FC Bayern – Werder Bremen 5:2 (1:2)
Bayern nach der Pause mit Lahm für Weiser und dann in der Folge nicht mehr zu halten. Pizarro nach einer Ecke mit dem wichtigen 2:2 und kurze Zeit später gar mit dem 3:2. Bayern von dahin mit voller Kontrolle und vielen guten Abschlüssen. Schweinsteiger (61.) und Robben (74.) trafen zum am Ende ungefährdeten 5:2-Erfolg. Es war ein positives Erlebnis vor dem großen Duell mit Real Madrid am Dienstag.
3 Dinge, die auffielen:
1. Bayern reagiert auf komische erste Halbzeit
Nach 45 Minuten schien es so als würde der Antilauf der Bayern anhalten. Bremen führte mit 2:1 und legte genau die Schwächen frei, für die sich Bayern in den vergangenen Tagen nach dem Madrid-Hinspiel kritisieren lassen musste. Zwei Tore nach Kontern und vermeintlich zu wenig Abschlüsse trotz hohem Ballbesitz. Die Kritik an Spielsystem und der zu laschen Einstellung in der Liga nach der Meisterschaft wäre vor dem Rückspiel gegen Real sicher noch einmal größer geworden, wäre es bei diesem Ergebnis geblieben.
Ungewöhnlich war: Bayern zeigte von den Statistiken her schon in der ersten Hälfte eine ganz ordentliche Partie. Natürlich mehr Ballbesitz, aber auch mehr gewonnene Zweikämpfe, mehr (durchaus passable) Torschüsse, mehr Sprints, mehr intensive Läufe und eine nahezu identische Gesamtlaufleistung. Es war auch nicht gerade so, dass Bremen einen Konter nach dem anderen fuhr. Genau genommen waren es zwei gut vorgetragene Angriffe in denen die Bremer die Räume hinter den weit aufgerückten Außenverteidigern geschickt nutzten. Eine wichtige Lehre im Übrigen für das Rückspiel gegen Real mit Bale und Ronaldo. Das eigentliche Problem war aber, dass die zwei guten Angriffe der Gäste auch auf Grund des gerade vor dem 1:2 absurd schlechten Zweikampfverhaltens von Boateng sofort zu zwei Toren führten.
Es gab schon in der Hinrunde Spiele in denen Bayern beim Stand von 0:0 den ein oder anderen gefährlichen Konter zuließ. Sogar im Hinspiel gegen die Norddeutschen, das Bayern am Ende mit 7:0 gewann, hatte die Dutt-Elf in den ersten 20 Minuten die besseren Chancen. Der Unterschied: Das Tor fiel nicht. Es passt insofern in die schwierige Phase der Münchener, dass trotz einer aus meiner Sicht gerade noch akzeptablen ersten Hälfte wenige Konzentrationsfehler zu einer zweimaligen Führung der Bremer reichten. Stoff für eine Grundsatzkritik an Bayerns Spielweise war die erste Hälfte allemal nicht. Auch die leichtfertige Kritik an einem lustlosen Auftritt, kann mit Blick auf die angesprochenen läuferischen Statistiken nicht unbedingt untermauert werden. Es war eine komische erste Hälfte, die in 9 von 10 Fällen wahrscheinlich nicht mit einem 1:2-Halbzeitrückstand endet. Dass Bayern in den letzten drei Heimspielen nach gewonnener Meisterschaft fast 40 Prozent seiner gesamten Gegentore in der Saison 2013/2014 kassierte, spricht allerdings für eine deutliche Häufung von Konzentrationsfehlern, die Bayern auch gegen Bremen das Leben schwer machten. Guardiola hatte nach dem Spiel übrigens ein wesentlich kritischeres Urteil für die Mannschaft übrig, als ich es gerade dargelegt habe. Er sprach davon das erste Mal richtig enttäuscht von seiner Mannschaft gewesen zu sein.
