Manchester United – FC Bayern 1:1 (0:0)

Steffen Trenner 02.04.2014

Nach der Pause brachte Moyes Kagawa für Giggs und erhöhte damit ein wenig den Druck im Pressing. Das 0:1 durch Vidic fiel dennoch aus dem Nichts nach einer Ecke, die Bayern unglaublich schlecht verteidigte (58.). Guardiola reagierte mit Mandzukic für Müller und Bayern erhöhte merklich den Druck. Bastian Schweinsteiger traf nach schöner Kopfball-Vorarbeit von Mandzukic zum 1:1-Ausgleich in den Winkel (67.). Danach weiter viel Bayern-Ballbesitz und einige Halbchancen. Insgesamt wirkten die Münchener jedoch mit dem Ergebnis zufrieden und vermieden in der Schlussphase das allerletzte Risiko. Bastian Schweinsteiger sah kurz vor Schluss eine zumindest umstrittene zweite Gelbe Karte und damit Gelb-Rot und wird dem FC Bayern im Rückspiel fehlen. Gleiches gilt für Javi Martínez, was die Auswahlmöglichkeiten für Guardiola im Rückspiel stark beschränkt.

Es wird ein hartes Stück Arbeit im Rückspiel.

3 Dinge, die auffielen:

1. United noch defensiver als erwartet

Ich hatte es in der Vorschau geschrieben, dass Manchester sich ob der spielerischen Überlegenheit der Münchener nicht auf ein Spiel auf Augenhöhe einlassen wird. So defensiv und in Teilen auch destruktiv habe ich die Elf von David Moyes allerdings nicht erwartet. Es überraschte zunächst, dass der United-Coach Kagawa unten ließ – nach wenigen Minuten war jedoch klar warum. Moyes brauchte keinen Spieler der als Verbindung zwischen Defensive und den durchstartenden Angreifern agierte, da Manchester das Mittelfeld stets überbrückte und den Ball meist direkt aus der eigenen Hälfte weit nach Vorne drosch. Ein Vorteil dieser Maßgabe war, dass Bayerns Gegenpressing, das gerade zu Beginn noch gut funktionierte so nur extrem wenig Zeit hatte, um zuzugreifen.

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Ich habe lange keine Mannschaft mehr gesehen, die so konsequent mit hohen, langen Bällen agierte wie Manchester United an diesem Dienstag-Abend. Selbst Abstiegskandidaten in der Bundesliga spielen heute keinen solchen Fußball mehr. United postierte sich nach einer kurzen Phase des Angriffspressings in den ersten fünf Minuten mit sieben bis acht Feldspielern dicht gestaffelt um den eigenen Strafraum. Auffällig war dabei, dass die Red Devils nur sehr selten auf den Flügeln doppelten, sondern vor allem Pässe durch die Schnittstellen und Abschlüsse im Zentrum verhindern wollten. Das gelang über weite Strecken gut. 7 Torschüsse der Münchener wurden abgeblockt. Insgesamt schossen die Gäste übrigens 16 Mal aufs Tor – Manchester nur 6 Mal. Richtig gefährlich wurde es aber auf beiden Seiten nur in 2-3 Szenen.

Moyes hatte sich mit Fellaini, der nominell als zentraler offensiver Mittelfeldspieler begann, noch etwas besonderes überlegt. Der Hüne sollte einerseits bei langen Bällen als zusätzlicher Kopfball-Spieler agieren und gleichzeitig die Kreise von Schweinsteiger und Lahm im Aufbauspiel stören. Effektiv war das jedoch so gut wie gar nicht. Fellaini hing in der Luft. Manchester erspielte sich aus dem Spiel heraus nur eine echte Torchance. Mit der Hereinnahme von Kagawa für den schwachen Giggs zur Pause wurde das Spiel etwas passintensiver und das Gegenpressing (Manchester erzwang so die Ecke vor dem 0:1) etwas bissiger – an der Grundausrichtung änderte sich jedoch insgesamt wenig. Ich bin wirklich erstaunt, dass eine solche Spielweise im Jahr 2014 im Viertelfinale der Champions League tatsächlich noch möglich ist. Der (Teil)-Erfolg mit dem 1:1 gibt Moyes im Nachhinein leider sogar recht.

