Der Doppelpass hat am vergangenen Wochenende das Thema Berater im Profifußball näher beleuchtet.

Berater im Profifußball: Eine umstrittene Branche? Kommentar zum „Doppelpass“

Alexander Trenner 28.10.2024

Zu meinen wöchentlichen Ritualen gehört das Hören der Sport1-Fußballsendung Doppelpass als Podcast. Dieser Stammtisch gehört für mich zum fußballkulturellen Grundrauschen. Fußball ist für mich Unterhaltung, eine große Seifenoper, in der die immer gleichen dramaturgischen Versatzstücke innerhalb eines relativ festen Plots mit wechselnden Darstellern wöchentlich neu aufgeführt werden. Dieses TV-Format ist für mich ein elementarer Bestandteil dieser Seifenoper.

Ich bin neugierig auf die Gäste, ich mag die launigen Gespräche, und mit dem vor einiger Zeit eingeführten Schiedsrichter-Segment, in dem als Gäste geladene Bundesliga-Schiedsrichter zu verschiedenen strittigen Szenen des aktuellen Spieltages Stellung nehmen, hat die Sendung inzwischen sogar ein genuin interessantes Element, das auch über die Grenzen dieser Sendung hinaus seine Daseinsberechtigung hätte.

Also, ich mag diese Sendung. Ich mag sie auch, wenn sie Unsinn verzapft. Aber in der gestrigen Sendung gab es eine Diskussion, bei der ich mehr als sonst den Kopf schütteln musste. Es ging vordergründig um Berater, aber eigentlich ging es viel grundsätzlicher um Fragen der Regulierung, der Arbeitsteilung und des wirtschaftlichen Austausches.

Viele der vorgetragenen Argumente und Thesen waren selbst für einen Stammtisch erstaunlich unüberlegt und zeugten davon, dass sich die Leute mit dem, was sie dort vortrugen, zuvor intellektuell noch nie intensiv auseinandergesetzt haben konnten.

Man könnte – und müsste im Prinzip auch – viele der in der Sendung vorgetragenen Thesen inhaltlich sezieren, aber ich fokussiere mich der Länge halber auf zwei relativ zentrale, beide der besseren Verständlichkeit wegen paraphrasiert.

“Über Berater fließt Geld aus dem Profifußball heraus”

“Über die Berater fließt aus dem System Profifußball Geld heraus. Denn es ist ja nicht so, als ob die Berater mit ihrem Geld anschließend die Fußballschule von Holstein Kiel finanzieren würden, sondern sie kaufen sich ein Boot und dann ist es weg.”

Wenn ein VW-Mitarbeiter einen Kia kauft, fließt dann Geld aus dem “System VW” ab? Wenn ein Rewe-Logistiker bei Aldi einkauft, fließt dann Geld aus dem “System Rewe” ab? Wenn ein Berater sich von seinem Einkommen aus der Bundesliga etwas zu essen kauft, seine Miete bezahlt oder sich ein Auto kauft, fließt dann Geld aus dem “System Profifußball” z. B. in das “System Porsche”?

Warum die Feststellung eines „Abfließens“ von Geld aus dem System Profifußball keine analytische Arbeit verrichtet

Eine Systembetrachtung zur Analyse von Zahlungsströmen kann sinnvoll sein, muss es aber nicht. In diesem Fall neigt sie dazu, zu vernebeln und Scheinprobleme zu konstruieren, wo in Wirklichkeit keine sind. Das fängt schon bei der Idee des Abfließens an. Die Wirtschaft ist ein großer Kreislauf. Je nachdem, wie man die Grenzen zieht und die Flussrichtung definiert, fließt immer irgendwo Geld aus irgendeinem System ab und in ein anderes hinein.

Das Geld, das ein Berater vermeintlich aus dem System „abzieht“ und für ein Boot ausgibt, finanziert den Lohn eines Bootsbauers, der es am Wochenende über seinen Stadionbesuch wieder in das System Profifußball einspeist. Ein Teil des Geldes, das Menschen für den Fußball augeben – für Merchandise, Tickets und Streaming-Abos – , stammt aus den Konsumausgaben der Berater für ihre Boote, Kleidung, Essen, Unterkunft, Autos etc., die diesen Menschen den Lohn gewähren, mit dem sie diese Ausgaben finanzieren können. Vielleicht ziehen die Berater in Wirklichkeit gar kein Geld aus dem System ab, sondern speisen vielmehr Geld darin ein?

Warum Berater den Profifußball nicht übervorteilen

Das Argument des Geldabflusses, wie es im Doppelpass vorgebracht wurde, hat noch einen weiteren Haken. Der Diskutant suggerierte, dass der Fußball durch die Zahlungen an die Berater netto Geld verlöre und die Berater die Vereine gewissermaßen übervorteilten, also mehr Geld erhalten, als es für ihre Leistung eigentlich angemessen sei.