Es spricht für die Mannschaft, dass sie trotz des potenziell verunsichernden Rückstands mit großer Entschlossenheit aus der Kabine kam. Die zweite Hälfte war die wohl beste Halbzeit seit der Bundesliga-Meisterschaft im Spiel gegen die Hertha. Gerade die Beweglichkeit in der Offensive und die Präsenz im Strafraum, die durch Müller, Pizarro und die nachrückenden Götze, Schweinsteiger oder Ribéry hergestellt wurde, machen Mut, dass die Feinjustierung an den offensiven Abläufen im Vorfeld des Real-Spiels angelaufen ist. Bemerkenswert war erneut wie selbstverständlich Bayerns Spiel mit der Führung im Rücken wurde. Es ist ein anderes Tempo und eine andere Klarheit im Spiel der Bayern sobald die Führung da ist und der Gegner gezwungen ist etwas mehr zu probieren.
2. Schweinsteiger und Martínez machen Werbung in eigener Sache
Wer hier regelmäßig mitliest weiß, dass ich gerade nach den Stabilitätsproblemen der letzten Wochen eindeutig für eine Rückkehr von Martínez auf die Sechs plädiert habe. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten setzte Guardiola gegen Bremen auf die aus dem Vorjahr bewährte Kombination aus Schweinsteiger und Martínez im zentralen Mittelfeld. Mit ihrer Leistung gegen Bremen machten sie durchaus Werbung in eigener Sache auch wenn der Rotationslogik von Guardiola folgend Kroos gegen Madrid in die Startelf zurückkehren könnte. Auch eine Kombination Kroos/Martínez wie in der Schlussviertelstunde gegen Madrid scheint denkbar.
Die Doppelsechs gewann gegen Werder zusammen 30 Zweikämpfe. Vor allem Martínez ragte dabei mit überragenden 83 Prozent gewonnener Zweikämpfe heraus. Es war nicht unbedingt das Spiel für schnelles Gegenpressing oder frühe Ballgewinne, weil Werder generell nur sehr selten den Ball hatte und meist schon aus der Defensive den direkten Weg zu den Stürmern suchte. Nur 6 Ballrückeroberungen und 5 klassische Ballgewinne standen am Ende für die Münchener zu Buche. Dennoch bewiesen beide wie sie einem Spiel gemeinsam die notwendige Stabilität im Zentrum verleihen können.
Zu Bastian Schweinsteiger ist zudem etwas weiteres zu sagen. Seine fußballerische Entwicklung in den letzten 10 Jahren zählt ohnehin zu den bemerkenswertesten Vorgängen der jüngeren deutschen Fußballgeschichte. Vor mehr als zehn Jahren als passables Talent, mit gutem Fernschuss auf der Außenposition im Mittelfeld gestartet wurde Schweinsteiger zu einem zweikampfstarken Strategen, der der Last eines zentralen Mittelfeldspielers auf allerhöchstem Niveau seit über vier Jahren gewachsen ist. Seine Schusskraft aus der Distanz hat merklich nachgelassen. Schweinsteiger hat sein Spiel jedoch in den letzten Jahren erweitert. Er ist ein gefährlicher Freist0ß-Schütze geworden (5 Freistoß-Tore in den vergangenen zwei Jahren) und er ist ein richtig guter Kopfballspieler geworden. Vier seiner letzten sechs Treffer in der Bundesliga erzielte Schweinsteiger mit dem Kopf. Auch im Pokal gegen Kaiserslautern war er zuletzt mit dem Kopf erfolgreich. Gegen Bremen traf er zum wichtigen 4:2. Hermann Gerland weist häufig mit Stolz darauf hin, dass seine Spieler allesamt gute Kopfballspieler seien. Bei Thomas Müller, Holger Badstuber und selbst Philipp Lahm (wenn es um kontrollierte Kopfbälle, weniger um Kopfballduelle geht) sind hier gute Beispiele. Schweinsteiger hat erkannt, dass er mit seinen Fähigkeiten als nachrückender zentraler Mittelfeldspieler auch ohne die große Gefahr aus der Distanz torgefährlich sein muss, um der Mannschaft zusätzlich zu helfen. Seine Präsenz im Strafraum wie zuletzt auch gegen Manchester und gerade seine neugewonnene Kopfballstärke sind hier ein absolutes Plus für den Co-Kapitän.
