SINSHEIM, GERMANY - SEPTEMBER 09: Andrej Kramaric of Hoffenheim (l) fights for the ball with Mats Hummels of Bayern Muenchen during the Bundesliga match between TSG 1899 Hoffenheim and FC Bayern Muenchen at Wirsol Rhein-Neckar-Arena on September 9, 2017 in Sinsheim, Germany. (Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

TSG Hoffenheim – FC Bayern München 2:0 (1:0)

Steffen Trenner 09.09.2017

Die Münchner verlieren erneut gegen die TSG Hoffenheim und müssen so den ersten großen Rückschlag in der Bundesliga-Saison 2017/2018 einstecken.

Falls ihr es verpasst habt:

Bayern-Coach Carlo Ancelotti sorgte mit seiner Aufstellung für einige überraschte Gesichter. Rafinha begann wie erwartet für den verletzten Alaba hinten links; davor entschied sich der Italiener für die jüngste Variante und brachte Rudy, Tolisso, Coman, Thiago und Müller. Vidal, Robben, Ribéry und auch Neuzugang James, der zum ersten Mal im Kader stand, blieben zunächst unten.

TSG Hoffenheim gegen Bayern München, AufstellungTSG Hoffenheim gegen Bayern München, 09.09.2017, Grundformationen.

Nagelsmann musste aufgrund von Verletzungen einiger Schlüsselspieler reagieren. Wagner, Gnabry und Voigt fehlten, Bicakcic begann zentral in der Dreierkette. Der junge Geiger davor, vorne Uth neben Kramaric.

Beide Mannschaften begannen extrem engagiert und stürzten sich mit hohem Tempo in die Zweikämpfe. Ancelotti überraschte nicht nur mit seiner Aufstellung, sondern auch seiner Formation, die einem sehr frei interpretierten 4-3-3 glich (dazu später mehr).

Bayern spielte zunächst die individuelle Überlegenheit in vielen direkten Duellen aus und kam zur ersten glasklaren Torchance, als Lewandowski Müllers Hereingabe von links aus kurzer Distanz auf die Latte setzte (8.).

Bayern in der Folge klar überlegen, aber ohne zwingenden Zug zum Tor. Hoffenheim versuchte, die Münchner Hintermannschaft mit weiten Schlägen und schnellem Nachrücken in die Bredouille zu bringen. In der 27. Minute wurde das belohnt. Hummels hatte Probleme, einen hohen Ball zu verarbeiten, und musste ins Seitenaus klären. Kramaric überrumpelte die komplette Gäste-Hintermannschaft mit einem schnell ausgeführten Einwurf, der Uth plötzlich im Sechzehner freispielte. Sein Schrägschuss schlug in der kurzen Ecke neben Neuer im Netz ein. Die komplette Münchner Defensive inklusive des Schlussmanns sah in dieser Situation nicht gut aus.

Hoffenheim war mit der Führung im Rücken nun komplett in der Komfortzone. Bayern musste enorm viel Aufwand betreiben, um sich bis an den gegnerischen 16er durchzuspielen. Die Nagelsmann-Elf lauerte auf ihre Momente und hatte sogar die beste Chance bis zur Pause. Erneut war es Uth, der – dieses Mal aus 20 Metern – abzog und Neuer im unteren linken Eck zu einer Glanzparade zwang. Auf der Gegenseite hatte Tolisso noch eine Kopfballchance zur Führung.

Bayern kam erneut engagierter aus der Kabine und hatte durch Coman die erste Großchance, doch das Tor machte wieder Hoffenheim. Kimmich klärte einen langen Schlag viel zu kurz. Amiri legte links auf Zuber ab. Dessen Hereingabe fand im Rückraum Uth, der mit seinem zweiten Treffer auf 2:0 erhöhte (52.). Eine richtig kalte Dusche.

Nach 57 Minuten reagierte Ancelotti und brachte Robben für den schwachen Rudy. Müller agierte nun als hängende Spitze im 4-2-3-1. So richtig viel änderte das nicht.

