Frauen Champions League: Bayern – Paris 1:0 (0:0)
Doch im Kollektiv bissen sich die Roten in die Partie, hielten Dank einer großartig aufgelegten Tinja-Riikka Korpela die Null und schossen das einzige Tor des Spiels.
Falls Ihr es verpasst habt
Man musste mit dem Schlimmsten rechnen. Mit Paris stand ein mit Weltstars gespicktes europäisches Top-Team vor der Tür und die Bayern fanden sich wieder inmitten einer Krise. Zweimal innerhalb einer Woche hatte man gegen den VfL Wolfsburg verloren, war so aus dem Pokal geflogen und musste zu den Champions-League-Plätzen 1 und 2 in der Liga abreißen lassen. Während Langzeitverletzte wie Sarah Romert und Viktoria Schnaderbeck in den Kader zurückkehrten, fehlten den Bayern erfahrene Nationalspielerinnen wie Nora Holstad, Simone Laudehr, Stefanie van der Gragt oder Melanie Leupolz.
Mehr als 7.000 Menschen waren in die Hermann-Gerland-Kampfbahn gekommen, um beim Champions-League-Kracher Bayern-Paris anzufeuern. Unter den Augen von Uli Hoeneß, Carlo Ancelotti und Hoffenheims „Trainer des Jahres 2016“, Julian Nagelsmann, bereiteten die Gäste den Bayern von Minute eins an erhebliche Probleme.
Paris presste hoch, schnürte den FCB ein, hielt den Ball in den eigenen Reihen und gewann verlorene Bälle umgehend zurück. Bayern lief nur hinterher. Die Nervosität spürbar. Zu langsam und zögerlich, ohne jede Selbstverständlichkeit in ihren Ballaktionen schenkten sie viele Bälle her und gerieten mächtig unter Druck. Es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis Paris eine seiner Angriffswellen im Tor unterbringen würde. Gleich die erste Großchance hatte Ex-Bayern-Spielmacherin Vero Boquete auf dem Fuß (6’), doch schon in dieser ersten brenzligen Szene ließ Korpela im Tor der Roten erahnen, in welcher herausragenden Form sie an diesem Abend war und parierte den Schuss mit dem linken Fuß.
Ein hochüberlegenes Paris verzweifelte 90 Minuten lang an der aufopferungsvollen Defensivarbeit der Bayern — sowie am fehlenden Glück. Die Bayern dagegen kamen mit jeder Minute besser ins Spiel, begannen zunehmend, sich der Physis des Gegner zu stellen statt zurückzuschrecken und die Duelle anzunehmen. Denn nur wer Zweikämpfe führt, kann auch welche gewinnen und Fouls gepfiffen bekommen. Das nordische Schirigespann ließ konsequent auf beiden Seiten viel laufen, was dem Spielfluss guttat. Gelbe Karten hagelte es trotzdem. Doch entscheidend waren sie nicht.
3 Dinge, die auffielen:
1. Überragende Reflexe von Korpela frustrieren Paris
Auch Korpela zeigte Nerven. Den Distanzschusses von Paris-Kapitänin Shirley Cruz wehrte sie zwar hab, doch nicht per Faustabwehr, auch nicht durch Festhalten, sondern quasi per Pritschvorlage für die heranrauschende Marie-Laure Delie. Delie senste den Ball über den Querbalken, während sich Korpela noch davon erholte, sich um den Torpfosten gewickelt zu haben (8’).
Sinnbildlich für das gesamte Team ließ sich Korpela von der Anfangsnervosität nicht vorschreiben, wie der Rest des Abends zu verlaufen hätte. Ein ums andere Mal kombinierte sich die Pariser Offensive wie ein Bienenschwarm an und in den Bayern-Strafraum. Und ein ums andere Mal verkürzte Korpela die Winkel, pflückte die Freistöße aus der Luft, saugte die Abschlüsse in ihre Arme, brachte im Runtergehen blitzartig noch die Hand in die Höhe und vereitelte einen Hochkaräter der Gäste nach dem anderen.
Selbst als Cruz bei einem Konter wunderschön freigespielt von Cristiane völlig allein mit Vollgas von links in den Strafraum eingedrungen war, türmte sich vor ihr eine Wand aus Neongelb auf und ließ einfach nicht zu, dass die harte Arbeit der Bayern zunichte gemacht würde (54’). Auch diesen Ball hielt Korpela — und es folgten noch zig andere.
Sie hielt ihr Team im Spiel. Für diese schier unglaubliche Leistung hätte sie sich kaum einen besseren Abend aussuchen können.
