschiedene Spielertypen zu ersetzen. Nach Informationen von Sport1 hat Julian Nagelsmann genau das auch vor.
Ob ein System ohne echte Neun erfolgreich sein kann, sei mal dahingestellt. Die Bayern sind es seit jeher gewohnt, mit einer physisch starken und vor allem präsenten Spitze zu agieren – oder, wenn wir noch weiter zurückblicken, gar mit zwei.
Ohne Lewandowski werden sie sich ohnehin umstellen müssen. Die Mischung aus seinen technischen Fähigkeiten und den klassischen Qualitäten eines Torjägers machten ihn so besonders. Er kann gleichzeitig eine falsche und eine echte Neun sein. Warum also nicht versuchen, diese Fähigkeiten aufzuteilen?
FC Bayern: Fakten sind lauter als das Geschrei von Robert Lewandowski
Ein Brecher, der gleichzeitig über das Grundrüstzeug verfügt, sich aktiv an der Ballzirkulation im letzten Drittel zu beteiligen, könnte die physische Urgewalt Lewandowskis zu großen Teilen auffangen. Jemand, der quirlig, schnell, technisch stark und vor allem dynamisch ist, kann dem Spiel vielleicht sogar noch zusätzlich eine Extranote verpassen.
Für Julian Nagelsmann kann das die große Chance sein, die Offensive umzugestalten, vielleicht flexibler zu machen. Auf der anderen Seite sollte das Druckmittel des Spielers nicht überschätzt werden. Filip Kostić versuchte im Sommer 2021 ebenfalls alles, um Eintracht Frankfurt zu verlassen. Jetzt ist er als Schlüsselspieler Europa-League-Sieger geworden.
Lewandowski will Erfolg. Er kann es sich nicht leisten, sich ein Jahr lang auf die faule Haut zu legen. Zumal durchaus fraglich wäre, ob das beim künftigen Arbeitgeber gut ankäme. Ob sein Transfer die beste Lösung für alle wäre, muss der FC Bayern nun bewerten. Findet der Klub die notwendigen Alternativen, kann sich das durchaus bewahrheiten.
Bis dahin muss der Klub das Geschrei seines Noch-Angreifers aushalten und geduldig bleiben. Die Fakten sind letztendlich lauter als die Aussagen des Lewandowski-Lagers. Da kann der Ex-Dortmunder sein verbales Pressing noch so sehr intensivieren: Der Spielball klebt am Fuß des FC Bayern München.