3. Richtige und falsche Reaktionen
Franck Ribéry stand in der Partie gegen Bremen unter besonderer Beobachtung. Nach schwächeren Leistungen zuletzt und gerade im Hinspiel gegen Real Madrid wurde der Franzose erstmals ernsthaft in Frage gestellt in München. Es ist gut, dass Guardiola ihm gegen Bremen die Chance gab seinen Rhythmus wieder zu finden und Selbstvertrauen zu tanken. Klar ist: Auch am Samstag gelang dem 31-Jährigen längst nicht alles. Er spielte (gemeinsam mit dem eingewechselten Philipp Lahm!) die meisten Fehlpässe auf Seiten der Münchener (12) und dribbelte sich das ein oder andere Mal fest. Trotzdem zeigte er eine deutliche Reaktion. Sein Tor war eine Befreiung, sein Engagement mitreißend. Ribéry lief die drittmeisten Kilometer (11,3), zog die meisten Sprints an (36), hatte die zweitmeisten Ballkontakte (98), schoss 4 Mal aufs Tor, gewann 15 Zweikämpfe und schloss 7 Dribblings erfolgreich ab. Ribéry zeigte die richtige Reaktion im Vorfeld des Spiels gegen Real.
Weniger deutlich fiel diese Reaktion von zwei anderen Spielern aus, die nach dem Real-Spiel ebenfalls im Fokus standen. Mario Götze und Thomas Müller Beide kamen gegen Real von der Bank. Gerade die durchaus klaren Worte von Müller nach dem Schlusspfiff („Begeistert bin ich nicht“) wurden von vielen Medienvertretern wohlwollend aufgenommen. Ich habe für derlei Aussagen unter professionellen Gesichtspunkten wenig Verständnis habe. Müller hat die meisten Pflichtspiele aller Bayern-Spieler in dieser Saison absolviert. Er stand in beiden Spielen gegen Manchester United in der Startelf. Auch er sollte wissen, dass gerade in einer kritischen Phase jeder Zwischenton öffentlich interpretiert wird. Es gibt in einer Saison immer Härtefälle, die ein Spieler nicht gut heißen muss, aber aus meiner Sicht mindestens öffentlich akzeptieren sollte.
Ich war also durchaus gespannt, ob die beiden Nationalspieler genau wie der unter Druck stehende Ribéry eine Reaktion zeigen würden. Die Antwort ist ein klares: Naja. Beide deuteten an, dass sie gemeinsam im Zentrum oder in einer ausweichenden Rolle auch gegen tiefstehende Gegner viel Bewegung ins Offensivspiel bringen können. Gerade Müller, der phasenweise als eine Art zweite Spitze agierte und mit Pizarro oft die Positionen wechselte ist hier zu nennen. Zusammen bereiteten beide 11 Torschüsse vor, Müller war zudem am 2:2 direkt beteiligt. Leistungen, die zwingend nach einem Startelf-Einsatz im Rückspiel gegen Madrid schreien, boten beide nicht – auch wenn ich persönlich Müller statt Mandzukic oder Kroos von Beginn an absolut begrüßen würde.
Nicht mehr viel zu sagen ist über Claudio Pizarro. Der Peruaner ist nunmehr seit fast zwei Jahren der perfekte Ergänzungsspieler. Er ist da, wenn der Verein ihn braucht. Seine zwei Treffer unterstrichen zudem, dass mit ihm sportlich jederzeit zu rechnen ist. Er schießt in dieser Bundesliga-Saison im Schnitt alle 80 Minuten ein Tor. Der beste Wert aller Bayern-Spieler. Rufe nach einem Startelf-Einsatz gegen Real sind freilich völlig übertrieben, aber Pizarro kann durchaus eine wichtige Alternative von der Bank sein, wenn Bayern ab der 60. oder 70. Minute zusätzliche Torgefahr braucht.
Spätestens ab jetzt gilt: Alle Augen auf Dienstag.