2. Fehlende Lösungen in Bayerns Offensivspiel

Vielleicht ist es das letzte taktische Geheimnis im modernen Fußball. Wie gelingt es gegen eine Mannschaft, die mit 8-9 Spielern vor dem eigenen Strafraum steht, aus dem Spiel heraus hochprozentige Chancen zu kreieren? Selbst der FC Barcelona hatte in seiner Hochphase vor 2-3 Jahren immer wieder Probleme beispielsweise mit den Mourinho-Teams. Moyes Ausrichtung war hier im Vergleich noch extremer. Bayern versuchte es lange mit einer zunehmend frei schwebenden, positionslosen Offensive und zahlreichen Diagonal- Horizontal- und Vertikalläufen von Robben und Ribéry, die damit gleichzeitig die beiden hinterlaufenden Außenverteidiger freispielten. Für Kombinationen durch die Schnittstellen fehlte aber spätestens 20 Meter vor dem Tor der Platz. Ein weiteres Problem: War der Ball auf dem Flügel, blieb meist nur der Weg zurück, da Flanken auf Müller gegen die beiden kopfballstarken Innenverteidiger Vidic und Ferdinand wenig vielversprechend waren. Einzig einige flache Hereingaben von Alaba sorgten zunächst für Gefahr. Insgesamt, auch das muss einmal festgehalten werden war die Defensiv-Leistung der United-Viererkette hervorragend.

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Ich bin mir momentan nicht sicher was die Lösung auf diese Herausforderung ist. Der mantraartige Hinweis auf „zu wenig Kreativität“ und „zu wenig Ideen“ ist mir zu einfach. An Ideen mangelt es nicht – wohl eher an der Risikobereitschaft diese auch umzusetzen. Es geht gegen so tiefstehende Gegner wahrscheinlich darum, noch konsequenter auf Torabschluss-Situationen im Strafraum zu drängen und die Viererkette durch einen Mix aus Flanken, Schnittstellenpässen und Dribblings immer wieder vor Aufgaben zu stellen. Nur so können Fehler und damit Torchancen erzwungen werden. Dazu gehört natürlich immer auch das Risiko eines Ballverlustes. Dennoch sollte Guardiola seine Elf gerade gegen tiefstehende Gegner ermutigen dieses Risiko zumindest in Tornähe stärker in Kauf zu nehmen. Es war zumindest auffällig wie oft der mögliche Pass in den Rücken der Abwehr oder durch die Schnittstelle auf einen der durchgestoßenen Offensiv-Akteure nicht kam. Gleiches gilt für die Direktheit im Umschaltspiel. Bayern verschleppte nach Ballgewinn einige vielversprechende Umschaltsituationen. Genau das sind die Momente, in denen eine ansonsten dicht gestaffelte Defensive aus der Balance zu bringen ist.

Im Nachhinein wäre sicher auch die Aufstellung von Mario Mandzukic von Beginn an die bessere Wahl gewesen. Seine physische Präsenz und seine Kopfballstärke, die er zum Beispiel bei der Vorarbeit zum 1:1 bewies, sind Fähigkeiten, die gegen einen so tief stehenden Gegner ein wichtiges Element sein können. Allerdings wird auch Guardiola davon überrascht gewesen sein wie tief und wie destruktiv der englische Rekordmeister agierte. Von daher war die Wahl eines spielerischen Stürmers mit Müller durchaus nachvollziehbar. Einen Vorwurf kann ich Guardiola deshalb nicht machen. Im Rückspiel erwarte ich dennoch, dass Mandzukic die Chancen von Beginn an bekommt.

3. Sperren reißen ein Loch

Die Gelb-Rote Karte gegen den insgesamt hervorragenden Bastian Schweinsteiger war sicher umstritten. Für mich war es in der Situation kein Gelb, aber auch keine Schwalbe von Rooney. Dass Schweinsteiger kurz vor Schluss am gegnerischen Strafraum Gelb vorbelastet überhaupt zu einer Grätsche ansetzt, ist zudem zu hinterfragen. Weil auch Javi Martínez im Rückspiel gesperrt fehlen wird, gehen Guardiola langsam die Auswahlmöglichkeiten aus. Wenn sich keiner mehr verletzt spricht im Rückspiel sehr viel für Lahm und Kroos auf den zentralen Mittelfeldpositionen mit Götze oder Müller davor. Götze hatte in der Schlussphase hatte ein paar gute Szenen und gefällt mir generell als Einwechselspieler momentan sehr gut. Wirklich eingespielt ist diese Kombination nicht. Lahm spielte meist mit Schweinsteiger oder Thiago an seiner Seite. Auch wenn ich es nicht unbedingt erwarte, könnte Guardiola diese Kombination am Wochenende gegen Augsburg durchaus mal über 50-60 Minuten testen, um einige Abläufe für das Rückspiel einzustudieren.

Gerade Kroos wird im Rückspiel besonders gefordert sein und muss nachweisen, dass er in der Lage ist auch ohne Schweinsteiger an seiner Seite Verantwortung in einem großen Spiel zu übernehmen. Es wird gerade für ihn persönlich ein ganz großer Test. Für Guardiola ist die Situation ohnehin eine Herausforderung. Verletzen sollte sich nun bitte niemand mehr.