FC Bayern München – Hamburger SV 5:0 (1:0)
Falls Ihr es verpasst habt:
Guardiola verzichtete zum Start auf große personelle Überraschungen und schickte eine, nach den Eindrücken der Vorbereitung erwartbare, Elf auf den Platz. Der zuletzt krankheitsbedingt kürzer tretende Thiago blieb zunächst auf der Bank. Mit Arturo Vidal und Douglas Costa standen zwei Neuzugänge in der Startelf.
Bruno Labbadia stellte im Vergleich zur Pokalblamage gegen Jena auf fünf Positionen um und setzte auf eine deutlich defensiver ausgerichtete Mannschaft. Mit Diekmeier, Djourou, Spahic, Ostrzolek, Ekdal und dem jungen Debütanten Gideon Jung standen sechs defensiv denkende Spieler auf dem Feld. Mit Schipplock und Gregoritsch setzte Labbadia zudem auf die umschaltstärkere Variante im Vergleich zu Olic und Lasogga. Im Ergebnis formierte sich der HSV so in einem sehr defensiven 4-3-3, das gegen den Ball eher zu einem 4-5-1 wurde.
Die Münchner stellten ein 4-1-4-1 mit Xabi Alonso auf der alleinigen Sechs dagegen und begannen die Partie extrem kontrolliert. Die erste größere Chance verbuchte Arjen Robben, der einen weiten Diagonalball per Kopf nur knapp am Pfosten vorbei lenkte (7.). Danach sahen die 75.000 Zuschauer in der Allianz Arena viel Leerlauf und ungewohnt leichte Fehler der Münchner, die in zwei taktischen Fouls und Gelben Karten für Boateng und Alonso endeten. Es dauerte bis zur 27. Minute bis es wieder richtig gefährlich wurde. Costa erarbeitete sich mit einem beherzten Antritt einen Freistoß, den Alonso exzellent aufs Tor zog und der von Benatia aus kurzer Distanz ins Tor verlängert wurde.
Angedeutet hatte sich dieser Treffer zu diesem Zeitpunkt nicht gerade, weil Bayern gegen die extrem tiefstehenden Gäste kaum einmal den Weg in den Sechzehner fand. Die Hamburger mussten sich in den folgenden Minuten sichtlich sammeln und ermöglichten den Münchnern eins, zwei weitere vielversprechende Aktionen, die jedoch verpufften. Alaba und Boateng hatten mit zwei Fernschüssen noch die größten Möglichkeiten. Lewandowski scheiterte zudem einmal nach schöner Kombination per Kopf, während das Hamburger Spiel zunehmend ruppiger wurde. Mit dem 1:0 ging es in die Halbzeit.
Der HSV kam etwas mutiger aus der Kabine und gab ein paar mehr Räume preis. Die Strafe folgte auf dem Fuß. Lewandowski verwertete einen zu kurz abgewehrten Ball von Ostrzolek überlegt zum 2:0 (53.). Danach war es im Prinzip ein Trainingsspiel gegen moralisch niedergeschlagene Gäste. Müller (69. und 73.) erhöhte nach sehenswerten Vorlagen von Costa und Lewandowski per Doppelpack auf 4:0. Alaba, Rafinha und Vidal ließen zudem gute Chancen liegen. Guardiola nutzte die Gelegenheit, um seine Ü30-Kräfte zu schonen und brachte Götze, Rafinha und Thiago für Alonso, Lahm und Robben. Douglas Costa setzte derweil kurz vor Schluss mit einem Schrägschuss zum 5:0 (86.) den Schlusspunkt.
Es waren wie so häufig beim FC Bayern zwei völlig unterschiedliche Spiele. Eines bis zur Führung und eines danach. Die Art und Weise wie die Münchner nach dem 1:0 und vor allem nach dem 2:0 aufspielten war mitreißend. Die Phase bis dahin zeigte aber auch, dass noch einiges an Arbeit vor Guardiola liegt.
3 Dinge, die auffielen:
1. 4-1-4-1 auf Wiedervorlage
Etwas überraschend verzichtete Pep Guardiola gegen einen extrem tiefstehenden Hamburger SV auf eine Dreierkette und setzte in den ersten 10-15 Minuten auf ein klassisches Aufbauspiel mit Viererkette und einem tiefen Aufbauspieler in Xabi Alonso. Davor positionierte sich gerade zu Beginn ein durchaus radikal ausgerichtetes Offensivquintett, das sich immer wieder auf einer Linie zwischen der vielbeinigen HSV-Abwehr positionierte. Costa und Lewandowski auf der einen Seite sowie Robben und Müller auf der anderen tauschten dabei mehrfach die Position oder versuchten durch gegenseitiges Umlaufen die gegnerische Defensive in Bewegung zu bringen. Auch Vidal tauchte in den Anfangsminuten immer wieder in vorderster Front auf und positionierte sich zwischen den vier weiteren Offensivspielern – teilweise sogar noch davor. So entstand im Prinzip immer wieder ein 4-1-5 mit dem Ziel den Ball von Alonso oder Boateng direkt in die Nähe des Sechzehners zu spielen (siehe Abbildung oben).