Das Spiel plätscherte hin und her. Hoffenheim wartete ab. Bayern spielte sich immer wieder nach vorn, blieb jedoch weitgehend ungefährlich,

Erst nach 80 Minuten änderte sich erneut etwas, als Ancelotti auch James und Ribéry brachte. Direkt wurde es gefährlich, als Hummels Baumann nach einer James-Flanke per Kopf zu einer Glanztat zwang. Auch danach war es Baumann, der gegen Lewandowski und Robben den Anschlusstreffer verhinderte.

Am Ende blieb es bei einem frustrierendem 0:2.

3 Dinge, die auffielen:

1. Ancelottis Mut – Nagelsmanns kühler Konter

Wie schon erwähnt, war nicht nur Bayerns personelle Aufstellung überraschend, sondern auch die Formation. Ancelotti schickte ein ziemlich spektakulär interpretiertes 4-3-3 aufs Feld. Spektakulär deshalb, weil es nicht bei einem statischen 4-3-3 blieb, sondern mehrere Pärchen auf dem Platz immer wieder ihre Positionen rotierten. So tauschte Tolisso mehrfach mit Kimmich die Position wenn dieser die Linie runtermarschierte und dort auch – anders als Rafinha – ins Gegenpressing ging. Davor suchte Müller immer wieder den Weg in die Diagonale und tauschte sowohl mit Lewandowski, als auch mit Coman die Position.

Die Idee war wohl, die Mannorientierungen der Hoffenheimer im Zentrum zu umgehen und den Ball direkt in den Rücken des Mittelfelds auf die variable Offensive zu spielen, um immer wieder mit Überzahl in den Rücken der Hoffenheimer Wingbacks zu kommen. Die Folge waren starke Anfangsminuten, die Hoffenheim richtig ins Schwimmen brachten. Lewandowski hätte in dieser Phase fast die Führung erzielt.

Nagelsmann reagierte kühl und stellte nach 15 Minuten auf eine Fünferkette um. Nun warteten die Außenverteidiger aus tiefer Position auf die Münchner Flügelstürmer. Der vielversprechende Versuch der Anfangsminuten, immer wieder in den Rücken der Außenspieler zu kommen, wurde damit gekontert. Es war einfach kein Platz mehr im Rücken von Kaderabek und Zuber, weil sie selbst auf Höhe der Dreierkette breit gestaffelt warteten.

Sinnvoll wäre es jetzt gewesen, mit Thiago und Tolisso die Halbräume im Rücken des Hoffenheimer Mittelfelds zu suchen. Vor allem Tolisso war dafür prädestiniert, da er anders als Rudy und Thiago nicht so stark mannorientiert verteidigt wurde. Er ist für diese Rolle aber nicht wirklich der passende Spielertyp. Es blieben so offensiv über weite Strecken nur eins gegen eins Aktionen von Coman gegen den im direkten Duell überforderten Kaderabek und Flanken von weit draußen (am Ende 26).

So positiv Ancelottis Anfangsidee war – Nagelsmann konterte sie schnell und effektiv.

Erst nach 78 Minuten änderte sich erneut etwas: Ancelotti stellte nach der Hereinnahme von James und Ribéry auf eine Dreierkette (!!!!) um. Das leitete Bayerns Schlussoffensive ein, die aber keinen weiteren Treffer mehr brachte.

So war es am Ende bitter, dass Ancelotti in seinem taktisch vielleicht mutigsten Spiel mit einer Niederlage dastand.

2. Comans merkwürdiges Spiel

Kingsley Coman stand an diesem Abend vielleicht sinnbildlich für das Münchner Spiel. Der junge Franzose, der endlich einmal in einem wichtigen Spiel die Chance von Anfang an erhielt, war eindeutig der beste Münchner Offensivspieler.

