FC Bayern München – FC Barcelona 3:2 (1:2)

Steffen Trenner 12.05.2015

Falls ihr es verpasst habt:

Beide Trainer schickten exakt die gleiche Aufstellung aufs Feld wie im Hinspiel. Guardiola entschied sich damit gegen den gegen Augsburg aktiven Götze und für eine erneute Chance des Ü30-Trios Schweinsteiger, Lahm und Alonso im Mittelfeld. Anders als im Hinspiel setzten die Münchner dieses Mal von Beginn an auf eine Viererkette mit Rafinha und Bernat als nominellen Außenverteidiger. Lahm begann dieses Mal auf dem rechten Flügel. Schweinsteiger orientierte sich nach links und zog von dort immer wieder in die Mitte.

Die Partie begann tempogeladen. Rakitic hatte schon nach fünf Minuten eine Riesenchance, als er frei vor Neuer auftauchte. Der Nationalkeeper reagierte jedoch glänzend (5.). Beinahe im direkten Gegenzug kam Thiago im Strafraum frei zum Schuss und scheiterte nur am hineingrätschenden Piqué. Eine Minute später dann die Führung für den FC Bayern. Benatia köpfte eine Ecke von Alonso zum 1:0 über die Linie (7.). Ein Etappenziel war also erreicht. Lewandowski hätte wenig später in aussichtsreicher Position sogar für das 2:0 sorgen können, brauchte aber zu lange für die Ballverarbeitung. Wenig später folgte dann die Ernüchterung. Messi passte den Ball in die Schnittstelle der Bayern-Viererkette, Suárez legte quer und Neymar traf zum 1:1 und damit schon zur Vorentscheidung dieses Halbfinals (15.). Bayern in der Folge mit trotzigen Angriffen und großen Chancen von Lewandowski und Müller. Das Tor machte aber Barcelona. Messi verlängerte einen weiten Ball per Kopf auf Suárez, der legte erneut quer auf Neymar. 1:2. Bayern brauchte nun fünf Tore für das Weiterkommen.

Trotzdem spielte die Guardiola-Elf auch in der Folge forsch nach vorne und kam zu weiteren guten Tormöglichkeiten. Die beste Chance der ersten Hälfte vereitelte ter Stegen mit einem glänzenden Reflex gegen Lewandowski und anschließender Rettungsaktion auf der Linie (40.). Barcelona brachte in der Pause Pedro für Suárez und nahm spürbar Tempo heraus. Der Rekordmeister brauchte etwa 10-15 Minuten, um die richtige Einstellung zu diesem Spiel zurückzufinden. Lewandowski traf kurz danach nach schönem Wackler aus zentraler Position zum 2:2 (59.). Bayern danach erneut mit wütenden Angriffen auf Barcelonas Tor. Schweinsteiger war nun fast nur noch am und im Strafraum zu finden und beschäftigte die Hintermannschaft der Katalanen mit seinem physischen Spiel. Thomas Müller brachte die Hausherren in der 74. Minute nach Vorarbeit des Vizekapitäns mit seinem 3:2 endgültig zurück auf die Siegerstraße. Auch wenn die am Dienstag großartige Allianz Arena und auch die Mannschaft in der Folge noch einmal alles versuchte – es blieb beim 3:2.

Ein Sieg zum Abschluss einer guten Champions-League-Saison des Rekordmeisters, die nicht mit dem großen Traum vom Champions-League-Finale in Berlin gekrönt wurde. Der FC Barcelona zieht insgesamt verdient ins Finale ein und doch blieb am Dienstagabend die Frage, was noch möglich gewesen wäre, wenn das Hinspiel vielleicht nur mit einem oder zwei Toren Unterschied ausgegangen wäre. Eine wichtige Lehre für die Zukunft.

Die Zuschauer in der Allianz Arena bewiesen ein gutes Gespür und schickten die Mannschaft nach Schlusspfiff auf eine wohlverdiente Ehrenrunde. Es war ein couragierter Auftritt, der Sehnsucht weckte auf den nächsten Angriff auf den Champions-League-Titel im kommenden Jahr.

