Zeit für Rotation?
Bisher war der Bayern-Coach recht vorsichtig mit seinen personellen Wechseln. Er reagierte auf die Sperre von Boateng und die verletzungsbedingten Ausfälle von Robben und Benatia. Ansonsten tauschte er nur sehr dosiert. Sieben Spieler aus dem Stammkader kamen bisher in vier Bundesliga-Spielen auf weniger als 200 Minuten, darunter Rafinha, Götze und Bernat. Sebastian Rode und Joshua Kimmich wurden bislang nicht einmal 10 Minuten in der Bundesliga eingesetzt – das könnte und sollte sich in den nächsten Wochen ändern.
Bekommt Alonso eine Pause?
Besonders spannend wird die Frage, ob der Mittelfeld-Stratege, wie vor der Saison angekündigt, in englischen Wochen Regenerationspausen bekommt. Beim FC Bayern hat man sehr wohl registriert, dass Alonso im Vorjahr nach einer intensiven ersten Halbserie mit viel Spielzeit in der Rückrunde die Luft ausging. Alonso ist stark in die Saison gestartet, auch oder gerade weil er etwas weniger Verantwortung im Passspiel übernimmt. Knapp 20 Pässe weniger pro 90 Minuten spielt er im Vergleich zur Vorsaison (121 statt 101). Dafür ist er an deutlich mehr Torchancen beteiligt. 2,5 statt 1,6 Keypasses vermerkt „whoscored.com“ pro 90 Minuten für de Spanier. Vor allem die aufreißenden Diagonalbälle auf Douglas Costa sind dabei zu einer Waffe in dieser Saison geworden. Alonso wird in dieser Form eine zentrale Rolle in den anstehenden Spielen gegen Wolfsburg, Dortmund und in der Champions League spielen. Umso wichtiger ist, dass er in den übrigen Spielen Pausen bekommt.
Joshua Kimmich, der unter der Woche gegen Piräus für Alonso ins Spiel kam, ist hier die logische Alternative. Der 20-Jährige hat bei seinem Aufritt im Pokal gegen Nöttingen und den Kurzeinsätzen danach noch keine echte Duftmarke setzen können. Er wirkte zuweilen etwas überfordert mit dem Tempo des Spiels und hatte überraschend starke Probleme damit, die richtigen Räume zu besetzen. Kimmich brennt auf eine Chance und könnte diese schon gegen Darmstadt erhalten.
Auch Sebastian Rode musste bisher deutlich zurückstecken. Dass der FC Bayern ihn trotz mehrerer Angebote im Sommer nicht gehen ließ, zeigt, dass mit ihm geplant wird. Kleinere Verletzungen zu Saisonbeginn und der Versuch Arturo Vidal schnell in Bayerns Spiel zu integrieren sprachen bisher dagegen. Dass Guardiola trotz komplizierter Spielverläufe gegen Hoffenheim und Augsburg anders als im Vorjahr nicht frühzeitig auf den vielseitigen Mittelfeldmann setzte, überraschte etwas. Doch auch für ihn könnte jetzt die Chance gekommen sein, sich zu zeigen. Er ist die erste Wahl, sollte Arturo Vidal in den Spielen gegen Darmstadt, Mainz oder Zagreb eine Pause bekommen oder mit einer leichten Blessur ausfallen.
Götze und Coman drängen sich auf
Auch auf den Offensivpositionen hat Guardiola trotz der Ausfälle von Robben und Ribéry Alternativen. Das hat nicht zuletzt das Spiel gegen Piräus gezeigt. Götze ließ einem starken Startelf-Auftritt gegen Hoffenheim einen wirkungsvollen Kurzeinsatz gegen Piräus folgen. Er hat sich eine Chance von Anfang an absolut verdient und wird diese Wohl schon gegen Darmstadt auch bekommen. Douglas Costa und Thomas Müller sind neben David Alaba die einzigen Feldspieler, die in dieser Bundesliga-Saison in jeder Minute auf dem Platz standen. Costa wirkte gegen Piräus etwas überspielt. Gerade ihm könnte eine Schaffenspause gut tun.
Kingsley Coman zeigte in seinen beiden Einsätzen als Einwechselspieler, dass es noch etwas dauern wird, bis er er die Erwartungen Guardiolas an das ausgefeilte Positionsspiel in München erfüllt. Der 19-Jährige beschränkte sich meist darauf, auf dem Flügel zu warten, um dann individuell Torgefahr zu kreieren. Besonders gut eingebunden war er dabei, bis zu seinen späten Torvorlagen gegen Piräus, nicht. Auch er ist jedoch eine willkommene Rotationsmöglichkeit.
Nur Alaba und Boateng nicht zu ersetzen
Durch die Verletzungen von Badstuber, Martínez und Benatia sowie die zwischenzeitliche Sperre von Boateng war Guardiola schon in den vergangenen Wochen mehrfach zur Improvisation gezwungen. Durch Bayerns Flexibilität und die sichere Beherrschung von Dreier- und Viererkette war dies kein großes Problem. Javi Martínez, der zuletzt zwei Mal im Kader stand, scheint kurz vor einem Comeback zu stehen. Auch Holger Badstuber macht offenbar Fortschritte. Bernat und Rafinha sind ohnehin grundsolide Alternativen auf den beiden äußeren Positionen und trotzdem dürfte es Guardiola am schwersten fallen die beiden Dauerbrenner Alaba und Boateng zur Zeit unten zu lassen. Beide spielen trotz kleinerer Aussetzer auf einem enorm hohen Niveau und sind durch ihre Vorwärtsverteidigung (Boateng) und die offensive Dynamik (Alaba) beinahe unverzichtbar für Bayerns derzeitige Statik. Martínez dürfte jedoch demnächst die ersten Saisonminuten bekommen.
Insgesamt zeigt sich wie groß Guardiolas Möglichkeiten in dieser Saison trotz der Verletzungen sind. Es wird entscheidend sein, dass der Coach besser als in den Vorjahren die Mischung aus notwenigem Rhythmus und einer sinnvollen Rotation findet. Das wird ein Schlüssel für die kommenden Wochen und vor allem für den weiteren Saisonverlauf darüber hinaus.