Mit Spielfreude zum 4:1 auf der Alm!

Daniel Trenner 17.10.2020

Nach den Länderspielen trat der FC Bayern die Reise nach Bielefeld an. Durch die zunehmenden Infektionszahlen waren an der Alm keine Zuschauer zugelassen, da es jedoch unklar ist, ob die Stadt Bielefeld überhaupt existiert, sollte das niemandem aufgefallen sein.

Falls Ihr es verpasst habt

Die Aufstellung 

Glücklicherweise kam kein Nationalspieler mit COVID-19 oder einer notwendigen Quarantäne zurück, Hansi Flick konnte somit weitgehend aus dem Vollen schöpfen. Einzig die Dauerverletzten Leroy Sané und Tanguy Nianzou fehlten weiterhin. Dazu gesellte sich Joshua Kimmich, der derzeit mit seiner Frau kurz vor dem zweiten Neuzugang steht. Das letzte Mal, dass Kimmich zwei Pflichtspiele für den FC Bayern in Folge verpasst hat, war im Dezember 2015.
Ansonsten wurde weitgehend zurück zur Top-Elf rotiert. Niklas Süle blieb in der Mannschaft, Alaba, Pavard und Hernández kamen neu dazu. Da Roca noch unerfahren ist, musste Flick mit dem ungeliebten Mittelfeldpaar Goretzka und Tolisso vorlieb nehmen, Müller und Lewandowski wurden von Coman und Gnabry flankiert.

Arminia Bielefeld spiegelte Bayerns Formation mit Fabian Klos in der Sturmspitze. Sie begegneten Bayern mit totaler Manndeckung.

1. Halbzeit

Nach einem anfänglichen Abtasten gelang Bayern das frühe Führungstor. Süle öffnete mit einem scharfen Flachpass auf Lewandowski, der mit der Seite im Rücklauf direkt auf Thomas Müller leitete. Müller hatte anfangs noch Glück, traf er doch zunächst die wohl falsche Entscheidung nochmal quer schieben zu wollen, der Ball prallte jedoch von einem Bielefelder zurück und diesmal machte es Müller selbst (9.).

Die Bayern waren auch im Folgenden munter unterwegs, brauchten aber trotz einiger Chancen etwas mehr als 15 Minuten um ihre Führung auszubauen. Coman und Goretzka pressten im Verbund de Medina, der das Gleichgewicht verlor. Goretzka hob die Kugel filigran über den liegenden Belgier, blieb aber mit Ball noch im Spielfeld. Eine flache Flanke später kam Lewandowski stehend zentral vor dem Tor zum Schuss, der perfekt einschlug (27.).
Direkt danach entstanden weitere Chancen für Bayern durch wieder Lewandowski und Tolisso, aber auch Fabian Klos vergab eine Chance zum Anschlusstreffer. Beide Torhüter zeigten ihre ganze Klasse, obgleich Bielefelds Ortega logischerweise viel mehr zu tun bekam.

Mit der letzten Aktion der Halbzeit erhöhten die Bayern noch einmal. Tolisso fing einen Befreiungsschlag der Arminia ab, über Müller gelang der Ball zu Lewandowski, der nach perfekter Ballannahme sich kurz drehte und sofort abschloss. Ortega war noch mit den Fingerspitzen dran, doch der Schuss war zu fest (45.).

2. Halbzeit 

Ohne Wechsel kamen beide Mannschaften munter aus der Kabine und vergaben sogleich zwei Großchancen. Wie das ganze Spiel über waren es aber die Bayern, die diese vergebenen Chancen weniger trafen, weil sie einfach immer nachlegten. Lewandowski flankte von der rechten Seite zu Müller, der den Ball volley über den Spann rutschen ließ (51.).