Drei Dinge, die auffielen:

1. Offensivfeuerwerk mit Makel

Zwei bis drei Torchancen erspielen. Vielleicht eine Ecke reindrücken. So oder so ähnlich sah die Erwartungshaltung für den FC Bayern vor dem Spiel aus. Zurecht ist in den vergangenen Tagen viel über die negativen Auswirkungen der Verletzungen von Robben und Ribéry gesprochen worden. Die Erwartungen an das Offensivspiel waren für das Rückspiel gegen Barcelona dementsprechend gedämpft. Guardiola verzichtete zudem auf offensive Alternativen wie Götze oder Weiser und setzte zumindest mit seiner Aufstellung voll auf Spielkontrolle. Was die Münchner dann aber von der ersten Minute an in der Offensive zeigten war forscher, erfrischender und auch zumindest in der Chancenkreation effektiver Fußball. Bayern spielte nach Ballgewinnen etwas direkter als erwartet immer wieder in die 8er-Räume, in die Schweinsteiger und Lahm vom Flügel hineinrückten oder sich Müller aus der Spitze zurückfallen ließ. Auch Thiago, dem eine gewisse Müdigkeit erneut anzumerken war, tauchte immer wieder in diesen Räumen auf und suchte Eins-gegen-Eins-Situationen oder den direkten Weg in den Strafraum. Bayern gelang es so, das Mittelfeldtrio der Gäste mit Iniesta, aber vor allem Rakitic und Busquets immer wieder zu beschäftigen und in tiefere Zonen zu zwingen. Dass Rakitic nur einen von zwölf Zweikämpfen gewann, war ein Beleg für Barcelonas Probleme gerade im linken Halbraum.

Bayerns Offensivspiel war dabei erstaunlich variabel und wurde mal über die Flügel, mal durch das Zentrum vorbereitet. Allein Lahm fiel durch einige falsche Entscheidungen etwas ab. 19:5 Torschüsse zählte die Statistik am Ende. 13 Torschüsse gaben die Münchner innerhalb des Strafraums ab. Müller und Lewandowski mit jeweils fünf Torschüssen waren dabei die aktivsten Angreifer. In der zweiten Hälfte unterstrich auch Schweinsteiger (4 Torschussvorlagen, 2 Torschüsse), warum er auch in Zukunft ein wertvoller Teil der Mannschaft sein könnte. Seine Torgefahr aus dem zentralen Mittelfeld heraus ist eine Qualität, die in dieser Form schwer zu finden oder ersetzen ist.

Was nicht zum ersten Mal in dieser Saison nicht stimmte, war die Chancenverwertung. Vor allem Lewandowski muss sich hier trotz seines Treffers und einer insgesamt sehr guten Leistung Kritik gefallen lassen, weil er in vielversprechenden Szenen manchmal zu hektisch oder nicht genau genug agiert. Um es klar zu sagen: Fünf oder sechs Tore des FC Bayern waren möglich am Dienstagabend. Offensiv war es bis auf die Qualität im Abschluss eine der stärksten Vorstellungen im Jahr 2015. Vor allem vor dem Hintergrund der Ausfälle.

2. Zentrales Mittelfeld stößt defensiv an Grenzen

Es könnte eine Lehre aus den beiden Spielen gegen den FC Barcelona sein. Der FC Bayern muss in der kommenden Saison einen Weg finden, Mannschaften mit individuell stark besetzten Offensivspielern im eigenen zentralen Mittelfeld etwas entgegen zu setzen. Auch wenn gerade das 1:2 durch einen schlimmen Stellungsfehler von Benatia begünstigt wurde, muss der fehlende Zugriff in Bayerns 6er-, beziehungsweise Barcelonas 10er-Raum deutlich benannt werden. Vor dem 1:1 erlaubten die Münchner den Gästen zunächst das schnelle Umschalten und verpassten es dann, nachdem die erste Welle abgewehrt werden konnte, in Person von Schweinsteiger Druck auf Messi aufzubauen, der seelenruhig einen Pass in die Schnittstelle zwischen Benatia und Bernat spielen konnte. Alonso hob hier letztlich das Abseits auf, wedelte mit dem Arm und ließ Neymar davonlaufen. Jede der vier Großchancen Barcelonas entstand im Prinzip durch das Zentrum. Messi driftete immer wieder in den Raum, der nominell von Alonso besetzt wurde und sorgte gerade in der ersten Hälfte mehrfach für Gefahr.

Alonso gewann zwar 57% seiner Zweikämpfe, viel entscheidender sind aber die Zweikämpfe, die er nicht führte, weil er zu spät kam oder das direkte Duell scheute. An guten Tagen gelingt es dem Oldie seine defensiven Defizite durch gutes Timing im Herausrücken wettzumachen. Spätestens seit dem 1:4 gegen Wolfsburg zum Rückrundenstart, als das Problem erstmals so richtig offensichtlich wurde, häuften sich jedoch die Probleme. Auch wenn er sich zuletzt spürbar fing, war Alonso auch im Hinspiel bei Neymars Treffer zum 0:3 durch ein in dieser Situation überflüssiges Herausrücken direkt beteiligt.

