Interview zum Rückrundenauftakt der Amateure

Maurice Trenner 26.01.2020

Christoph Leischwitz schreibt seit mehr als 20 Jahren für die Süddeutsche Zeitung über den Münchner Fußball – und seit Trainer Andries Jonker auch über die Amateure. Darüber hinaus ist er Bayern-München-Korrespondent für den Spiegel und Autor für 11Freunde. Sich selbst bezeichnet er gerne als Journalisten-Groundhopper, da er „oftmals unterklassigen Spielen und Stadien mehr abgewinnen kann als einer Arena direkt neben einem Autobahnkreuz“.

Viele Prognosen im Sommer sahen die Amateure im Abstiegskampf. Nach einer Halbserie liegt die zweite Mannschaft des Rekordmeisters auf Platz 15 mit drei Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Wie kam es dazu?

Es war ja überhaupt kein guter Auftakt, ich glaube, viele im Betreuerstab haben sich gleich erstmal ernsthaft gefragt, ob es reichen wird. Doch nach den anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten begann die Mannschaft überraschend zu punkten. Überraschend deshalb, weil sie vor allem gegen Spitzenmannschaften Siege einfuhr – und sich dafür gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten Jena richtig schwer tat und auch zurecht verlor. Die U23 hat in der Regel auch im für sie neuen Profifußball keine Probleme damit, das Spiel zu gestalten. Sie tut sich gegen mitspielende Mannschaften definitiv leichter als gegen solche, die die vermeintlichen Drittliga-Attribute vertreten, also robuste Zweikämpfe, kompakte Defensive.

Mit 42 Gegentoren stellt man die zweitschlechteste Defensive der Liga. Dafür sind 35 erzielte Treffer der fünftbeste Wert der Spielklasse. Was muss in der Rückserie besser werden? Welche Stärken muss man ausbauen?

Die Mannschaft hat in vielerlei Hinsicht mit den typischen Problemen einer U23 in einer Männerliga zu kämpfen. So ist es auch zu erklären, dass bei Spielen der Amateure bislang die meisten Tore überhaupt gefallen sind (insgesamt 77). Es gibt innerhalb eines Spiels immer wieder starke und immer wieder schwache Phasen, die sich manchmal auch in schneller Abfolge aneinanderreihen. Analysiert wird dies dann oft als defensive Stabilität, das ist aber nur die halbe Wahrheit: In den schlechten Phasen fehlt meist schon weiter vorne der Zugriff, der vorgegebene Plan wird nicht mehr konsequent umgesetzt.

Die Mannschaft wirkt bisweilen sehr schnell verunsichert und gibt dann trotz eines oft starken Angriffs die Partie aus der Hand. Beispielhaft dafür war das Spiel in Meppen Anfang November: Kaltschnäuzig nutzte man die Chancen und führte verdient 3:1, doch in der Schlussviertelstunde machte man so ziemlich alles falsch, und Meppen fand die Schwächen. So ließ sich Joshua Zirkzee zu zwei gelben Karten innerhalb weniger Sekunden hinreißen – der Gegner wusste, dass er leicht zu provozieren ist.

Gibt es einzelne Spieler, die aus der Mannschaft herausstechen und diese tragen?

Es gibt natürlich schon ein kleines Qualitätsgefälle zwischen den Campus-Spielern und jenen, die bei den Profis trainieren. Weil die Bayern immer wieder versuchen, mit viel Tempo in den gegnerischen Sechzehner zu kommen, sind Unterschiede zu erkennen, wer dabei den Überblick behält und wer nicht. Das gilt auch für das Selbstvertrauen. So wäre das Derby (1:1) ohne Mickaël Cuisance wohl anders gelaufen, der sich in dieser Partie richtig reinhängte. Auch ein Alphonso Davies wird jetzt natürlich schmerzlich vermisst. Die Lebensversicherung der Mannschaft ist ganz klar „Otschi“ Wriedt: Ohne seine Coolness würden den vielen Gegentoren deutlich weniger erzielte Tore gegenüberstehen. Timo Kerns Cleverness hilft auch oft weiter.

