Meister im Daunenmantel oder: Die Tage der „Humbas“ beginnen
Nun war es für die Hertha aus Berlin sicherlich mit der schlechteste mögliche Zeitpunkt, um auf den Rekordmeister zu treffen. Schlecht in Form, dazu eine Vielzahl an verletzten Spielern und vor der Nase die noch einmal bis in die Haarspitzen motivierte, ohnehin beste Vereinsmannschaft der Welt. Daher sah Jos Luhukay auch von der Mainzer „gemäßigte Attacke“-Taktik ab und wählte den Klassiker: Hinten reinstellen und auf Gnade seitens der Roten hoffen.
Der Plan ging zum Teil auf. Zwar legten die Münchner los wie die Feuerwehr (schließlich ging es ja um etwas) und gingen recht schnell mit 2:0 in Führung, danach jedoch nahm man einige Gänge zurück (schließlich war das Tageswerk damit vollbracht) und machte den Berlinern sogar ein kleines Auswärtsgeschenk. Die Tore der ersten Halbzeit waren wieder einmal traumhaft. In der 6. Minute steckte Schweinsteiger elegant auf Müller durch, der van den Bergh ins Aus rutschen ließ und über den Umweg Christoph Janker zu Toni Kroos zurücklegte, der wiederum Thomas Kraft keine Chance ließ und ins kurze Eck verwandelte. Auch wenn allgemein spielerisch Luft nach oben war, zeigten sich die Bayern immer wieder mit beeindruckenden Kombinationen. Speziell das 2:0 in der 14. Minute dürfte Pep gefallen haben. Denn eigentlich, in den Zusammenfassungen nicht voll gezeigt, beginnt der zum Tor führende Spielzug mit einer raumöffnenden Passstafette über Alaba und Kroos im Mittelfeld. Kroos spielt aus dem gewonnenen Platz heraus einen seiner gefürchteten, präzisen langen Bälle, den der einlaufende Rafinha auf Schweinsteiger zurücklegt, der direkt per Chip-Flanke Mario Götze bedient. Kopfballungeheuer Götze fungiert in dieser Situation als echter falscher Neuner und köpft zur Vorentscheidung ein. Das Prädikat „Nicht zu verteidigen“ ist in diesem Fall angebracht. Bis zur Halbzeit spielten die Bayern weiter Tempofußball, auch bedingt durch die ängstliche Hertha, die die andere Hälfte des Platzes erst nach dem Seitenwechsel kennen lernen sollte. Die Berliner konnten sich unter anderem bei der Latte (Müller, 37.) bedanken, dass man nicht höher in Rückstand lag.
In der zweiten Hälfte schaffte es die Mannschaft, ihrem Trainer ein Sorgenfältchen auf die Stirn zu treiben, was, zugegebenermaßen, angesichts der guardiolaschen Akribie nicht allzu schwer ist. Dass die Berliner allerdings sogar in den Genuss eines Treffers kamen, lag weniger an ihnen selber, als vielmehr an Schiedsrichter Marco Fritz, der einen kleinen Schubser von Rafinha im Strafraum als Foul bewertete. Trotz des Gegentores: alles im Rahmen. Pep sah das allerdings nicht so – und schickte zum Schrecken der Berliner Ribery und Mandzukic aufs Feld. Europas Fußballer des Jahres 2013 und der aktuell führende der Bundesliga-Torschützenliste sollten noch einmal Schwung in die Partie bringen. Und das taten sie. Über Götze, der sich an der Mittellinie gut durchsetzte, lief der Angriff in der 79. Minute in Richtung Strafraum. Der durch die Mandzukic-Einwechslung von der falschen Neun auf die echte acht gerückte Götze hatte zwei Optionen, kann entweder auf „Mandzu“ rechts spielen oder aber, etwas schwieriger, auf Ribery links – klare Entscheidung: Nur schwierige Tore sind schöne Tore. Ribery denkt gar nicht erst daran, den Ball anzunehmen oder nochmal zurückzulegen, sondern lupft direkt an Kraft vorbei. Ein drittes Traumtor.
Danach passierte nichts mehr – Highlight war der Schlusspfiff, der Guardiolas ersten Titel in Deutschland besiegelte. Ein Titel, der nie zur Debatte gestanden hatte, so schien es zumindest. Und zum ersten Mal seit seiner Ankunft, zeigte sich Pep im Interview auch von seiner wirklich entspannten Seite. Nicht er, sondern die Mannschaft sei für die überragende Leistung in der Bundesliga verantwortlich – mit dieser Einstellung und diesem Willen soll es weitergehen Richtung Titel Nummer 2 und 3.
Während Teammanagerin Kathleen Krüger, die wie alle anderen Mitarbeiter zuvor innig vom Trainer umarmt worden war, noch versuchte, die katalanische Glatze mit einer Meister-Cap zu dekorieren (was erneut Sorgenfalten auf Guardiolas Stirn hervorrief), gaben sich Schweinsteiger und Müller vor der Kurve als Zeremonienmeister. Während an der Leopoldstraße ob der kalten Temperaturen noch sparsam gebierduscht und gemiasanmiat wurde, initiierte der dick eingepackte Müller die erste Humba des Jahres.
Denn wir sind Deutscher Meister. Im März.