Dass der FC Bayern im Rückspiel gegen Barcelona nur kurz so richtig an ein Wunder glauben durfte, lag nicht am Offensivspiel. Hier zahlte sich die Zusammenstellung des Mittelfelds absolut aus. Auch Alonso war deutlich zielstrebiger und klarer in seinen Offensivaktionen als zuletzt. Deutlich wie lange nicht mehr wurde jedoch in beiden Spielen, wie sehr ein starker individueller Zweikämpfer als Ergänzung egal welcher Kombination im zentralen Mittelfeld fehlt. Fünf Gegentore gegen Barcelona waren am Ende zu viel. Es reicht gegen absolute Top-Teams mit offensiven Weltklassespielern wie Barcelona nicht aus den Gegner über Ballbesitz und Spielkontrolle vom eigenen Tor fernzuhalten. Wer in Erinnerung hat, wie Javi Martínez vor zwei Jahren Iniesta im Hinspiel über 90 Minuten „terrorisierte“, der weiß in etwa, wie eine Alternative aussehen könnte. Auffällig war auch, wie viel griffiger Bayerns Mittelfeld am Dienstagabend wurde, nachdem Rode in die Partie kam. Guardiola und der FC Bayern sollten sich gut überlegen eine solche Option in der kommenden Saison wieder häufiger zu nutzen, wenn alle Spieler fit sind. Mit Martínez und Rode gibt es schon im aktuellen Kader zwei Möglichkeiten.

3. Müller lässt Taten folgen

Im Kontext des Duells gegen Barcelona ist auch immer wieder über das nahende Ende der goldenen Spielergeneration des FC Bayern um Lahm, Schweinsteiger, Ribéry und Robben gesprochen worden. Die Frage, die sich dabei immer wieder anschließt, ist, welche Spieler aus dem aktuellen Kader in der Lage sind, in Führungsrollen hinein zu wachsen. Jemand, der in dieser Saison, aber auch in den letzten Tagen noch einmal an Bedeutung gewonnen hat im Spielsystem, aber auch im Mannschaftsgefüge des FC Bayern, ist Thomas Müller. Er wird auf und neben dem Platz immer mehr zum Kopf dieser Mannschaft. Er war es, der die Niederlagen gegen Porto und Barcelona in der notwendigen Klarheit einordnete und er war es auch, der in beiden Rückspielen Taten folgen ließ.

Müller gab von Beginn an den Ton an gegen Barcelona. Er schmiss sich in Zweikämpfe, stachelte die Zuschauer an und war immer darauf bedacht, das Spiel schnell zu machen und Barca unter Druck zu setzen. Die Kombination Müller/Lewandowski, die in der Rückrunde mehr oder weniger aus der Not geboren wurde, harmonierte gegen Barcelona erneut sehr gut. Müller ist dabei der etwas raumgreifendere Spieler mit seinem nach wie vor guten Riecher für gefährliche Situationen in Tornähe. Mit Lewandowski hat er einen technisch versierten Partner, der auch unorthodoxe Bälle, wie sie Müller gern spielt, verarbeiten und nutzen kann.

Ein Tor, fünf Torschüsse und zwei Torschussassists waren die starke Bilanz von Müller, dem es gegen Barcelona auch gelang, als Fixpunkt und vielleicht auch emotionaler Anführer der Mannschaft Akzente zu setzen. Seine Bedeutung im und für den Verein wird in Zukunft noch weiter steigen. Auch das haben die beiden Spiele gegen Barcelona deutlich gezeigt.

FC BAYERN – FC BARCELONA 3:2 (1:2)
FC Bayern Neuer – Rafinha, Boateng, Benatia, Bernat – Thiago, Alonso, Schweinsteiger (87. Martínez) – Lahm (68. Rode), Müller (87. Götze) – Lewandowski
Bank Reina, Dante, Gaudino, Weiser, Pizarro
FC Barcelona ter Stegen – Dani Alves, Piqué, Mascherano, Alba – Rakitic (72. Mathieu), Busquets, Iniesta (75. Xavi) – Messi, Suárez (46. Pedro), Neymar
Tore 1:0 Benatia (7.), 1:1 Neymar (15.), 1:2 Neymar (29.), 2:2 Lewandowski (59.), 3:2 Müller (74.)
Karten Gelb: Rafinha, Thiago, Lewandowski, Alonso, Rode / Rakitic, Pedro
Zuschauer  70.000