2. Paris – oder: Wie kreativ ein 4-4-2 sein kann
Das 4-4-2 gilt in diesen Tagen in der Männer-Bundesliga als das Schwarzbrot unter den Formationen. In zwei dicht verschiebenden Ketten vor dem Torwart wehrt man auf der kompletten Spielfeldbreite alles ab, was der Gegner zu bieten hat. Gleichzeitig kann man über die Sechser im Mittelfeld Konter auslösen und hat den Luxus, zwei Sturmspitzen plus zwei Flügelstürmer über die Außen auf die Reise schicken zu können, ohne hinten mit vier Mann vor dem Torhüter großartig ins Risiko zu gehen.
Auch Paris Saint-Germain spielte offensiv wie defensiv im 4-4-2. Doch vom Erwarten des Gegners am eigenen Strafraum und den üblichen Rollenverteilungen in der Vorwärtsbewegung war nur teilweise etwas zu sehen. Defensiv bot das System wenig Überraschungen. Cristiane und Delie liefen die erste Linie der Bayern an und setzten den Spielaufbau unter Druck, ließen den Pass in die nächste Linie jedoch zu. Das Pariser Mittelfeld verteidigte dabei allerdings so physisch präsent, flink und geschickt im Raum, dass den Bayern kaum Platz oder Zeit zur Weiterverarbeitung des Balls blieb. Die Pariser Abwehr hingegen geriet so nur selten unter Druck.
Offensiv überraschte Paris vor allem mit den Rollen der Mittelfeldreihe. Kapitänin Shirley Cruz spielte offiziell auf der linken Außenbahn. Doch während ihr Pendant Lawrence auf rechts für die üblichen Tempodurchbrüche über die Flanke sorgte und im Zusammenspiel mit Außenverteidigerin Georges sowie Stürmerin Delie vor allem Verena Faißt alles abverlangte, zog Cruz von links immer wieder in die zentrale Position der Spielmacherin. Als einkippende Zehn fand sich Cruz überall auf dem Platz. Mal war sie Ballschlepperin als tiefste Spielerin des Mittelfelds, kurz drauf zeigte sie sich nach schnellen Doppelpässen durch die Zentrale für Torschussvorlagen und Torschüsse verantwortlich. Geyoro balancierte die Bewegungen Cruz’ aus und sicherte den Sechserraum mit einer unglaublichen Physis ab, so dass auch Boquete ähnlich viele Freiräume wie Cruz im Zehnerraum genoss.
Die Überzahl der Bayern mit der Dreierkette gegen den Doppelsturm sowie das körperlich und technische starke Fünfermittelfeld — also acht gegen sechs — waren das richtige Schutzschild gegen die Qualität der Pariserinnen, die sich dennoch kaum stoppen ließen. Denn Paris stand mit Boquete, Cruz und Cristiane quasi mit drei torgefährlichen Spielmacherinnen auf dem Platz. Zudem konnten sich die Bayern nicht auf das Zentrum konzentrieren, da sie auf der linken Abwehrseite stets die geballten Pferdestärken von Lawrence, Georges und Delie zu fürchten hatten.
Paris dürfte angesichts der eigenen Torflaute einigermaßen fassungslos zurückgereist sein.
3. Die Bayern mit dem Glück der Tüchtigen
Ja, die Bayern waren über weite Strecken unterlegen. Ja, die Bayern spielten die ersten zwanzig Minuten nicht ihren besten Fußball — wie paralysiert. Ja, sie wurden von Paris dominiert und zu Fehlern gezwungen. Aber. Sie hielten dagegen. Wie in alten Zeiten waren sie der Underdog. Sie glichen im Kollektiv die Fehler der Mitspielerinnen aus. Sie steckten nicht auf. Sie gaben sich einfach nicht geschlagen. Und wenn der Ball zum hundertsten Mal beim Gegner landete und alle nach vorne eilenden Spielerinnen um ihr Leben laufen und wieder nach hinten arbeiten mussten. Sie taten es. Und je länger das 0:0 stand, desto frustrierter wurde Paris.
Zudem hatte auch Wörle seinem Team ein paar Kniffe an die Hand gegeben. Bei ruhenden Bällen gab es ganz klare Gegnerzuordnungen. Zudem brachte er soviel Furchtlosigkeit und Entschlossenheit in den Kader wie zur Verfügung stand. Seit Lewandowski in der Innenverteidigung aushelfen muss, wechselte Katharina Baunach je nach Lage der Engpässe mal auf die linke und mal auf die rechte Flügelverteidigerposition. Diesmal verschloss sie auf der Sechs neben Melanie Behringer die Zentrale und sorgte mit Mut und Passstärke dafür, dass auch Bayern einige Ballstafetten zustande brachte. Mit Baunach auf der Sechs konnte die zuvor angeschlagene Maier auf rechts ins Spiel integriert werden und Behringer im Pressing der Bayern in offensiverer Position — auf der Zehn hinter den zwei Spitzen — den Ball vom eigenen Tor fernhalten und sich gelegentlich offensiv einschalten.
