Kommentar: Mit Vincent Kompany macht der FC Bayern wieder Spaß

Justin Trenner 29.09.2024

Dass sich dieses 1:1 gegen Bayer 04 Leverkusen am Ende für den FC Bayern zumindest ein bisschen schlecht angefühlt hat, lag daran, dass man von den Spielanteilen her eigentlich mehr verdient gehabt hätte. Die Münchner hatten die besseren Chancen, die bessere Spielanlage und sie flößten dem Gegner wieder Respekt ein.

Der sonst so selbstbewusste Deutsche Meister sprach unter anderem davon, dass man die ersten 15 Minuten in der Allianz Arena überstehen musste und sich vor allem darauf fokussierte, defensiv gut zu stehen. Nach vorn ging für die Werkself nichts.

Dass sie ohne echte Chance dennoch in Führung gingen, spricht für sie und ihre Qualität. Zumal sie gut verteidigt haben. Bayern ist in Topform und präsentierte sich auch am Samstagabend wieder offensiv, aggressiv und hungrig. Diesem Druck standzuhalten, fiel Leverkusen nicht leicht.

KEINEN ARTIKEL MEHR VERPASSEN – JETZT UNSEREN WHATSAPP-KANAL ABONNIEREN!

Für Vincent Kompany war diese Partie der erste große Test der Saison. Wie tauglich ist sein System für Fußball auf höchstem Niveau? Die Antwort: Sehr tauglich. Auch weil der Belgier bisher sehr clever agiert, taktische Anpassungen je nach Gegner vornimmt und seinen Spielern sehr klare Vorgaben macht.

„Er erklärt den Spielern noch viel konkreter, was er wünscht“, sagte Minjae Kim nach der Partie über seinen Trainer. Kompanys bisherige Arbeit hinterlässt auf allen Ebenen Eindruck. In nahezu jedem Spiel gibt es kleine taktische Veränderungen, ohne aber die übergeordnete Strategie zu verändern.

Vincent Kompany: Wie Flick? Es gibt wichtige Unterschiede

Die Bayern haben bisher eine gute Balance aus dem Willen, das eigene Spiel durchzusetzen und dem Bewusstsein, dass Gegneranalyse kein Zeichen von Schwäche ist. Verglichen wird der sehr dynamische und schnelle Fußball dieser Tage gern mal mit dem, was die Bayern unter Hansi Flick gespielt haben.

Parallelen sind das hohe Pressing und das mitunter schnörkellose und direkte Spiel. Doch Kompany zeigt schon jetzt, dass es wichtige Unterschiede gibt. Flick war beim FC Bayern die moderne Version von „Geht’s naus und spuits Fußball“. Sein Fußball konnte nur zu diesem Zeitpunkt und nur unter den damaligen Umständen so funktionieren. Nachhaltig war das aber nicht.

Wie nachhaltig Kompanys Ideen sind, bleibt abzuwarten. Für eine derartige Bewertung ist es viel zu früh. Doch was sich schon jetzt beobachten lässt, ist, dass der 38-Jährige und sein Trainerteam viel mehr Zeit in Detailarbeit stecken als es beispielsweise Flick tat.

Gegen Leverkusen baute man das Spiel sehr gezielt auf, indem man Leverkusen etwas lockte und so den größten Raum, den es in einem 3-4-3 respektive 5-2-3 gibt, noch weiter öffnete: Hinter den Halbraumzehnern Wirtz und Terrier und neben den Sechsern Andrich und Xhaka. Rechts bot sich Raphaël Guerreiro dort sehr häufig an, bekam Chipbälle oder Schnittstellenpässe in diese Zone serviert und konnte direkt aufdrehen.

FC Bayern glänzt mit Flexibilität

Die geringen Abstände zueinander ermöglichen schnelle Entscheidungen. Das Kombinations- und Positionsspiel sind durchdacht und werden je nach Gegner angepasst. Gegen Werder Bremen verzichtete Kompany beispielsweise auf viele Positionswechsel, weil der Gegner meist raumorientiert presste. Gegen Kiels Mannorientierungen tauchten selbst Defensivspieler häufig weit in der gegnerischen Hälfte auf.

Auch gegen Leverkusen übertrieben es die Bayern mit dieser Dynamik nicht – wohl auch in dem Wissen, wie schnell und gefährlich die Werkself umschalten kann. Das stabilisierte das Gegenpressing. Bayern eroberte viele Bälle, die verloren wurden, schnell zurück, weil die Spieler schnell reagierten und schon im Ballbesitz eine Position einnahmen, in der die Wege ins gut strukturierte Gegenpressing kurz waren.

Im Pressing liefen die Bayern ebenfalls sehr klug an, zwangen Leverkusen dazu, viele lange Bälle auf Boniface zu schlagen, der gegen den starken Dayot Upamecano aber kaum zum Zug kam. Mit dem Ball war es etwas weniger druckvoll als in den Vorwochen. Dafür aber kontrollierter und für dieses Spiel angemessen. Chancen waren ausreichend da, um zu gewinnen.

Es war eine rundum gute Leistung. Eine, die gezeigt hat, dass die Bayern auch kontrollierte Offensive können. Etwas, was unter Flick oder Julian Nagelsmann beispielsweise nie so richtig da war. Gerade vor dem Hintergrund, dass Kompany erst anfängt, ist der Saisonstart beeindruckend. Auch weil Probleme sofort adressiert zu werden scheinen. Defensiv haben sich die Münchner im Wochentakt stabilisiert.

FC Bayern: Zu früh für Euphorie, aber …

Und ganz nebenbei hinterlässt Kompany auch neben dem Platz einen hervorragenden Eindruck. Keine öffentliche Kritik an eigenen Spielern, keine Kritik an Schiedsrichtern, dafür aber der ständige Fokus auf sich selbst und seine Mannschaft.

Seine positive Grundhaltung und seine Erfahrung als Spitzenspieler helfen in der Außendarstellung. Gleichzeitig aber ist er sehr klar und eloquent. Bisher ist sein Auftreten in den Medien nur eine Randnotiz – und spannend wird es ohnehin erst, wenn der Druck mal wachsen sollte. Im Moment aber ist sein Auftritt sympathisch und wohltuend.

Für Euphorie ist es in München eigentlich noch zu früh. Zu oft hat man in den letzten Jahren vielversprechende Phasen gesehen, die im Keim erstickt wurden. Doch diesmal scheint vieles anders zu sein. Kompany hat die Fans und das Umfeld emotional zumindest ein wenig anzünden können.

Die kommenden Wochen werden mehr verraten, aber bisher macht dieser FC Bayern so viel Spaß wie lange nicht mehr.



Hier weiterlesen

♥ Artikel teilen

Jetzt teilen!

Jetzt teilen!