Alles neu macht der Sommer – Entfesselte Bayern erstürmen Frankfurt mit 6:1

Daniel Trenner 05.08.2022

Falls Ihr es verpasst habt

Die Aufstellung 

Julian Nagelsmann schickte dieselbe Elf auf das Feld wie beim 5:3-Erfolg im Supercup. Nach Testspielen sollte das neue 4-2-2-2-System also auch in der Bundesliga Premiere feiern. An Kimmichs Seite startete weiterhin der im Sommer scheinbar ausgetauschte Marcel Sabitzer.

Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt empfing die Bayern mit dem bekannten 3-4-3-System. Mutmaßlich zum letzten Mal startete Filip Kostić auf dem linken Flügel. Ex-Bajuware Mario Götze durfte ebenfalls beginnen.

1. Halbzeit

So unüberraschend die Aufstellungen waren, so unüberraschend verhielten sich die Eintracht-Fans. Wohl wissend von der großen Bühne des Erföffnungsspiels feuerte die Kurve ein nebliges Pyro-Fest ab, die gesamte Hälfte der Adler war von Rauch bedeckt. Schaden tat dies nicht nur den Zuschauern, sondern wohl auch Kevin Trapp. Joshua Kimmich bolzte schlitzohrig einen weiten Freistoß am entfernt spekulierenden Torwart vorbei ins Eck (5.).

Auch das zweite Tor entsprang einem Standard. Nach erneut Kimmichs Hereingabe herrschte Chaos vor Trapp, Müller versuchte es gar mit einem Fallrückzieher. Am Ende landete die Kugel perfekt vor Pavard, der mal wieder beweisen durfte, dass er für einen Innenverteidiger eine viel zu gute Schusstechnik hat (11.).

In den nächsten 15 Minuten folgte eine streckenweise abstruse Fehlschuss-Orgie. Frankfurt setzte eine Ecke an die Querlatte, Müller traf aus 2 Metern Entfernung nur den Pfosten und sich selbst, Lindstrøm tanzte Messi-esque Bayerns halbe Defensive aus, nur um dann den Abschluss zu vermasseln, Musiala scheiterte mit einem gefährlichen Weitschuss.

Sadio Mané war das ganze Theater dann zu viel und zeigte, dass man doch auch das Spielgerät ins Netz befördern darf. Musiala verstolperte den Ball auf Höhe der Mittellinie, Kimmich presste ihn zurück und lupfte weit auf Gnabry, der zu Mané flankte. Der Senegalese köpfte ins kurze Eck (29.).

Die nächsten beiden Tore erzwang Mané mit roher Körperlichkeit. Zunächst nahm er von der Mittellinie Geschwindigkeit auf, schüttelte Tutas Tacklingversuche mühelos ab, erzwang so eine Überzahlsituation, steckte durch auf Müller, der zu Musiala quer legte. Dieser musste am Ende nur noch ins leere Tor einschieben (35.). Beim nächsten Tor wurde Mané derweil gleich von mehreren Spielen attackiert, doch vom Ball zu trennen war einfach nicht. Erneut war Müller am Ende der direkte Vorbereiter, diesmal jedoch vollstreckte Serge Gnabry (43.). Mit einer historisch-hohen 5:0-Halbzeitführung ging es in die Pause.

2. Halbzeit 

Die Eintracht wechselte zur Pause dreimal, Bayern erst in der 58. Minute mit Gravenberch für den starken Marcel Sabitzer. In dieser Phase schalteten sie zwei Gänge zurück, suchten nun mehr den Ballbesitz in der Breite, als den Durchbruch in die Spitze. Prompt verkürzten die Adler, wenn auch eher weniger durch eigenes Zutun. Neuer entschloss sich vor dem eigenen Strafraum zu einem völlig unnötigen und undurchdachten Dribbling, vertändelte den Ball – 1:5 (64.).

Nagelsmann antwortete mit einem Doppelwechsel: Sané und Frischling Tel für Müller und Gnabry. Das Spiel wirkte ein wenig so, als würde Bayern eigentlich gar nicht mehr wirklich wollen, aber nicht anders können als dann doch sich nebenbei allergrößte Torchancen herauszuspielen. In der 80. Minute kamen noch De Ligt und Mazraoui für Hernández und Pavard.

