In der Polonaise mit Uli Hoeneß

Maurice Trenner 07.05.2017

Bei der letztjährigen Jahreshauptversammlung, bei der die Wiederwahl von Uli Hoeneß zum Präsidenten nach seiner Haftstrafe auf der Tagesordnung stand, reichte der Audi Dome nicht aus, um allen angereisten Mitgliedern einen Platz zu gewähren. Daher mussten ich und circa 2.000 andere Anhänger in ein im voraus aufgestelltes Zelt ausweichen und die Veranstaltung dort per Live-Stream auf Großbildleinwänden verfolgen.

Nach Ende der offiziellen Veranstaltung kamen der wiedergewählte Präsident und das restliche Präsidium ins Zelt, um sich den Fans zustellen. Diverse Anhänger hatten vor dem Audi Dome zuvor einen Abbruch der Veranstaltung gefordert. Dementsprechend war die Stimmung aufgeheizt. “Uli” versprach zur Besänftigung eine „Party“ (Zitat Hoeneß) als Entschädigung.

Die meisten Mitglieder – mich inbegriffen – hatten wohl damit gerechnet, dass diese aus der Emotion heraus versprochene „Party“ nicht stattfinden würde. Umso überraschter war ich, Ende März im Mail-Eingang eine Einladung des FC Bayern vorzufinden. Es sollte ein Grillfest inklusive Gesprächsrunde mit dem Präsidium geben.

Wichtig noch der Hinweis, dass ich gerne noch eine zweite Person mitbringen kann, um diese für den FC Bayern zu begeistern. Eine schöne refer-a-friend Aktion also. So wie damals als ich eine Taschenlampe bekam, weil mein Klassenkamerad auch das Mickey-Mouse-Heft abonnierte. Setzt diese Marketing-Masche den Ton für die Veranstaltung?

Eine Wurst vom „Uli“

Einlass 16 Uhr, Veranstaltungsbeginn 17 Uhr. Etwa eine halbe Stunde vor Beginn trudeln ich und der Großteil der Mitglieder ein, noch etwas unwissend, was es zu erwarten gibt. An den Ständen im Audi-Dome werden Grillwürste, Pommes, Hot Dogs und Freibier verteilt. Mit einem ersten Bier setze ich mich in den Audi Dome.

Stephan Lehmann ist auch da und siehe da er führt heute durchs Programm. Zu Beginn stellt er Matze vor, Matze ist extra für heute aus Offenbach angereist und hat damit nicht mal die längste Anreise, denn ein Fan ist tatsächlich extra aus Kiel gekommen. Die Anhänger nehmen wirklich weite Wege auf sich für ein solches Event, denke ich mir. 

Nach dem schmerzhaften Ausscheiden in Pokal und Champions-League hört man an vielen Stellen Unmutsbekundungen über die Chancenverwertung gegen Dortmund, die zwei Platzverweise gegen Real und die Schiedsrichterleistung in Madrid. Meine Sitznachbarin fordert vehement mehr Einsatzzeiten für Costa und Coman. Generell bestand viel Gesprächsbedarf unter den Anwesenden.

Dann der Moment auf den alle gewartet haben, das Präsidium und damit “der Uli” betreten erstmals die Bühne. Uli Hoeneß erzählt von der aktuellen Medienlage, die den FC Bayern im Abstiegskampf sieht, und von dem Spiel gegen Dortmund, das „für 60 Minuten eins der besten Spiele [war], die [er] in der Allianz Arena gesehen hat“. Leise stelle ich mir die Frage, ob er die Spiele unter Heynckes und Guardiola nicht gesehen hat.

Zweiter Vize-Präsdient Walter Mennekes erzählt etwas von einem nordkoreanischen Wahlergebnis, während ich am Smartphone verfolge, ob Ingolstadt Leipzig tatsächlich ein paar Punkte klauen kann. Dann könnten wir ja hier und heute Meister werden.

Jetzt aber geht das Präsidium an den Grill. Zur Unterstützung ist noch Ex-Spieler Hansi Pflügler dabei, die Älteren im Audi Dome frohlocken als Pflügler die Bühne betritt. Ich entschließe mich dazu mir auch eine Wurst von “Uli” zu holen. Wann bekommt man denn sonst so eine Chance? 

Die Schlange beim Stand von “Uli” ist natürlich extrem lang, jeder will von ihm persönlich die Semmel übergeben bekommen. Die anderen Präsidiumsmitglieder sind deutlich weniger umringt. Dabei schmeckt es bei denen sicher genauso gut. Währenddessen genießt “Uli” das Bad in der Menge sichtlich.

Uli Hoeneß verteilt Würste an die Fans im Audi Dome (Quelle: Privat)
Mit Wurst und Bier setze ich mich wieder auf meinen Platz und warte auf die ominöse Diskussionsrunde. Kann man dem Präsidium eventuell Fragen stellen? Was würde ich sie fragen wollen? Aber die Diskussionsrunde verzögert sich lange, wohl zu viele Würste zu verteilen.

Im Endeffekt kommen dann nur Lehmann und Pflügler auf die Bühne. Kleine Enttäuschung, zumindest bei mir. In zehn Minuten erzählt Pflügler kurz über die Schale und Motivation nach so Pleiten wie gegen Dortmund. Meine Gedanken driften etwas ab, als er plötzlich vom Double zu sprechen beginnt. „Das Double ist für mich die Meisterschaft und der Abstieg von den Sechzgern“ sagt Pflügler unter tosendem Beifall der Anwesenden. Hass gegen den Stadtrivalen hilft in solchen Zeiten das Bayern-Herz zu heilen.