Das komplette Team trug nach Kräften zum Erfolg bei. Maier hatte durch Baunach Kapazitäten von außen die Räume von Cruz zuzuschieben, Faißt konnte alle Kraft gegen Lawrence und Delie einsetzen und wurde dann, um nicht nachzulassen, von der flinken Lisa Evans ersetzt. Rolser ackerte hart von linker Acht bis rechter Flügel, von wo sie eine fantastische Flanke vors Tor brachte. Die Ruhe, mit der Caroline Abbé hohe Bälle aus dem Strafraum köpfte, sich mutig offensiv einschaltete, geistesgegenwärtig einen frei herumflippernden Ball im eigenen Fünfer nicht etwa irgendwem ans Schienbein bretterte, sondern schlau Cruz in ihrem Rücken aussperrte, so dass Behringer klären konnte, war absolut fantastisch. Unglaublich, dass sie zu dieser erfahrenen Leistung imstande war, nachdem sie über weite Teile der Saison keine Gelegenheit hatte, eine Rolle zu spielen. Aber jetzt wurde sie gebraucht. Und jetzt war sie da.
Mit dieser kollektiven Willensleistung stemmten sich die Bayern gegen Paris und dagegen, am eigenen Sechzehner eingeschnürt zu werden. Auch spät im Spiel versuchten sie, mutig nach vorne zu gehen. Miedema hatte den Ball über weiter Strecken des Spiels kaum gesehen und trotzdem hielt sie ihre Position und setzte ihre Laufwege fort — bis es sich auszahlte. Fehler Paris im Spielaufbau. Mutig und schlau attackierte Däbritz den Strafraum und dribbelte Delannoy direkt an, brachte den Ball rechts quer zu Miedema und was die niederländische Torkanone dann tat, ist einfach Weltklasse. Wieviele andere Stürmerinnen hätten nun den Ball hektisch über das Tor geballert oder direkt auf die Torhüterin gezielt. Doch Miedema schaute sich Verteidigerin, Torhüterin und die richtige Ecke aus, legt den Ball auf den schwächeren Linken und völlig ohne Wucht, dafür platziert, schoss sie unhaltbar an den rechten Innenpfosten zum Siegtreffer (72’) ins Tor.
.@VivianneMiedema scoring the game-winning goal for @FCBfrauen in their #UWCL quarterfinal 1st leg, Sara Däbritz with a nice assist. #FCBPSG pic.twitter.com/9lUnRpjW6c
— Patrick (@RatedRHero) 24. März 2017
.@FCBfrauen goal celebration! 😊 #FCBPSG pic.twitter.com/FwSxVnaFui
— Patrick (@RatedRHero) 24. März 2017
Ob den Bayern eine solche Leistung auswärts im Prinzenparkstadion ein zweites Mal gelingen kann, ist fraglich. Mehr als fraglich. Aber die Ausgangslage ist großartig. Paris ist unter Druck. Ein Unentschieden würde reichen. Und sollte Bayern treffen… jeder Treffer zählte auswärts doppelt.
Vielleicht geht da ja was, in Paris nächste Woche. Die Chance dazu hat sich diese Mannschaft erarbeitet. Und sie wird alles daran setzen.
FC Bayern München – Paris Saint-Germain | |
---|---|
Bayern | Korpela – Lewandowski, Wenninger, Abbé – Faißt (67. Evans), Behringer, Baunach (90. Lotzen), Maier – Däbritz – Rolser (86. Rolser), Miedema |
Bank | Zinsberger, Romert, Schnaderbeck, Slipčević |
Paris | Kiedrzynek – Perisset, Paredes, Delannoy, Georges – Cruz, Geyoro, Boquete (60. Diallo), Lawrence – Cristiane, Delie |
Bank | Geurts, Palacin, Lahmari, Morroni, Cissoko, Formiga |
Tore | 1:0 Miedema (72.) |
Karten | Gelb: Behringer (33.), Baunach (73.), Lotzen (90+3.) / Geyoro (26.), Cruz (32.), Paredes (83.) |
Schiedsrichterinnen | Pernilla Larsson (Schweden), Julia Magnusson (Schweden), Annica Johansson (Schweden), Lina Lehtovaara (Finnland) |
Zuschauer | 7.300 |
Proud of this team. What a night. #FCBPSG @FCBfrauen #VolleHütte #UWCLhttps://t.co/xwFUbFZlCf pic.twitter.com/yCbnAQEDdR
— Patrick (@RatedRHero) 24. März 2017