Rhythmus-Störung in Zahlen
Es ist fraglos menschlich und erklärbar, dass nach eineinhalb beinahe perfekten Jahren mit Triple, europäischem Supercup, Klub-WM und erneuter Meisterschaft im März 2014 irgendwo auf der Strecke die letzte Portion Präzision, Fokus und Selbstverständlichkeit verloren ging. Das deutliche Aus gegen Real Madrid ist nicht allein damit zu erklären. Aber die offensichtliche kleine Sinnkrise, die das Bayern-Spiel schon in den Spielen davor in der Bundesliga erfasste, hat im Hinblick auf die Duelle mit dem Team von Carlo Ancellotti gewiss nicht geholfen.
Es war ein Stück selbst gemachtes Leid, das wohl auch Pep Guardiola mit zu verantworten hat. “Die Liga ist für uns vorbei”, sagte Guardiola vor dem Spiel gegen den FC Augsburg am 29. Spieltag. Es war diese Aussage, die ein völlig falsches Signal an die Mannschaft und das komplette Umfeld des Vereins setzte. Nach 53 Ligaspielen ohne Niederlage war genau das der Moment in dem die Mannschaft sichtlich durchpustete und sich selbst den Schwung der Vorwochen nahm. Viele machten Guardiolas Rotation für die Rhythmus-Störung verantwortlich. Aber das war es nicht. Schon Heynckes hatte im Vorjahr nach gewonnener Meisterschaft am 28. Spieltag in der Woche drauf seine Mannschaft auf 8 Positionen verändert. Er brachte mit Can und Højbjerg sogar einen Bundesliga-Debütanten mehr als Guardiola gegen Augsburg mit Sallahi. Heynckes-Bayern gewannen damals allerdings gegen Nürnberg mit 4:0.
Guardiola hatte Recht mit der kräftigen Rotation in der Bundesliga rund um das Champions League-Viertelfinale. Richtig wäre jedoch gewesen, Spieler wie Shaqiri, Weiser, Højbjerg oder eben Sallahi in die Pflicht zu nehmen und Spiele wie die gegen Augsburg als Bewerbungsphase für Ihre Zukunft beim Rekordmeister auszurufen. Das Unentschieden gegen Hoffenheim, die Niederlage gegen Ausgburg, eine komplizierte Aufgabe gegen Manchester United und eine Klatsche gegen Dortmund. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass das Momentum und die Selbstverständlichkeit im Münchener Spiel, die die lange Serie zuvor erst möglich machte, vorbei war. Die Mannschaft ist trotz des Aufwärtstrends zuletzt bis heute auf der Suche nach dieser Selbstverständlichkeit.
Die Gründe dafür sind gewiss vielschichtiger und nicht allein auf Guardiolas Aussagen zurück zu führen. Fakt ist: Die Rhythmus-Störung nach der gewonnen Meisterschaft ist handfest. Sie lässt sich an Zahlen und Indikatoren ablesen. Über die Saison gesehen erzielte der FC Bayern 2,7 Tore pro Partie. In 11 Spielen der Rückrunde bis zum Meisterspiel gegen Hertha BSC Berlin waren es sogar 3,3 Tore pro Partie. In den sieben verbleibenden Partien sank dieser Schnitt auf 2,1 Tore. Die Anzahl der Gegentore stieg von zuvor 0,45 auf 1,2 Gegentore pro Partie nach gewonnener Meisterschaft. Der Punkteschnitt von 1,8 pro Partie in den letzten sieben Spielen hätte hochgerechnet auf die gesamte Saison nicht mal für Platz 3 der Tabelle gereicht. Auch weitere Indikatoren belegen den Bruch im Bayern-Spiel nach gewonnener Meisterschaft. Die Passquote sank von zuvor 89 Prozent auf 84 Prozent. Fünf Mal lag die Passquote in einem Spiel der Rückrunde über 90 Prozent. Nach der gewonnen Meisterschaft erreichte die Guardiola-Elf diesen Wert nie wieder. Vor der Meisterschaft erspielten sich die Münchener im Schnitt vier Großchancen pro Partie. Nach der März-Meisterschaft nur noch drei. In drei der sieben Spiele stand nach 90 Minuten sogar nur eine echte Großchance zu Buche. Ein weiterer kritischer Wert für das Münchener Spiel sank ebenfalls deutlich. Die Anzahl der Ballrückeroberungen, der beste Indikator für aggressives und erfolgreiches Gegenpressing sank laut der FourFourTwo Stats Zone App (powered bei opta) von 22 Ballrückeroberungen pro Spiel vor der Meisterschaft auf 9 Ballrückeroberungen pro Partie nach der Meisterschaft. Auch die Zahl der Fouls stieg insgesamt an.