Dies ist in zweierlei Hinsicht falsch. Erstens konstituiert jede Zahlung, die ein Verein leistet, gewissermaßen einen „Abfluss“ von Geld. Wenn der Verein ein Tor oder ein Netz kauft, fließt Geld ab, wenn er Büroausstattung kauft, fließt Geld ab, wenn er Physio-Dienstleistungen kauft, fließt Geld ab. Überall fließt ständig Geld ab.

Dies liegt in der Natur eines wirtschaftlichen Geschäfts: Zahlung von Geld gegen ein Produkt oder eine Dienstleistung. Es wird dabei vom Zahlenden aber kein Geld verloren, sondern es wird Geld getauscht, und zwar gegen ein Produkt oder eine Dienstleistung im Gegenwert der Summe, die dafür über den Tisch geht. Das System Profifußball verliert mit Zahlungen an Berater kein Geld, sondern es tauscht dieses Geld gegen eine Dienstleistung. Die Beobachtung, dass Geld an Berater für ihre Leistungen „abfließt“, ist also weder überraschend noch analytisch aufschlussreich. Natürlich tut es das. Es liegt in der Natur der Sache.

Zweitens ist aber auch die Entscheidung, wie viel des von ihren erwirtschafteten Geldes sie für Berater ausgeben wollen, eine freie Entscheidung der Vereine im sportlichen und wirtschaftlichen Wettbewerb. Wenn es auf der Beraterseite keine Monopolphänomene gibt, d. h. wenn die Berater für ihre Leistungen keinen Preis verlangen können, der über dem wettbewerblichen Gleichgewichtspreis auf einem vollkommenen Markt liegt, dann zahlt kein Verein für seine Beratungsleistungen mehr, als er bereit ist zu zahlen.

Kein Verein wird übervorteilt. Jeder Verein zieht aus diesem Tausch ‚Geld gegen Beratungsleistung‘ einen positiven Nutzen für sich. Dass das auch für die Berater gilt, ist für die Bewertung unerheblich. Im Gegenteil: Ein ökonomisch effizienter Tausch ist ein Tausch, aus dem beide Seiten einen positiven Nettonutzen ziehen. Wäre dies nicht der Fall, würde der Tausch ohne Zwangsstrukturen nicht stattfinden.

Wenn also weder die Berater noch die Vereine Monopolisten sind oder eine anderen Form von Marktmacht ausüben können, die die Gegenüberseite in ihrem Handeln zwingt, sind die Behauptungen, dass die Berater mehr Geld erhalten, als ihnen eigentlich zusteht, und dass sie dem System Profifußball Geld entziehen, beide falsch.

Fazit: Die in der Sendung vorgenommene Abgrenzung eines “Systems Profifußball”, aus dem Geld “herausfließt”, von einer äußeren Umwelt ist nicht sinnvoll. Sie erhellt nichts und schafft nur Scheinprobleme. Ebenso ist die Suggestion, die Berater würden den Profifußball übervorteilen, nicht sinnvoll, wenn sie, wie in der Sendung geschehen, nicht substantiiert wird. Dieser Teil der Diskussion zeugte nicht von großem ökonomischen Sachverstand.

Beraterkosten: Verein oder Spieler?

“Warum bezahlen die Vereine die Berater, warum bezahlen die Spieler ihre Berater nicht selbst?”

Diese Gegenüberstellung erweckt den unzutreffenden Eindruck, dass entweder der Verein oder der Spieler die im Rahmen einer Vertragsverhandlung anfallenden Beraterkosten vollständig allein zu tragen hätte und man sich nur noch entscheiden müsste, wer von beiden es bitte zu sein habe.

In der Praxis werden die Beraterkosten bei Vertragsverhandlungen in der Regel von den Vereinen getragen, und in der Sendung war der einhellige Tenor, dass in Zukunft besser die Spieler diese Zahlungen leisten sollten.

Tatsächlich ist es aber so, dass unabhängig von der Regelung des konkreten Zahlungsortes immer beide Seiten einen Teil der Beraterkosten zahlen. Warum ist das so?

In der Finanzwissenschaft wird zwischen Steuerträger und Steuerzahler unterschieden. Der Steuerträger einer Steuer ist derjenige, der die Steuer tatsächlich wirtschaftlich trägt, sie also auch erwirtschaften muss. Der Steuerzahler ist derjenige, der die Steuer an den Fiskus abführt. Das Paradebeispiel, um den Unterschied zu verdeutlichen, ist in Vorlesungen immer die Umsatzsteuer (“Mehrwertsteuer”).