Treffen wollten die Bayern dann aber doch noch. Sané öffnete stark für Musiala, der sich an den Frankfurtern vorbei tanzte und überlegt abschloss (83.). Bayern gewann den Auftakt mit 6:1, in neun (!) Tagen empfängt der Rekordmeister den VfL Wolfsburg

Dinge, die auffielen

1. Alles neu macht der Sommer

Meist ist dieser Ausspruch eine hysterische Übertreibung, bei Bayern diesmal aber absolut gerechtfertigt. Dabei stand ja eigentlich mit Sadio Mané nur ein Neuzugang zunächst in der Startelf. Es wirkte nur so ganz anders, weil das Bayern-Spiel nur noch wenig mit dem biederen, ideenarmen, kraftlosen Fußball der letzten Rückrunde zu tun hat. Von der ersten Minute legten die Bayern los wie die Feuerwehr. Entfesselten eine unheimliche Tiefe im Spiel. Jede Aktion wurde offensiv gedacht, alle machten mit. Gewann die Abwehrkette den Ball, war Sekunden später entweder schon ein präziser Vertikalpass gespielt, oder ein gegnerbindendes Dribbling angesetzt. Verlor man kurz im Angriff den Ballbesitz, wurde sofort brutal nachgesetzt (bestes Beispiel: Kimmich beim 3:0).

Viel wurde darüber gesprochen, wie man Lewandowski mit Positionsrochaden ersetzen möchte. Flexibilität ist eine ziemliche Fußballfloskel geworden. Alle sprechen in Interviews, auf Pressekonferenzen davon. Doch am Ende wird stumpf der Stiefel vom Wochenende heruntergespielt. Bei diesen Bayern ist das anders. In der Breite wurde derart rochiert, wie man es vielleicht seit Heynckes’ Tripel-Team nicht mehr sah. Kimmich war eigentlich der einzige beständige Pol, sonst war alles flexibel.

Für erfolgreiche Rochaden muss es natürlich auch einen gewissen common ground geben, den alle rochierende Spieler sich teilen. Gegen Frankfurt war es die Geschwindigkeit. Außer Müller war jeder allzeit fähig, seinen Gegenspielern davon zu rennen. Müller selbst braucht das natürlich nicht, er macht alles mit seinem Positionsspiel und seiner Intelligenz wett. Mit seinen drei Torvorlagen bläst der Assist-König diesmal schon früh zum Angriff auf sich selbst.

2. Das Naturereignis Sadio Mané

Natürlich kannte man Sadio Mané eingängig vom FC Liverpool, doch ihn neben Bayern-Spielern zu sehen, zeigt erst so richtig, was er seinen neuen Mitspielern voraus hat. Sadio Mané hat -man muss es so klar sagen- einen absoluten Wunderkörper. Wie er gerade beim beim vierten und fünften Tor bedrängt wird, aber einfach nicht fällt oder gar strauchelt ist einmalig. Weder Sané, noch Gnabry oder Coman und schon gar nicht Musiala wäre dies gelungen.

So etwas hat der FC Bayern, so etwas hat die Bundesliga noch nicht gesehen! Nicht in Kombination mit dieser Explosivität, mit diesen filigranen, katzenartigen Dribblings. Denn natürlich gab es schon robuste Stürmer, Lewandowskis Adoniskörper steht Manés selbstverständlich in nichts nach. Doch so einsetzen wie ihn Mané gegen Frankfurt -keinesfalls eine unathletische Mannschaft- konnte er ihn nie. Oft wurde das aktuelle Transferfenster mit dem vom Sommer 2007 verglichen und noch eine weitere Parallele kommt hinzu: Ähnlich wie bei Franck Ribéry scheint die Bundesliga nicht bereit für diesen Sadio Mané zu sein.

3. Team Ajax muss sich hinten anstellen

Viel wurde über die neue Ajax-Fraktion der Bayern besprochen und dann ist Bundesliga und alle hocken auf der Bank. Freilich, bei De Ligt hatte es Fitnessgründe (Upamecano machte seinen Job heute aber sehr gut). Doch Mazraoui und Gravenberch konnten sich berechtigte Startelfhoffnungen machen und blieben trotzdem außen vor. Pavard und vor allem Sabitzer zeigten, wieso sie derzeit noch die Nase vorn haben. Der Franzose ließ gegen Kostić nichts anbrennen und glänzte vorne mal wieder mit brachialer Schussgewalt.

Sabitzer spielte die ruhige, aber nicht minder wichtige Geige hinter Kimmich. Über Sommerlöcher wurden schon viele Spieler hochgeschrieben, nur um dann pünktlich zum Bundesligaauftakt einzugehen, Sabitzer hat seine tolle Vorbereitungsform jedoch konserviert. Kluges Pressing, gutes Passspiel, kein unnötiger Firlefanz. Diese Basics möchte man im Mittelfeld haben und Sabitzer zeigte sie besser als Gravenberch.

Gewiss, der Holländer kam, als das Spiel bereits entschieden war, doch er hatte eben auch üble Fehlpässe und unnötige Körperdrehungen in seinem Spiel. Was ja auch völlig in Ordnung für einen erst im Mai 20 gewordenen Spieler ist. Seltsamerweise kam rund um seine Verpflichtung ein regelrechter Hype auf, der ihn schon schnell Goretzka verdrängen sah, doch der Weg zum Stammspieler ist weit. Unglaublich vielversprechende Anlagen sind da, doch er wird sich noch hinten anstellen müssen.

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