Es ist also mehr als ein Gefühl, dass dem FC Bayern nach dem 3:1-Sieg in Berlin und der gleichbedeutenden Meisterschaft am 27. Spieltag der Rhythmus verloren ging. Es ist erklärbar, es ist in weiten Teilen sogar logisch. Trotzdem ist es ärgerlich, da dieser Saison trotz des Meistertitels zumindest öffentlich ein Hauch der Unvollkommenheit umweht.
Es bleibt ein Spiel. Ein Sieg gegen Dortmund und unterm Strich steht eine der erfolgreichsten Saisons der letzten 10-15 Jahre für den FC Bayern zu Buche. Auch bei einer Niederlage bleibt es eine gute Saison – auch wenn öffentlich erneut Untergangsszenarien gezeichnet werden sollten. Allerdings ist eine Sache dann nicht mehr wegzudiskutieren. Die Sache mit der Rhythmus-Störung hat mit dazu beigetragen, dass die Krönung dieser guten Saison am Ende misslang.
Jeder der selbst einmal aktiv gespielt hat kennt dies: ist man Meister nimmt man den Fuß hoch. Warum eine Verletzung riskieren, wenn noch eine WM ansteht, wenn noch zwei Pokale zu holen sind. Warum sich für etwas verausgaben, was man schon hat? Somit ist die Aussage von Pep (der als Spieler genauso dachte) ersteinmal normal und verständlich. Was aber nur schwer nachvollziehbar ist, warum kann man nicht wieder in den entscheidenden Spielen dies korrigieren? Es ist ein Problem im Kopf, – sowohl der Spieler, als auch des Trainers. Eine relativ leicht gewonnene Meisterschaft (begünstigt auch durch verletzungsbedingte Schwächen der Konkurenz) verführt zu der trügerischen Annahme, man habe ALLES richtig gemacht. Aber nun kommen in der CL Gegner, die auch glauben, bisher alles richtig gemacht zu haben und die von ihrem Kader her wesentlich stärker besetzt sind, als die heimische Konkurenz. Und plötzlich wird ein Druck von außen (Medien, Fans, Vorstand) auf die Spieler aufgebaut, den man in dieser Saison noch nicht hatte. Gleicher Druck lastet plötzlich auch auf dem Trainer, der bisher mit seiner Spielweise alles richtig gemacht hatte. Also versucht man alles wie gehabt, aber Real Madrid ist eben kein x-beliebiger BL-Gegner! Und darauf muß man reagieren, indem man z.Bsp. auf schnelle Konter gefaßt, seine Abwehr tiefer staffelt und Räume zustellt, indem man mit höchster Konzentration und Einsatz (aber fairen Mitteln) selbst permanent torgefährlich agiert! Ein wiedererstarkter BVB wird ähnlich spielen wie Real, mit schnellen Kontern aus einer kompakt sich verschiebenden Abwehr. Und hier muß der FCB beweisen, ob er aus den Niederlagen gelernt und zu Recht von sich behaupten kann, ein absoluter Top-Club in Europa zu sein. Der Druck des Siegen müssen, lastet auf dem FCB, denn als Meister und auch von der personellen Klasse seiner 15 aktuellen Nationalspieler ist er Favorit.
Als Pep diese Aussage getätigt hat bzw. als ich davon gelesen habe bin ich auch erstmal aus Unverständnis zusammengezuckt.
