Hamburger SV – FC Bayern 0:3 (0:1)

Steffen Trenner 04.11.2012

1. Bayern befreit mit der Führung im Rücken

Es bleibt dabei. Der FC Bayern ist nur schwer zu schlagen wenn er im Verlaufe eines Spiels in Führung geht. Seit dem 5. Februar 2011 und dem 2:3 gegen Köln hat Bayern jedes Bundesliga-Spiel nach einer 1:0-Führung gewonnen. Gerade in dieser Phase der Saison mit vielen englischen Wochen ist der Kraftaufwand ein Spiel nach Rückstand zu drehen sehr hoch. Das wurde auch in der Vorwoche gegen Leverkusen deutlich. Schwer vorstellbar, dass Bayern das Spiel gegen Leverkusen verloren hätte, wenn eine der zahlreichen Chancen in der ersten Hälfte für eine Führung gesorgt hätte.

Auch das Spiel gegen Hamburg war über weite Strecken der ersten Hälfte nicht so einseitig wie es das Endergebnis vermuten lässt. In den ersten 30 Minuten hatte Hamburg in Tornähe gar die besseren Aktionen auch wenn glasklare Chancen auf beiden Seiten Mangelware waren. Dennoch wirkte Hamburg von Beginn an bissig und mit einem klaren Matchplan (siehe Punkt 3) – Bayern mied im Spielaufbau zunächst das Risiko. Das sorgte auf der einen Seite für wenig Torgefahr auf der anderen Seite aber auch für sehr wenig Ballverluste im Spielaufbau und somit kaum Konterchancen für den HSV. Bayern lockte die Hamburger so auch zunehmend aus der eigenen Hälfte und war selbst in der Lage zu kontern – wie beim herausragend heraus gespielten 1:0. Mit der Führung spielte die Heynckes-Elf dann den gewohnten Bayern-Fußball mit einer Mischung aus Ballbesitz und individueller Klasse auf den Flügeln und gewann so am Ende hochverdient.

2. Alaba schon wieder ganz der Alte

Die Verletzungspause ist David Alaba nicht anzumerken. Zum ersten Mal spielte der Österreicher auf seiner angestammten Position als linker Verteidiger und wusste im Zusammenspiel mit Ribery zu überzeugen. Er hatte hinter dem Franzosen (97) mit 90 die zweitmeisten Ballkontakte und kam drei Mal zum Abschluss. Alaba hinterläuft Ribery deutlich aggressiver als Holger Badstuber auf dieser Position, was auf Grund des hohen Tempos der beiden jede Mannschaft vor Probleme stellt. Trotz des Ausfalls von Badstuber ist Bayern mit dem starken Alaba und dem passablen Contento hinten links gut aufgestellt.

3. Fink mit klarem Plan

So ein wenig ertappt man sich ja doch dabei einen genauen Blick auf Trainer zu werfen, die zumindest im sehr erweiterten Kreis zu den möglichen Heynckes-Nachfolgern beim FCB gehören. Aktuell gibt es da drei Kategorien. 1. Die eher unwahrscheinliche Maximal-Variante (Guardiola/Löw). 2. Der biedere Bundesliga-Variante (Slomka/Favre) und 3. die Bayern-Familien-Variante (Babbel/Fink/Scholl). Blickt man auf die Namen der zweiten und dritten Kategorie drängt sich zwar zunehmend der Gedanke auf, dass ein weiteres Heynckes-Jahr vielleicht doch nicht die schlechteste Idee ist, dennoch stehen Thorsten Finks Leistungen als Trainer unter besonderer Beobachtung.

Grundsätzlich halte ich es für positiv, wenn ein Trainer sich etwas besonderes überlegt, um gegen einen stärkeren Gegner zum Erfolg zu kommen, anstatt sich in sein Schicksal zu fügen und auf einen glücklichen Sieg zu hoffen. Mainz und Hannover haben in den vergangenen Jahren vorgemacht, dass es möglich ist den FC Bayern mit einem klaren Plan zu besiegen. Fink sammelte kurz vor dem Anpfiff alle Spieler+Betreuer zusammen und hielt eine emotionale Ansprache, die für jeden Zuschauer sichtbar war und damit den Ton in der Arena für dieses Spiel vorgab. Fink hatte auch einen klaren taktischen Plan. Er nahm Rincon als zusätzlichen giftigen Balleroberer in die Mannschaft und schob van der Vaart weiter nach Vorne. jedoch nicht wie viele Journalisten beobachtet haben wollen, als vordere Spitze, sonder eher als hängende Spitze. Sobald Hamburg den Ball mal früh eroberte, versuchte sich van der Vaart von der Bayern-Innenverteidigung zu lösen, um als erste Anspielstation und Umschaltspieler zu agieren. Gleichzeitig starteten auf den Außen die flinken Son und Beister um die Abwehr der Bayern auseinander zu reißen und sich als mögliche Empfänger des tödlichen van der Vaart-Passes in Position zu bringen. Diese Spielidee spiegelt sich auch in dieser Grafik wider:

Verteilung Pässe Rafael van der Vaart

Dass diese durchaus sinnvolle Idee nicht zum Erfolg führte, lag vor allem daran, dass Bayern den Hamburgen nicht den Gefallen tat allzu viele Bälle in der Vorwärtsbewegung zu verlieren. So ließ sich die geordnete Bayern-Abweh nur selten von den Läufen von Son und Beister aus dem Konzept bringen. Außerdem hatten die Münchener in Bastian Schweinsteiger den überragenden Zweikämpfer in der Mittelfeldzentrale auf dem Platz, der viele gefährliche Situationen klärte. Schweinsteiger lief mit 11,84 km die größte Distanz aller Spieler auf dem Platz und gewann zudem 17 Zweikämpfe (92%) – ebenfalls Bestwert. Insgesamt gewann Bayern 57 Prozent der Zweikämpfe. Gerade hoch und weit geschlagene Bälle landeten bei der kopfballstarken Bayern-Abwehr. Finks Plan war also prinzipiell sinnvoll und mutig – auch wenn er am Ende keinen Erfolg hatte.