Diese Ausrichtung könnte durchaus ein Vorgeschmack darauf sein, was Guardiola in diesem Jahr vor hat. Mehr direktes, vertikales Spiel in die Spitze, um den Ball schneller in torgefährliche Bereiche zu bringen – so wurde schon die Vidal-Verpflichtung begründet. Das Problem gegen den HSV war aber, dass dieser so tief verteidigte, dass es wenig Raum zum überbrücken gab und die Bereiche um den Strafraum herum zudem völlig überladen und zugestellt wurden. Der Passweg auf die fünf nebeneinander positionierten Offensiven wurde so extrem schweirig. Auch deshalb gab es zu Beginn den ein oder anderen langen Ball von Alonso oder Boateng in den Rücken der HSV-Abwehr. Ansonsten taten sich die Hausherren schwer spielerisch durchzukommen.
Die einzige echte Ausnahme in der Anfangsphase war eine Kopfballchance von Lewandowski in Halbzeit eins, als ein ansehnliches Passmuster (vertikal auf Robben, raus auf Lahm, rein auf Lewandowski) den HSV-Block aushebelte. Dabei blieb es jedoch zunächst. Die fünf Aufbauspieler wirkten in dieser Phase völlig verschenkt, da der HSV sich bis 40 Meter vor das eigene Tor zurückzog und Schipplock der einzige war, der halbwegs ernsthaft anlief. Auch deshalb veränderte Guardiola die Ausrichtung schon nach 20 Minuten wieder, schob Alaba in häufig zentrale Räume vor und beorderte Vidal stärker zurück neben Alonso. Das Ziel war offenbar den HSV stärker herauszulocken und die Flügel deutlich stärker zu überladen, um den Druck auf die Labbadia-Elf zu erhöhen. Bayerns Ausbauspiel wurde so wieder etwas umständlicher, beschäftigte die destruktiven Hamburger aber auch deutlich mehr als in der klaren Struktur im 4-1-4-1. Der vertikale Fokus blieb jedoch erkennbar. Spätestens nach dem 2:0 hatte Bayern dann ohnehin leichtes Spiel, weil die Hamburger etwas mehr riskierten und sich mehr Räume öffneten.
Auch wenn es nur ein sehr kurzer Abschnitt war: Der ursprüngliche Ansatz Guardiolas ist spannend und könnte gegen stärkere Pressing-Teams durchaus eine Möglichkeit sein, um den Pressingdruck kontrolliert zu überspielen und gleichzeitig schneller in gefährliche Räume zu kommen. Der HSV kann hier nicht als ernsthafter Test herhalten, da die Ausrichtung bei der Labbadia-Elf eine andere war. Guardiola wird sich die Idee mit der vertikalen Ausrichtung im 4-1-4-1/4-1-5 auf Wiedervorlage legen.
2. Die Neuen machen Lust auf mehr
Arturo Vidal und Douglas Costa brauchten wie die gesamte Mannschaft etwa eine Halbzeit um richtig ins Spiel zu finden. Was die beiden teuersten Bundesliga-Einkäufe dieser Saison danach zeigten, machte allerdings richtig Lust auf diese Saison. Vor allem Douglas Costa zeigte in seinem ersten Bundesliga-Spiel all das, was sich die Münchner von seiner Verpflichtung versprochen haben. Ein Tor, ein Assist, drei Torschuss-Vorlagen, vier erfolgreiche Dribblings. Zudem holte er den Freistoß heraus, der zum 1:0 führte. Das ist das statistische Niveau auf dem Ribéry und Robben seit Jahren spielen.
Costas Antritt ist herausragend – das zeigte sich auch gegen seine direkten Gegenspieler Diekmeier und Ostrzolek sehr deutlich. Costa machte viel Betrieb und ging mit zunehmender Spieldauer auch immer mehr Risiko. Vor allem sein Zusammenspiel mit dem einmal mehr effektiven Thomas Müller wirkte dabei schon sehr gut abgestimmt. Der Brasilianer bewies aber auch, dass er kein reiner Offensivkünstler ist, sondern sich mit starker Laufleistung und sehr engagiertem Einsatz im Gegenpressing in den Dienst der Mannschaft stellt. Ebenfalls auffällig: Sein Dribbling wirkte auf der rechten Seite – auf die er nach Robbens Herausnahme wechselte – etwas natürlicher und sicherer, als auf der linken Seite. Dass er manchmal Probleme hatte sich im Passspiel aus engen Räume zu lösen, gehört zu den Anpassungsproblemen an die besonderen Gegebenheiten des Bayern-Spiels gegen häufig tiefstehende Gegner.