Aber so eine Formkrise kann nie und nimmer mit der Aussage eines Trainers alleine zusammehängen:
– Sammer hat doch die letzte Saison auch miterlebt – man ist auch früh Meister geworden. Damals hat man es besser gemanged. Also ist der Verweis auf Pep nur eine billige Ausrede
– Ich halte die Spieler einfach für überspielt, diesen Einbruch hätte es so und so gegeben.
– Die Spieler sind auch einfach satt, wofür nochmal 110% geben, wenn ich eh schon alles gewonnen habe ?
Desweiteren ist es eine Frage des Umfelds und der “Selbstkritik”. Bayern hat nicht nur gut gespielt, weder in der Hinrunde noch am Anfang in der Rückrunde. Es waren Spiele dabei wo man “Glück” hatte, z.B. Saisonauftakt gegen Gladbach (3:1), BVB (3:0), das Spiel gegen Stuttgart (2:1). Es ist nicht so das Bayern vorher alle Spielge mit 3-4 Toren locker Unterschied gewinnt, es ist immer das Ergebnis harter arbeitet. Aber unabhängig davon ist es schlicht Kopfsache wenn ich x Spiele nicht verliere. Ich denke einfach nicht dran, und das ist der Unterschied. Und hier kam mit Augsburg bzw. Hoffenheim der Bruch. Für mich ist das reine Kopfsache.
Mit Guardiola hat das aber gar nix zu tun, das ist schlicht zu billig !
Ich bin weit davon entfernt, Senor Gueardiola die Schuld an allen Niederlagen zu geben. Im Weitesten stimme ich Dir auch zu, dass die Spannung raus war und die Spieler eben doch geistig und körperlich langsamer sind, einige auch wirklich überspielt wirken. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mir des Öfteren vom Trainer einen Plan B gewünscht hätte. Pläne, die – auch wenn sie nicht immer aufgingen – in dieser Saison von den Herren Tuchel, Streich oder Weinzierl vorgelegt wurden (nicht nur gegen die Bayern).
Guardiola hat einige Spiele auch erst nach Anpassungen in der Halbzeit gewonnen.Das könnte man schon als eine gewisse Planänderung (Plan B) bezeichnen.Bis zur Meisterschaft in Berlin haben die Spieler auch alles sehr gut umgesetzt.Nur danach hat einfach nicht mehr viel funktioniert.Gegen Manchester hat man auch gut auf das Hinspiel reagiert.Im Halbfinale-Rückspiel gegen Real war die Ausrichtung aber einfach zu offensiv.Man hat ohne Geduld gespielt und war auch noch unkonzentriert bei Standardsituationen.Natürlich muß Guardiola immer wieder seine Spielweise etwas an den Gegner anpassen.Aus meiner Sicht hat Pep das aber auch bis auf das Real-Rückspiel getan.Für die schlecht verteidigten Standardsituationen sind nunmal die Spieler in ihrer Ausführung verantwortlich.Dabei ist das System oder die Taktik doch einfach egal…
Ich finde das mit Plan B hat man vermehrt erst nach der Niederlage gegen Real gelesen, und ich weiß nicht so recht was ich davon halten soll.
Pep wird stets ein Spiel – gegen jede Mannschaft der Welt – aufziehen, in dem er versucht das Spiel in das letzte 1/3 zu verlagern. Hat der Gegner den Ball wird gepresst, verliert ihn jemand, wird gegengepresst.
Funktioniert vor allem das Gegenpressing nicht, gibts offene Räume und 1:1 Duelle der IV.
Gegen Real sind die Tore eigentlich nicht aus Kontern entstanden, jedenfalls nicht die entscheidenen.
Ich finde die ganze Diskussion die im Moment läuft von wegen Taktik, Tiki-Taka, Schweinsteiger, Robben, Ribery zu alt schwer zu bewerten.
Die Spieler machen in letzter Zeit einfach vermehrt individuelle Fehler, da versagt jede Taktik.
Deshalb steht folgender Satz im Text: “Die Gründe dafür sind gewiss vielschichtiger und nicht allein auf Guardiolas Aussagen zurück zu führen.”
