FC Bayern München – Hertha BSC 1:0 (0:0)

Christopher Trenner 25.04.2015

Falls ihr es verpasst habt:

Glück und Leid liegen oftmals dicht beieinander. Am späten Donnerstagnachmittag musste der FC Bayern auf seinen Social Media Kanälen verkünden, dass sich Holger Badstuber erneut verletzt hat und für mindestens drei Monate ausfallen wird. Ein Muskel im Oberschenkel ist so stark lädiert, dass sogar eine Operation nötig ist. Das Glück auf der anderen Seite verkörpert Javi Martinez, der zum ersten Mal in dieser Bundesliga-Saison auf der Bank Platz nehmen durfte. Martinez fehlte der Elf von Pep Guardiola seit dem deutschen Super-Cup gegen Borussia Dortmund im vergangenen August, also vor gut 8 Monaten.

Durch die Verletzung von Badstuber und Rafinha, der ebenfalls nicht mitwirken konnte, ergaben sich drei Änderungen für Pep Guardiola im Vergleich zum letzten Bundesligaspiel. Boateng, Schweinsteiger und Lahm rückten in die Startelf. Es fehlten Bernat und die besagten Badstuber und Rafinha. Weiterhin konnte Pep Guardiola nicht auf Franck Ribery und Arjen Robben zurückgreifen. Bei letzterem wurde ja bereits ein Blitz-Comeback gegen Porto vermutet, aber es reichte weder für das Spiel gegen Porto, noch für das Bundesligaspiel gegen Berlin. So ging Bayern mit einem 4-3-3 Grundsystem ins Spiel, bei dem Weiser auf der linken und Rode auf der rechten Außenverteidiger Position sicherlich in etwas ungewohnten Rollen aufliefen. Im Mittelfeld ergab sich über weite Strecken der Partie eine 1-2 Staffelung, bei der Schweinsteiger den defensiveren Part spielte. Gaudino und Lahm waren etwas weiter davor, wobei vor allem Gaudino sich immer ein Stück weiter zurückzog und teilweise auf einer Höhe mit Schweinsteiger agierte. Hertha setzte auf Konterfußball aus einer stabilen 4-4-2 Staffelung, die sich etwa 30 Meter vor dem Tor sehr eng aufzog. Das Bayern-Spiel wurde so immer wieder auf die Flügel gedrängt, wobei aber Weiser und Rode und ihre offensiven Partner Götze und Müller in viele Unterzahlsituationen geschickt wurden, da Hertha die Räume sehr eng hielt. Durch die Mitte ging über weite Strecken der ersten Halbzeit nichts, da Gaudino zwar viele Räume vor sich hatte, diese aber nicht perfekt nutzen konnte und keinen gefährlichen Vor-Vorletzten Pass an den Mann brachte. Zwar versuchte Lewandowski immer wieder eine Angriffseite zu überladen, war damit aber nicht erfolgreich. In der Summe passierte also sehr wenig, vielleicht hatten die Berliner nach einer Flanke von Schulz durch Stocker sogar die größte Chance (9.) in der ersten Halbzeit.

In der zweiten Halbzeit reagierte Pep Guardiola und stellte um. Sinan Kurt gab sein Pflichtspieldebüt für den FC Bayern. Er kam für Gaudino. Weiterhin tauschten Weiser und Rode ihre Positionen. Rode kam fortan über die linke Seite und taktisch ergab sich dadurch eher ein 4-4-2 System, wobei sich beide fortan deutlich offensiver zeigten als in der ersten Halbzeit und phasenweise den 8er-Raum mit besetzten. Kurt beackerte zunächst die rechte Angriffsseite. Müller gesellte sich zu Lewandowski in die Sturmspitze. Durch diese Formationsänderung gab Pep Guardiola etwas an Kontersicherung auf. Deutlich wurde dies in der 55. Minute, als Nico Schulz das 1:0 für die Hertha auf dem Fuß hatte. Haraguchi spielte einen Steilpass auf Schulz, der alleine auf Neuer zugelaufen ist. Neuer blieb lange stehen und konnte den halbhohen Ball mit seinem rechten Arm über die Latte leiten – eine überragende Parade.

Auf Seiten der Bayern tat sich weiterhin wenig. Pep Guardiola reagierte und brachte in der 66. Minute Thiago für Müller und etwas später Pizarro für Götze. Erst ab diesem Moment kam der FC Bayern zu Torchancen. Zunächst war es Lewandowski nach einer Ecke (77.), dann war es Schweinsteiger nach einer Halbfeldflanke von Boateng (79.). Eine Minute später war es dann aber soweit. Weiser dribbelte sich auf der rechten Seiten durch vier (!) Gegner durch und legte geschickt auf Schweinsteiger zurück. Dieser verwandelte eiskalt und sicherte dem FC Bayern de facto die Meisterschaft – wie bereits vor zwei Jahren durch seinen Siegtreffer gegen Frankfurt.