Meisterfeier mit Freibier

Jetzt aber schnell den Talk beenden und nach Wolfsburg schalten denke ich mir. Vorher liest Lehmann noch die Startaufstellung vor und während aus dem Rund die Nachnamen der Bayern-Spieler schallen, freue ich mich, dass Coman und Kimmich starten dürfen. Meine Sitznachbarin ist auch zufrieden.

Nach dem 1:0 durch Alaba stimmt Lehmann „Deutscher Meister wird nur der FCB“ an, nach dem 2:0 erschallt „Super Bayern! Hey! Hey!“ im Audi Dome und als Dittmann auf Sky von der Veranstaltung hier berichtet wird ein erstes Mal „Uli Hoeneß, du bist der beste Mann“ gesungen.

Als es 5:0 steht zieht “Uli” das Meister-T-Shirt an und verkündet, dass jeder Anwesende auch eins mitnehmen darf. Damit ist er bei den meisten knapp unter dem Messias-Status angekommen. Zum 6:0 verkündet er freudetrunken, dass der Audi Dome die größte Polonaise seiner Geschichte erleben wird.

Und so ist die Stimmung ab der 80. Minute auch wegen aber nicht nur aufgrund des Freibiers ausgelassen. Der Präsident persönlich führt die Polonaise an und die Fans zeigen, dass sich der Bayern-Fan auch über die Meisterschaft richtig freuen kann. Trotz oder gerade wegen der Pleiten gegen Madrid und Dortmund.

Der gerne erzählte Mythos der Bayern-Fans, die sich über die Meisterschaft so sehr freuen wie über eine neue Staffel Rosamunde Pilcher, wird hier im Audi Dome widerlegt. Zumindest in dieser leicht angetrunkenen Stimmung mit vielen Gleichgesinnten und versehen mit einem kleinen Hauch der Ironie, freut sich der Bayern-Fan noch über den “Trostpreis” Meisterschaft.

Was bleibt also nun von der Veranstaltung?

Manch einer wird Uli Hoeneß hier Selbstbeweihräucherung vorwerfen. Das bierseelige Fan-Volk und “SEIN Uli”. Ein anderer wird aufzeigen, dass er sich hier mal wieder als Zentrum und Fixpunkt des Vereins aufspielt.

Und sicher haben diejenigen in gewisser Weise recht. Aber solche Veranstaltungen sind extrem wichtig für das Verhältnis zwischen Fanbasis und Verein in Person des Präsidiums. Eine Verbindung die einem gerade in Zeiten der unvorstellbar großen Summen, um die es im Profifußball geht, abhanden gekommen ist.

In einem solchen Sinne ist die Veranstaltung vom Wochenende also sinnvoll, als Schulterschluss zwischen dem Verein und dem allgemeinen Fan, den einzelne Fan-Themen wie freie Blockwahl in der Südkurve vielleicht weniger interessieren und der lieber auf dem Sitzplatz auf der Osttribüne das Spiel verfolgt.

Was jedoch vermisst wurde war ein offener Dialog, bei dem man Themen kritisch hinterfragen konnte. Die angekündigte Gesprächsrunde mit Präsidium schrumpfte zum kurzen Talk mit Hansi Pflügler. Die “aktiven” Fans und ihre potentiell kritischen Nachfragen hatte man bereits durch die Ansetzung parallel zum Spiel in Wolfsburg ausgeschlossen.

Insofern bleibt der Beigeschmack einer Marketingveranstaltung wie eingangs bereits erwähnt. Einer Marketingveranstaltung, die zwar einen Zweck erfüllt, die aber keine Plattform für konstruktiven Austausch von Ideen und Kritik mit dem Präsidium bot.

Eins bleibt festzuhalten: Die Rolle als Mediator und Verbindungsperson zwischen Verein und Mannschaft füllt Uli Hoeneß hervorragend aus – egal wie man zu ihm stehen mag. Diese Rolle passt zum Präsidenten des FC Bayern München e.V.

Nun ist Uli Hoeneß aber nicht nur Präsident sondern auch Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG, eines Unternehmens mit einem jährlichen Umsatz von 500 Millionen Euro.

Hier fällt er dadurch auf, dass er neben sich keine großen Namen duldet. Ein Grund der auch Philipp Lahm dazu bewog, den Sportdirektor-Posten beim FC Bayern zu meiden. Hier fungiert Hoeneß häufig als Sprachrohr nach Außen, das sich oft ungefragt zu diversen Themen äußert. Hier zeigt er sich mit vielen Medien gut vernetzt, wenn es darum geht gezielt Informationen zu streuen, die ihm gelegen kommen.

Hoeneß ist auch als Präsident weiterhin in seiner Manager-Rolle von Anfang der 2000er-Jahre, auch wenn sich das Rad mittlerweile eigentlich weitergedreht hat. Die während seiner Haftstrafe begonnene Emanzipation des Vereins von „Uli“ durch die Verteilung der Aufgaben auf die Schultern von Rummenigge, Sammer und Reschke, ist mittlerweile wieder stärker zu Gunsten eines starken Präsidenten ausgerichtet worden.

So reiht sich die fehlende Einigung mit Philipp Lahm als Sportdirektor ein in die Liste der internen Machtkämpfe, die „pro Uli“ entschieden wurden. Ob dies tatsächlich die beste Entscheidung für den langfristigen Erfolg des Vereins ist, bleibt aktuell fraglich.