Ich hatte Erich_B angesprochen. Dass der Bayern-Blog das differenzierter sieht, hatte ich mitbekommen.
Genau. Deshalb wollte ich deinen Punkt nochmal unterstreichen :)
“Missverständnis bauen” leicht gemacht…
:)
Servus in die Runde! Wie schon einmal erwähnt frage ich mich, ob der Abgang von Hoeneß bei einigen Spielern für Enttäuschung oder auch (Fronck) fehlende Nestwärme gesorgt haben könnte… was denkt Ihr?
So kurzfristig nie und nimmer !
Mittelfristig hat das natürlich Auswirkungen. Keiner kennt die Stimmungslage so gut wie Hoeneß. Und keiner hat es so gut geschafft den Verein immer wieder wachzurütteln.
Z.B. alleine seine Kommentare nach den verlorenen Spiel gegen Chelsea:
– “Gomez ist ein guter Stürmer, aber kein sehr guter”
– “Ich habe keinen Jeremies gesehen”
waren zwar irgendwie populistisch, aber durchaus auf dem Punkt.
Auf die jetztige Formkurve hat aber das Hoeness-Theater keine Auswirkung.
[…] Die Bundesliga-Saison ist beendet und allernorten wird abgerechnet. Steffen Meyer (DerBayernblog) fasst die Rhythmusstörungen der Bayern nach der gewonnenen Meisterschaft in Zahlen. Eintracht […]
Den Abgang von Hoeneß sehe ich in der Tat als wichtiges Kriterium an. Wenn man bedenkt wie nah Hoeneß an den Spielern dran war. Wir haben in unserer Firma momentan eine vergleichbare Situation. Einer unserer Obersten hat uns verlassen. Das hat zu einer spürbaren Verunsicherung unter uns allen geführt. Gegangen ist ein wichtiger Ansprechpartner und vor allem ein offener und immer fairer Mensch. Was kommt nun?
Wenn du für Dortmund bist wird es doch bestimmt ein super Spiel für dich ;-)
Du mußt es Dir nicht antun, hier weiter den Provokateur zu spielen! Ich sabotiere auch keine Dortmund-Foren und sondere dort Müll ab. Das ist eine Frage des Anstands.
Es ist nicht verwerflich, für Dortmund zu schwärmen. Tu das bei schwatzgelb oder wo auch immer …
Für Bayern-Fans war bis zur früh gewonnenen Meisterschaft und eigentlich noch (mit kleinen Schönheitsfehlern) bis zu den Spielen gegen Real die Welt in Ordnung. Wer als Sieger vom Platz geht hat alles richtig gemacht – egal wie unschön oder “glücklich” dies auch gewesen sein mag. Augsburg und Hoffenheim waren bessere Testspiele ohne Druck. Man konnte seine Stammspieler schonen, hatte die Möglichkeit seinen Reservespielern Spielpraxis und ein “Empfehlungsspiel” zu geben. Bei einem Kader von ca. 25 Mann völlig normal und eigentlich auch völlig richtig. Dies führte zu Kritik von anderen Clubs (angebliche Wettbewerbsverzerrung), die aber von Matthias Sammer berechtigt abgewiesen wurde. Schließlich ist es ja nicht die Schuld des FCB, wenn man diese Meisterschaft so früh gewinnen kann! Aber es passierte etwas, womit man nicht rechnen konnte. Teile der Stamm-Mannschaft wurden im Kopf etwas “träge” und fielen in ein mentales Loch. Die Warnung (nach einem Sieg) von M.S. wurde nicht verstanden: was soll das?- wir haben doch gewonnen! Aber eben (noch) nicht gegen eine absolute Weltklasse-Mannschaft. Und das Ergebnis ließ plötzlich ALLE aufschrecken und es wurde (logischerweise) nachgefragt, wie es denn dazu kommen konnte. Wenn die Analyse und der Kopf einiger Beteiligten nichts daraus gelernt hat …. wird es eng gegen den BVB. Es sei denn, er bleibt seiner Tradition der vergebenen Großchancen treu, aber damit sollte man nicht rechnen!