Nun allerdings reichte Bielefeld endlich das Spielglück zum Ehrentreffer. Nachdem Bayern fast völlig aufgerückt war, konterten die Westfalen über Klos, der gegen Alaba und Pavard den Ball ausreichend lange hielt, bis er auf Ritsu Dōan stecken konnte. Einen Übersteiger später war der Ball bereits in Neuers langer Ecke eingeschlagen (59.).

In der 65. Spielminute wechselte Flick (endlich) und brachte Martínez und Costa für Goretzka und Gnabry. Mit der hohen Führung wurden die Bayern nachlässig, ließen wieder Dōan gefährlich zum Abschluss kommen (70.). Schlimmer wurde es als einige Minuten später Javi Martínez Tolisso ungenau den Ball zurückspielte, und ins Laufduell mit Klos zwang. Tolisso sah keine andere Wahl als sich mit einer Notbremse zu opfern, Schiedsrichter Siebert hatte keine andere Wahl, als den ansonsten stark spielenden Franzosen runterzustellen (76.). Für eine Aufbruchstimmung war das Resultat aber zu eindeutig, am Spiel änderte sich wenig, bei beiden Teams war die Luft ein wenig raus.

Zehn Minuten später zog Flick den nächsten Doppelwechsel und brachte die “Helden” des Pokals von vorgestern mit Choupo-Moting und Musiala für Lewandowski und Coman. Momente vor Schlusspfiff kam noch Davies für einen angeschlagenen Hernández. Am Mittwoch empfängt der FC Bayern den spanischen Top-Club Atlético Madrid.

Dinge, die auffielen

1. Spielfreude trotz kreativem Engpass

Beim Blick auf die Startaufstellung erblasste so manch Zuschauer bereits. Goretzka und Tolisso in der Mitte erinnerten an ganz dunkle unkreative Zeiten. In den letzten Jahren waren Bayerns Trainer einige Male bei der Rotation tatsächlich gezwungen ohne echten kreativen Mittelfeldspieler zu beginnen und fast immer entwickelte sich ein sehr zähes Spiel.

Heute jedoch entpuppten sich die Sorgen als unbegründet, Goretzka und Tolisso zeigten beide gegen Arminias Manndeckung eine ihrer spielerisch besten Partien. Verteilten klug und genau den Ball, vergaßen dabei aber auch die Defensivarbeit nie. Goretzka zeigte am Ende der ersten Halbzeit sogar eine lupenreine Philipp-Lahm-Grätsche.

Dazu gesellte sich ein im Spielaufbau heute bärenstarker Niklas Süle. Das erste Tor entstand nachdem Süle Bielefelds Mittelfeld mit einem messerscharfen Flachpass überspielte, das zweite bereitete Goretzka unwiderstehlich vor, beim dritten fing Tolisso Bielefelds Befreiungsschlag ab.

2. Rückkehr des Torjäger-Müllers?

Lange Jahre war Thomas Müller weltweit vor allem für eins gefürchtet: Tore schießen. Je größer das Ereignis, desto mehr schien Müller zum Torjäger zu mutieren. Auch in der Liga schoss Müller regelmäßig eine zweistellige Anzahl an Toren, doch dann änderten sich die Dinge ab 2016. Die weitere Geschichte ist bekannt, ebenso wie Müllers Wiedererweckung unter Hansi Flick. Doch auch im letzten Jahr war Müller nicht mehr der alte Müller, anstatt eines Torjäger-Müllers schien er endgültig ein Assist-Müller geworden zu sein. Schade war die Transformation kaum, schließlich explodierte die Anzahl seiner Vorlagen regelrecht.

Eine kleine Rückkehr zum Torjäger zeigte er dann in der Champions League gegen Barcelona, gleich doppelt traf er noch in der ersten Halbzeit und das auf recht seltsame Art und Weise. Müller eben. Die Saison ist noch jung, doch womöglich scheint dies ein Vorbote zu einer neuen Phase seiner Karriere gewesen zu sein. Eine Zusammenführung der beiden Müllers.