Drei Dinge, die auffielen:

1. Das 4-4-2 Problem

Die Rückrunde des FC Bayern ist teilweise ein auf und ab. Gute Leistungen wechseln sich mit durchwachsenen Auftritten ab. Auffällig dabei ist die große Ideenarmut gegen Gegner mit einem gut gestaffelten 4-4-2-System. Gegen Wolfsburg und Gladbach ging man aufgrund individueller Fehler daher sogar als Verlierer vom Platz. Auch gegen Hertha BSC war wieder auffällig, wie abhängig der FC Bayern von seinen Individualisten Ribery und Robben ist. Zu selten wurde ein Gegenspieler ausgespielt, zu selten wurden so Räume geöffnet. Zugegeben, die Berliner erlaubten sich keinen individuellen Fehler und haben ihre Abwehrketten über weite Strecken der Partie sehr gut verschoben. An diesem Punkt gelang es dem FC Bayern nicht, eine Überzahlsituation zu schaffen. Waren in der ersten Halbzeit Rode und Weiser noch zu passiv, waren es in der Summe die Offensivsspieler, die sich in den direkten Duellen nicht durchsetzen konnten. So konnten die Außenspieler Götze nur 27%, Kurt 33% und Müller 50% der Zweikämpfe gewinnen. Zu wenig, will man auf ein stabiles Defensivkonstrukt Druck aufbauen. Überdies kam aus der Mittelfeldzentrale zu wenig Kreativität und ungenaue Zuspiele im letzten Angriffsdrittel. Daher erspielte sich der FC Bayern in den ersten 75 Minuten fast keine Torchancen und musste sich sogar beim Schlussmann Manuel Neuer bedanken, nicht in Rückstand geraten zu sein.

2. Hier kommt Kurt

Sechs Mal stand Sinan Kurt bereits im Bundesligakader des FC Bayern und trotz aller Verletzungen der „Stars“, kam er bisher nicht zu seinem Profidebüt. Um 19.30 Uhr am heutigen Samstag war es dann so weit. Der deutsche U-Nationalspieler, der vor der Saison von Borussia Mönchengladbach nach München gewechselt war, kam für Gaudino in die Partie. In seinen ersten 45 Minuten zeigte sich der junge Kurt sichtlich engagiert und versuchte mit einigen Flanken und 1:1-Situationen Druck auf die Abwehr der Hertha aufzubauen. Vor allem die ersten 15-20 Minuten hatte er dabei viele Ballkontakte, konnte sich aber meist nicht gegen zwei Herthaner durchsetzen. Mit der Einwechslung von Thiago tauschte Kurt mit Götze die Seite und hatte im späteren Spielverlauf weniger Einfluss.

Positiv zu erwähnen waren seine Standardsituationen. Seine Eckbälle konnten durchaus Gefahr entwickeln. Am Ende standen 38 Ballkontakte, 93% Passquote und ein Torschuss. In der Summe sicherlich eine Leistung, auf die er aufbauen kann. Spannend wird sein, ob er auch das nächste Jahr in München verbringt oder, wie bereits von Karl-Heinz Rummenigge angekündigt, ausgeliehen wird. Die gescheitere Leihe von Green zeigt, dass solche Szenerien nicht immer einen positiven Effekt haben müssen.

3. Endlich Weiser

In der 80. Minute zeigte Mitchell Weiser, warum der FC Bayern für ihn vor drei Jahren einen Millionenbetrag nach Köln überwiesen hat, obwohl er noch nicht mal ein Bundesligaspiel auf der Uhr hatte. Mittlerweile steht Weiser in dieser Saison bei neun Einsätzen, obwohl er seinen ersten Einsatz erst am letzten Hinrundenspieltag gegen Mainz hatte. In der Winterpause hat es dann scheinbar Klick gemacht. Von vielen Beobachtern wurde Weiser für seinen Einsatz gelobt und auch seine Einsatzzeiten sind sprunghaft angestiegen – natürlich auch bedingt durch viele Ausfälle und Abgänge. So entwickelte sich der 21-Jährige mittlerweile zum Spieler 13-15 im Kader, der immer dann eine Chance bekommt, wenn Spieler geschont werden sollen oder kleine Verletzungen Pep Guardiola zu Umstellungen zwingen. Und Weiser macht das nicht schlecht. Mal spielt er rechts im Mittelfeld, mal in der Abwehr oder wie heute zunächst als linker Verteidiger. Dabei entwickelt er eine beachtliche Konstanz. So steht er bei vier direkten Torbeteiligungen in den letzten sechs Bundesligaspielen. Mit 55% Zweikampfquote war er gegen Hertha BSC einer der wenigen Spieler, die am Ende eine positive Zweikampfbilanz aufweisen konnten. Das gesamte Team stand am Ende bei 45% – und damit 12% schlechter als der bisherige Bundesligadurchschnitt.

Weiser hat jetzt wohl noch vier Ligaspiele, um sich für einen neuen Klub zu bewerben. Der „Kicker“ berichtete unlängst, dass sein Vertrag nicht verlängert wird. Ob da das letzte Wort, angesichts der Leistungen der letzten Wochen (der heutigen miteinbegriffen) schon gesprochen wurde, wird eine der wichtigsten Fragen der Kaderplanung in den nächsten Wochen sein.

FC BAYERN – HERTHA BSC 1:0 (0:0)
FC Bayern Neuer – Rode, Boateng, Dante, Weiser – Schweinsteiger – Lahm, Gaudino (46. Kurt) – Müller (67. Thiago), Lewandowski, Götze (75. Pizarro)
Bank Reina, Alonso, Bernat, Martínez
Hertha BSC Burchert – Pekarik, Langkamp, Brooks, Plattenhardt – Skjelbred, Lustenberger – Haraguchi, Stocker (73. Hegeler), Schulz – Kalou (66. Ndjeng)
Bank Gersbeck,Heitinga,Niemeyer,Ronny
Tore 1:0 Schweinsteiger (80.)
Karten Gelb: – / Kalou
Zuschauer  75.000
Schiedsrichter Guido Winkmann (Kerken)