Der Steuerzahler der Mehrwertsteuer ist das Unternehmen, das die Steuer an das Finanzamt abführen muss, aber der Steuerträger ist in der Regel der Endverbraucher, der die Steuer tatsächlich trägt, wenn er an der Kasse bezahlt.

Wer bei der Zahlung an Berater im Fußball der “Steuerzahler” ist, wer also konkret von seinem Konto die Überweisung an den Berater vornimmt, der Verein oder der Spieler, ist aus wirtschaftlicher Sicht irrelevant. Viel entscheidender ist die Frage, wer diese Zahlung letztlich wirtschaftlich trägt. Beides muss nicht notwendigerweise dieselbe Partei sein. Es hängt von der relativen Marktmacht und den Angebots- und Nachfrageelastizitäten ab, welcher Anteil der zu leistenden Beraterkosten letztlich auf den Spieler und welcher auf den Verein entfällt.

Angenommen, eine Regel der FIFA besagte, dass die Beraterkosten grundsätzlich vom Spieler allein zu tragen sind. Wenn nun ein Spieler mit einer gewissen Marktmacht, sagen wir Mbappé oder Kane, in Verhandlungen mit einem Verein tritt, der diesen Spieler unbedingt verpflichten möchte, und am Ende dieser Verhandlungen ein Fünfjahresvertrag mit einem bestimmten Jahresgehalt X und Beraterkosten in Höhe von Y, die nominell der Spieler zu tragen hat, steht: Wie wahrscheinlich ist es dann, dass dieses Gehalt X nicht in Wirklichkeit ein Gehalt B ist, das durch die Beraterkosten, die im einfachsten Fall gleichmäßig auf fünf Jahre verteilt werden, auf X = B + ⅕Y pro Jahr aufgestockt worden ist? Die 25 Millionen Euro Jahresgehalt des Spielers sind in Wirklichkeit 20 Millionen, die aber um 5 × 5 = 25 Millionen Euro Beraterkosten, die der Spieler zu zahlen hatte, erhöht wurden.

Vielleicht hat der Verein auch Marktmacht und Mbappé oder Kane können nicht 100 Prozent der Beraterkosten auf ihn abwälzen; vielleicht haben andere Spieler in anderen Verhandlungen keine Marktmacht und tragen tatsächlich 100 Prozent der Beraterkosten selbst. Das ist nebensächlich.

Worauf es mir ankommt, ist zu zeigen, dass die Frage, ob der Verein oder der Spieler die bei einer Vertragsverhandlung anfallenden Beraterkosten trägt, unabhängig von der nominellen Regelung dazu in irgendeinem Gesetzblatt ist. Die tatsächliche Inzidenz dieser Kosten ergibt sich aus den relativen Machtverhältnissen der beteiligten Parteien und deren Angebots- und Nachfrageelastizitäten. Dies ist bereits heute der Fall und wird sich auch durch eine wie auch immer geartete Regeländerung nicht ändern.

Fazit: Die ganze Diskussion in der Sendung drehte sich um ein Scheinproblem und ging am Kern der Sache völlig vorbei. Es ist erstaunlich, dass auch ohne ökonomische Ausbildung niemand auf die Idee gekommen ist, dass der Leistende einer Zahlung und der tatsächliche Träger dieser Zahlung in einem Vertragsgeschäft nicht zwingend dieselbe Person sein müssen, sondern dass je nach Marktmacht die eine Partei die Zahlung zwischen 0 und 100 Prozent auf die andere Partei abwälzen kann.

Nicht alles war schlecht

Der Fairness wegen sei an dieser Stelle angemerkt, dass in der Sendung auch einige andere wichtige Themen angesprochen und gute und wichtige Punkte gemacht wurden, z. B. hinsichtlich der zunehmend problematischen Konzentration von wirtschaftlicher und politischer Macht und Einfluss in den Händen von Multi-Club-Ownership-Konsortien; oder hinsichtlich der Problematik von Interessenkonflikten, wenn einzelne Berateragenturen sowohl für einen Verein als auch für einen oder mehrere Spieler und/oder Trainer, die für diesen Verein arbeiten oder arbeiten wollen, tätig sind.

Mit diesem Kommentar wollte ich nur einige der in meinen Augen großen Missverständnisse ansprechen, die in den typischen, schablonenhaften Diskussionen über das Fußballgeschäft wie dieser im Doppelpass immer wieder auftauchen und die eigentlich schon lange eine Gegenperspektive verdient hätten.

Aber die Seifenoper Profifußball kennt keinen Anfang und kein Ende. Was heute geschrieben steht, ist morgen schon vergessen und wird übermorgen wiederholt.

Nächste Woche werde ich mir den Doppelpass wieder anhören.

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