Drei Torschüsse, drei Torschussvorlagen, vier erfolgreiche Dribblings, 13 Flanken, 20 gewonnene Zweikämpfe (mehr als jeder andere Spieler auf dem Feld), neun Sprints (mehr als jeder andere Münchner). Coman machte sehr viel richtig und war über weite Strecken der Partie der einzige, der Torgefahr erzeugte. Dabei blieb es allerdings auch. Viele Flanken blieben hängen, seine Torschüsse waren trotz guter Abschlusspositionen zu ungenau. Es sprang bei ihm – wie bei der gesamten Münchner Mannschaft – zu wenig heraus an diesem Abend.

Comans Basis ist herausragend. Es gibt in der Bundesliga keinen Außenverteidiger, der seinem explosiven Antritt gewachsen ist. Die Entscheidungsfindung und die Ruhe im Strafraum wird er nur durch Erfahrung und wiederkehrende Situationen entwickeln. Es wäre für seine weitere Entwicklung wichtig, dass er trotz der Niederlage schnell weitere Chancen von Anfang an bekommt.

3. Führungsspieler?

Normalerweise ist dies hier nicht der Blog für Führungsspieler-Debatten. Und doch war der erste richtig kritische Moment nach den Rücktritten von Philipp Lahm und Xabi Alonso ein wichtiger Test für die neue Führungsstruktur der Mannschaft.

So richtig bestanden hat sie ihn nicht. Kapitän Neuer versuchte immer wieder, durch Gesten die Mannschaft aufzurichten, ist als Torwart aber logischerweise weit weg vom Spielgeschehen und ohne großen Einfluss. Ansonsten wirkte die Mannschaft ruhig; beinahe zu ruhig. Vor allem Rudy (nur 43 Pässe), der das Spiel bis zu seiner Auswechslung eigentlich gestalten sollte, versteckte sich. Dass er von Kramaric beinahe in Manndeckung genommen wurde, kann dafür nur bedingt als Ausrede herhalten.

Auch ansonsten spielte die Mannschaft das Spiel herunter. Ohne hängende Köpfe, aber eben auch ohne die ganz große Überzeugung und Klarheit, die notwendig ist, um ein Spiel zu drehen. So wie es in den vergangenen Jahren so oft gelungen war.

Mats Hummels und Thiago sind Spieler, die aufgrund ihrer Erfahrung, ihrer Position und ihrer Qualität in solchen Momenten zwangsläufig mehr Verantwortung übernehmen müssten. Das Spiel ordnen, der Mannschaft Sicherheit geben, die Bälle dorthin spielen wo die eingeübten Mechanismen greifen und dann auch durch individuelle Momente selbst einen Unterschied machen. Auch sie wurden diesem Anspruch am Samstagabend nicht gerecht.

Es wird jetzt sehr viel hineingeheimnist werden in diese Niederlage. Es gibt keinen Grund, nach einem Punktverlust gegen eine starke, aber auch vom Spielverlauf etwas begünstigte Hoffenheimer Mannschaft überzureagieren. Und doch war die Reaktion der Mannschaft und ihrer potenziellen Führungsspieler auf den Rückstand nicht gerade ermutigend.

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TSG Hoffenheim – FC Bayern 0:2 (0:1)
TSG Hoffenheim Baumann – Nordtveit, Bicakcic, Hübner – Demirbay – Kaderábek, Amiri, Geiger (63. Polanski), Zuber (69. Schulz) – Uth (75. Ochs), Kramaric
Bank Kobel, Passlack, Rupp, Grillitsch
FC Bayern München Neuer – Kimmich, Hummels, Martínez, Rafinha (78. Ribéry) – Tolisso, Rudy (57. Robben), Thiago – Müller (78. James), Lewandowski, Coman
Bank Ulreich, Friedl, Süle, Pantovic
Tore 1:0 Uth (27.), 2:0 Uth (51.)
Gelbe Karten Hübner, Zuber, Kaderábek / Hummels
Schiedsrichter Daniel Siebert (Berlin)
Zuschauer 30.150 (ausverkauft)