Nach dem LIGA total! Cup – Bayerns sechs Fragezeichen

Steffen Trenner 05.08.2012

1. Wie schwer wiegt der Ausfall von Mario Gomez? 

Freie Gelenkteile im Sprunggelenk – so lautet die beunruhigende Diagnose nach Gomez’ verletzungsbedingter Auswechslung im LIGA total! Cup. Dass seine prognostizierte Ausfallzeit zudem erst nach der Durchführung der OP beziffert werden kann, verschärft die Lage. Von zwei Wochen bis zu mehreren Monaten Verletzungspause scheint momentan alles möglich. Beendet ist damit vorerst auch die inhaltlich unnötige, von Präsident Uli Hoeneß angezettelte Qualitätsdebatte über den Stürmer Mario Gomez. Einen Spieler, der national und international seit zwei Jahren zu den besten Torschützen zählt, grundsätzlich zu kritisieren und in seiner Spielweise verändern zu wollen, erscheint fragwürdig. Ohnehin schien der Vorstoß von Hoeneß vor allem küchenpsychologisch motiviert zu sein, als wirklich inhaltlich fundiert. Dass der als Phlegmatiker verschriene Gomez im CL-Finale im Gegensatz zu Anderen Verantwortung übernahm und einen Elfmeter verwandelte spricht allerdings gegen eine Charakterschwäche des Stürmers. Doch zurück zu den Auswirkungen der Gomez-Verletzung.

Zunächst einmal zeigt sich, dass sich die Investitionen in die Breite des Kaders schon jetzt auszahlen. Ein längerfristiger Ausfall von Gomez hätte den FC Bayern im Vorjahr vor riesige Probleme gestellt. Jetzt stehen mit Mario Mandzukic und Claudio Pizarro zwei Stürmer als Alternative parat, die im vergangenen Jahr bei deutlich schlechter platzierten Teams zusammen 30 Tore und 20 Voralgen produzierten. Mario Mandzukic scheint nach den Eindrücken der ersten Tests und den Verletzungsproblemen Pizarros die Nase vorn zu haben falls Gomez tatsächlich zum Saisonstart ausfällt. Mandzukic ist ein laufstarker Stürmer, der jedoch ähnlich wie Gomez im schnellen Kombinationsspiel an der Strafraumkante an seine Grenzen stößt. Dafür hat Mandzukic mehr als Gomez absolute Finisher-Qualitäten im Kopfballspiel, was er auch zuletzt bei der EM bewies. Mandzukic wird sich jedoch genau wie Gomez in seiner Anfangszeit bei den Bayern umstellen müssen. Während er in Wolfsburg, wie Gomez zuvor in Stuttgart, häufig nur an der Mittellinie warten musste und dann bei Ballgewinn seine Schnelligkeit im Konterspiel ausspielen konnte, wird von einem Mittelstürmer im Belagerungsfußball des Rekordmeisters eine andere Spielweise erwartet. Neben Torabschlüssen im Strafraum, vor allem nach Hereingaben von außen, zählt dazu insbesondere das Spiel mit dem Rücken zum gegnerischen Tor und die Fähigkeit durch Diagonal-Läufe auf die Flügel, Platz für die Außenspieler der Bayern zu schaffen. Mit Claudio Pizarro steht eine sehr gute Alternative bereit, der sowohl als Starter, als auch als Einwechselspieler mit seiner schlitzohrigen Spielweise in jeder Situation weiterhelfen kann. Vorausgesetzt er wird und bleibt fit.

Fazit: Auch wenn Gomez Torquote kaum zu ersetzen ist. Mit Mandzukic und Pizarro stehen sehr gute Alternativen bereit. Dies sollte Gomez auch die Möglichkeit eröffnen nach seiner OP in Ruhe fit zu werden.