Assistieren scheint er immernoch nach belieben, in jedem der vier Bundesligaspiele legte er einem Mitspieler je einen Treffer auf, auch heute. Doch nun trifft er auch wieder mehr, trifft er vor allem wieder schön müllerig. Bei beiden seiner Tore heute ist seine Körperhaltung beim Abschluss gewohnt sonderbar, gewohnt seltsam. Beim ersten Treffer war er noch zu sehr der Vorlagenkönig, wollte Coman den Ball auflegen, wo er selbst doch in besserer Abschlussposition war, beim zweiten ließ er den Ball einfach müllerig über den Schlappen abtropfen. Ein wenig hat man das Gefühl, dass der Müller von vor zwei Jahren das Spielgerät noch zu den leeren Sitzschalen geschmettert hätte.

Mit nun drei Saisontoren hat er bereits nach vier Spieltagen fast halb so viele Tore auf dem Konto wie in der gesamten letzten Saison. Eine Saison, die er immerhin als offiziell sechstbester Spieler Europas beendete.

3. Atlético im Blick

Der Saisonkalender ist so prall gefüllt, dass kaum die Stimmung aufkommt, kurz vor einem Topspiel zu stehen. Am Mittwoch kommt mit Atlético Madrid einer der besten Mannschaften der Welt zu Besuch zum womöglich wichtigsten Champions-League-Spiel der Hinrunde. Ein Sieg würde die Weichen schon stark auf K.O.-Phase stellen und dem Trainer in den weiteren Spielen Luft zur Rotation verschaffen.

Hansi Flicks Personalentscheidungen kann man daher auch mit Blick auf das große Duell in der Königsklasse bewerten. Sollte er sich in den letzten Minuten dieses Spiels nicht verletzt haben, kann man Lucas Hernández eigentlich derzeit nicht aus der Mannschaft nehmen. Ganz unabhängig von seiner Motivation gegen sein Ex-Team gut zu spielen, ist er vielleicht derzeit der beste Abwehrspieler Bayerns.

Auch gegen Bielefeld zeigte sich der Weltmeister emsig und zweikampfstark, dazu liegt ihm auch immer mehr die Rolle des Linksverteidigers bei Bayern. Davies’ brachialen Speed bringt der Franzose zwar nicht mit, doch er scheint sich trotzdem immer mehr im Passspiel der Bayern wohl zu fühlen. Sogar seine Flanken sind mittlerweile nicht zu verachten, nur Ortegas fabelhaftem Torwartspiel ist es zu verdanken, dass Hernández’ Flanke aus der Drehung auf Lewandowski gegen Ende der ersten Hälfte, nicht zum Scorerpunkt reichte.

Mit der zu erwarteten Rückkehr von Alphonso Davies, müsste Flick eigentlich seinen Abwehrchef Alaba in diesem wichtigen Spitzenspiel rausnehmen, falls er nicht von seiner Linksfuß-Politik abrückt. Der Österreicher war zwar insgesamt verbessert heute, doch in den großen Innenverteidiger-Szenen macht er derzeit gar keine gute Figur. Seine Abwehrarbeit bei Klos’ Durchbruch kurz vor Halbzeitschluss war hier einfach ungenügend, zwang Neuer zur Rettungstat.

Im Mittelfeld ist mit Kimmichs Rückkehr zu rechnen, doch beide zentralen Mittelfeldspieler konnten Punkte für sich sammeln. Weil Tolisso auch am Mittwoch lange für Frankreich spielte, dürfte er das kürzere Los ziehen, auch wenn er in der Liga fortan gesperrt ist. Dennoch sollte seine Leistung ihm Aufwind bereiten und Flick könnte in ihm womöglich nun mehr denn je eine starke Einwechseloption sehen.

Serge Gnabry, Thomas Müller und Robert Lewandowski ließ Flick heute trotz ihrer Einsätze unter der Woche erstaunlich lange auf dem Feld. Sie werden wohl trotzdem am Mittwoch nochmal durchbeißen müssen.