Für den 24-Jährigen kommt es jetzt darauf an die Leistungen in den kommenden Wochen zu bestätigen. Durch den langfristigen Ausfall von Ribéry winkt Spielzeit en masse. Konstanz ist jetzt das Gebot der Stunde. Der Start war jedenfalls beeindruckend.
Etwas unauffälliger, aber ebenfalls belebend war der Auftritt von Arturo Vidal, der mit seinem extrem raumgreifendem Spiel an allen Orten des Feldes Einfluss aufs Spiel nahm. Vidal begann wie besprochen extrem offensiv, rückte dann aber zunehmend in eine zentrale Mittelfeldrolle von der er aus das Angriffspiel mit ankurbelte und die seltenen Hamburger Gegenstöße stoppen sollte. Vidal spielte 127 Pässe (mit Abstand Top-Wert), bereitete drei Chancen mit vor und gewann die zweitmeisten Zweikämpfe (16). Insgesamt war ihm anzumerken wie stark er in seinem ersten Einsatz für den Rekordmeister auf Kontrolle und Risikovermeidung bedacht war.
Es wird spannend zu beobachten sein in welcher Rolle Guardiola Vidal in Zukunft sieht. Nicht ausgeschlossen ist, dass Vidal Alonsos Sechser-Position übernehmen könnte, wenn Thiago weiter in die Mannschaft drängt. Das Zusammenspiel der beiden klappte nach Thiagos Einwechslung recht gut auch wenn das Spiel am Freitag-Abend mit Führung im Rücken nicht als echter Test herhalten kann. Die Frage ist aber, ob Vidals Qualitäten in einer Sechser-Rolle nicht sogar verschenkt wäre, weil er so stärker mit dem Spielaufbau beschäftigt ist. Der Neuzugang aus Turin bewies auf jeden Fall, dass es sehr, sehr schwer wird an ihm vorbei zu kommen, weil er in der Lage ist der Mannschaft auf so viele unterschiedliche Arten zu helfen.
3. Benatia setzt Glanzpunkt
Wäre dieses Spiel 0:0 oder gar 0:1 ausgegangen, hätte eine Szene von Medhi Benatia wohl sinnbildlich für die „Startschwierigkeiten“ der Münchner herhalten müssen. Benatia verlor beim Stand von 0:0 in der 12. Minute völlig unbedrängt, beinahe gedankenverloren einen Ball im Mittelfeld und zwang Xabi Alonso zu einem gelbwürdigen Foul in höchster Not gegen den durchbrechenden Sven Schipplock. Man hätte sehr viel um diese Szene herumbauen können, aber Benatia sorgte am Ende selbst dafür, dass sie eine Randnotiz blieb. Der Marokkaner zeigte – von der beschriebenen Szene abgesehen – eine herausragende Partie. Nicht nur sein Tor, das zum Dosenöffner für sein Team wurde, sondern auch seine Präsenz und Zweikampfstärke waren herausragend. Benatia gewann 19 seiner 22 Zweikämpfe (absoluter Bestwert), spielte die drittmeisten Pässe (79) bei einer Quote von 95 Prozent. Benatia war an diesem Abend der eindeutig stabilere der beiden Innenverteidiger – auch weil Jerome Boateng in einigen wenigen Szenen die gewohnte Spritzigkeit vermissen ließ.
Benatia steht vor eine richtungsweisenden Saison in München. Schon im Vorjahr spielte er meist gut ohne aber die ganz großen Glanzpunkte zu setzen. Gegen Hamburg gelang ihm das nun zum Auftakt in die Saison 2015/2016. Nicht nur mit seinem Tor, sondern auch mit wichtigen Ballgewinnen wie vor dem 3:0 von Thomas Müller als seine Eroberung über Götze zum weiten Pass auf Costa und schließlich zum Tor führte. Viel wird in den kommenden Wochen auf Grund der Verletzungen von Martínez und Badstuber auf Benatia ankommen. Sein Auftritt gegen den HSV hat gezeigt, dass er offenbar dafür bereit ist.
FC BAYERN – HAMBURGER SV 5:0 (1:0) | |
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FC Bayern | Neuer – Lahm (72. Thiago), Boateng, Benatia, Alaba – Xabi Alonso (56. Rafinha) – Robben (65. Götze), Vidal, Müller, Douglas Costa – Lewandowski |
Bank | Ulreich, Bernat, Kimmich, Hojbjerg |
HSV | Adler – Diekmeier, Djourou, Spahic, Ostrzolek – Ekdal (61. Olic), Jung, Holtby – Gregoritsch, Schipllock (70. Lasogga), Ilicevic (69. Diaz) |
Bank | Hirzel, Kacar, Müller |
Tore | 1:0 (27.) Benatia, 2:0 (53.) Lewandowski, 3:0 (69.) Müller, 4:0 (73.) Müller, 5:0 (87.) Douglas Costa |
Karten | Gelb: Boateng, Alonso / Diekmeier, Spahic |