2. Quo Vadis Schweini? 

Wohl jeder Bayernfan leider in dieser Phase mit der Identifikationsfigur Bastian Schweinsteiger. In der Hinrunde des Vorjahres vielleicht in seiner stärksten Phase im Bayern-Dress verlief das Jahr 2012 bisher wie ein Fluch. Drei mittelschwere bis schwere Verletzungen, Emotionale Tiefschläge im CL-Finale und der EM und jetzt ein verkorkster Auftakt in die neue Saison mit verschossenem Elfmeter und erneuter Verletzung. Es fällt schwer in der derzeitigen Phase in Bastian Schweinsteiger hinein zu schauen. Seine Interviews seit dem Champions League Finale wirkten phasenweise verstörend. Auf dem Platz merkt man ihm, der ohnehin nie der endschnellste Spieler war, die fehlende körperliche Top-Form an. Klar ist: Der FC Bayern wird auf Bastian Schweinsteiger warten – dafür ist er sportlich zu wichtig und als Charakter ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Dennoch fehlen im Gegensatz zur Situation im Sturm die Alternativen. Die einzig Adäquate heißt Toni Kroos, der aber auf der spielgestalterischen Sechser-Position in der Vergangenheit mit Licht und Schatten agierte. Je nachdem wie die Ärzte und Schweinsteiger selbst seine Situation einschätzen desto größer wird möglicherweise der Druck doch noch auf dem Transfermarkt tätig zu werden. Javi Martinez und Lars Bender heißen die bekannten Kandidaten, für die jedoch tief in die Tasche gegriffen werden müsste.

Fazit: Die nächsten Tage werden entscheidend für die Frage nach einem Transfer auf der 6er Position. Heynckes ist gut beraten Schweinsteiger trotz der schwierigen Kadersituation genügend Zeit zu geben um richtig gesund und fit zu werden. Langfristig wird sich dies mit Sicherheit auszahlen.

3. Wer ist die Alternative zu David Alaba auf der linken Verteidigerposition? 

Alaba schien in der Vorbereitung den nächsten Schritt in seiner Karriere vorzubereiten. Seine Leistungen auf der linken Verteidigerposition hatten am Ende der vergangenen Saison internationales Format. Durch seinen frühen Einstieg in die Vorbereitung wirkte Alaba im Trentino austrainiert und hungrig. Sein Ausfall wiegt schwer. Die logische Alternative auf seiner Position heißt Diego Contento, der in der Vergangenheit nur selten enttäuschte aber auch selten wirklich glänzte. Contento ist ein solider Backup, der nun jedoch ebenfalls durch eine Verletzung zurück geworden wird. Heynckes probierte im LIGA total! Cup Luiz Gustavo und Emre Can auf der linken Verteidigerposition. Während Can fremdelte ließ sich Gustavo im Spiel gegen Bremen einige Male bedenklich überlaufen. Gustavo bleibt jedoch ein hervorragender Zweikämpfer der den Saisonstart ohne Bedenken auf dieser Position eingesetzt werden kann. Die offensive Dynamik von Alaba hat er jedoch nicht. Eine weitere Variante wäre der erneute Wechsel von Phillip Lahm auf die inverse Linksverteidiger-Position. Da auch Rafinha verletzungsbedingt ausfällt könnte in diesem Fall Boateng wieder auf Rechts rücken.

Fazit: Heynckes wird die Zeit bis zum Saisonstart nutzen um weiter zu testen. Die sicherste Variante heißt Lahm und Boateng auf den Außenverteidiger-Positionen. Trotz der angespannten Personalsituation sind personelle Nachrüstungen quasi ausgeschlossen. Vor allem weil kaum kein adäquater Außenverteidiger zu haben ist.

4. Verdrängt Shaqiri Müller auf die Bank?

Klar ist: Die vier Offensiven bleiben das Herzstück der Bayern. Heynckes wird die Gelegenheit nutzen und viel mehr rotieren als noch im vergangenen Jahr. Ribery, Robben und Kroos haben einen Bonus. Sollte Kroos für Schweinsteiger auf die 6 rutschen streiten sich Müller und Shaqiri um den Platz in der offensiven Zentrale. Ribery wirkt schon wieder gut in Form und Robben wird davon profitieren zum ersten Mal bei Bayern eine komplette Vorbereitung absolviert zu haben. Shaqiri beeindruckte bisher in jedem Testspiel. Herausragend im Konterspiel, sehr gut im Eins gegen Eins und absolut konkurrenzfähig im Kurzpassspiel auf engstem Raum. Zudem bewies er den Zug zum Tor den Müller zuletzt immer mehr vermissen ließ. Zwar tauchte auch Müller zum Beispiel im Spiel gegen Bremen im LIGA total! Cup so oft im Strafraum auf wie lange nicht – seine momentan fehlende Effektivität im letzten Drittel bleibt jedoch ein Problem. Der Vorteil ist: Sowohl Müller, als auch Shaqiri können auch sehr gute Waffen von der Bank sein, da ihre Spielweise keine Eingewöhnungszeit auf dem Feld benötigt.