In den schlechten Phasen fehlt meist schon weiter vorne der Zugriff, der vorgegebene Plan wird nicht mehr konsequent umgesetzt. Die Mannschaft wirkt bisweilen sehr schnell verunsichert und gibt dann trotz eines oft starken Angriffs die Partie aus der Hand.Christoph Leischwitz, über die Probleme der FC Bayern Amateure

Es ist schwer, aus den Nachwuchsspielern jemanden hervorzuheben, aber einige haben ganz klar eine positive Entwicklung gemacht. Darunter Torwart Christian Früchtl, der zu den besten Keepern der Liga zählt, Sarpreet Singh oder Leon Dajaku. Ich persönlich finde, dass Derrick Köhn einen großen Sprung gemacht hat – den musste er allerdings auch machen, um Stammspieler zu bleiben. Jannik Rochelt hat mehr 90-Minuten-Einsätze verdient. Doch die Offensivspieler in der zweiten Reihe werden es jetzt schwer haben, wenn Nicolas Kühn so einschlägt wie erwartet, Fiete Arp Spielpraxis sammeln soll – und Oliver Batista-Meier irgendwann so zündet, wie das alle erhoffen und ein Stück weit auch erwarten.

Zum Saisonstart sprachen wir mit Julian Koch vom Online-Portal liga3-online im Interview unter dem Titel “Kann Talent die fehlende Erfahrung kompensieren?”. Über die Hinrunde verspielte man vierzehn Punkte nach eigener Führung. Kann man auf diese Frage nach zwanzig Spieltagen daher bereits eine finale Antwort finden?

Ich denke, dass die Mannschaft recht verdient auf dem 15. Tabellenplatz steht. Ein bisschen Hilfe von den Profis ist immer nötig, aber bei vielen Spielern ist eine Entwicklung erkennbar, und U23-Teams tun sich ja oft genau deshalb in der Rückrunde leichter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mannschaft absteigt, zumal aktuell noch einmal richtig gute Talente hinzugeholt werden, mit dem klaren Ziel, die Liga zu halten. 

Wie sehr beeinflusst es einzelne Spieler und auch die Teamleistung, dass sie teilweise zwischen Profitraining, Bankplatz in der Bundesliga, Amateurspielen und der Youth League pendeln? Ist dieses Multitasking in der aktuellen Form fördernd und zukunftsfähig?

Am Campus sieht man es als ideales Szenario an, wenn sich etwa ein Drittel eines Jahrgangs bei den höheren Jahrgängen etablieren kann. Dass dadurch das Nachwuchszentrum manchmal wirkt wie ein Rangierbahnhof, ist also gewollt. Die Nachteile, die das mit sich bringt, sind einkalkuliert – also zum Beispiel die Tatsache, dass die U19 und die U17 wohl besser dastehen würden, wenn sie immer auf ihre jeweiligen Topspieler zurückgreifen könnten. Insgesamt scheinen die Anpassungsschwierigkeiten aber nicht sehr groß zu sein. Zum Beispiel wenn man sieht, wie gut sich die Profis integrieren lassen, obwohl sie viele Mitspieler kaum kennen.

Ein Problem scheint aber immer wieder die Abstimmung mit der übergeordneten sportlichen Leitung zu sein. Diese muss sich fragen lassen, ob es Sinn macht, einen Lars Lukas Mai bei den Profis auf der Ersatzbank versauern zu lassen (und das womöglich auch im Wortsinn). Er kommt nicht einmal zum Einsatz, wenn echte Personalnot herrscht, steht so aber auch der U23 oft nicht zur Verfügung. Hier gilt manchmal dasselbe wie auf dem Rasen: Junge Spieler sind leicht zu verunsichern. Mit Mai scheint das gerade zu passieren.

Wo stehen die Amateure am Saisonende? Reicht es zum Klassenerhalt?

Tabellenplätze in dieser Liga zu tippen grenzt an Roulette. Ich würde sagen, sie beenden etwas besser als sie aktuell stehen, weil die Zugänge sie wohl verbessern werden und zur Not Profis runtergezogen werden können.