Fazit: Sollte Kroos auf die Sechs rutschen dürfte Shaqiri die erste Wahl auf der zentralen Offensivposition sein. Wird Schweinsteiger fit, kommen Müller und Shaqiri wohl von der Bank und werden gehörig Druck auf die Etablierten ausüben. Ribery und Robben werden sich in dieser Saison immer mal wieder mit einem Platz  auf der Bank anfreunden müssen. Begreifen sie dies als Chance, um in den entscheidenden Spielen die letzten Körner abrufen zu können, wird das Rotationsprinzip wieder zu einer Stärke der Bayern.

5. Boateng, van Buyten oder Dante neben Badstuber? 

Trotz einiger Schwächen Badstubers im Spiel gegen Werder Bremen im Liga Total Cup – der Nationalspieler bleibt gesetzt. Neben ihm entbrennt der Kampf um den zweiten Platz in der Innenverteidigung. Van Buyten bleibt die solide Alternative und wird mit Sicherheit im Laufe der Saison Spielanteile bekommen. Dante wirkte in seinen ersten Spielen im Bayern-Dress wie ein Klon des in den vergangenen Jahren schmerzlich vermissten Lucio – nur ohne dessen patentierte Vorstöße in die Offensive. Dante spielt im Zweikampf kompromisslos und wirkt in der Ansprache der Mitspieler deutlich und präsent. Die Frage ob die Variante mit zwei Innenverteidigern mit starkem linken Fuß im Spielaufbau ein Problem darstellen könnte, ist nicht abschließend geklärt. Boateng wirkte in seinen ersten Auftritten nach der EM-Pause fahrig und wird sich strecken müssen.

Fazit: Auch hier bleibt Heynckes noch Zeit um verschiedene Varianten zu testen. Dante ist vom Auftreten her vielleicht so etwas wie der Typ Jeremies, den Hoeneß im Saisonendspurt der vergangenen Saison vermisste. In der Bundesliga gehörte er schon in den vergangenen Jahren zu den Besten auf seiner Position. International fehlt Dante im Gegensatz zu Boateng diese Reputation.

6. Sind Weiser und Can schon bereit für den nächsten Schritt?

Heynckes traut beiden sehr viel zu. Das zeigen ihre Spielanteile in der Vorbereitung. Weiser ist trotz seines Tors im LIGA total! Cup sicher noch keine ad-hoc-Alternative zu den Stars der Bayern in der Offensive. Einsätze bei Bayern II in der Regionalliga, bei denen er sofort Verantwortung übernehmen müsste, würden seine Entwicklung befördern. Can war in der Jugend in der Lage einem Spiel allein durch seine körperliche Überlegenheit in der Mittelfeldzentrale seinen Stempel aufzudrücken. Körperlich ist er schon jetzt bereit für die Bundesliga – das haben seine Auftritte in den Testspielen bewiesen. Mit der Spielgestaltung ist er dagegen verständlicherweise noch überfordert und wirkte in vielen Situationen mit dem Ball am Fuß nicht handlungsschnell genug. Spannend wäre ein Experiment mit Can als defensiver Sechs neben einem Spielgestalter Kroos oder Schweinsteiger. Allein die Zeit für Experimente scheint zum Saisonstart noch nicht gekommen. Auch ihm würde Spielpraxis im Scholl-Team in der Regionalliga helfen, insbesondere dann wenn er dort spielgestalterische Verantwortung übernehmen muss.

Fazit: Weiser und Can werden in dieser Saison die Chance bekommen im Training und in Kurzeinsätzen Bundesliga-Luft zu schnuppern. Zu mehr reicht es momentan noch nicht.